„rotten service!!“, „nie wieder!!!!!!“ Frustrierte eBay-Kunden nehmen im anonymen Feedback-Forum der Handelsplattform meist kein Blatt vor den Mund. Die Linguistin und Anglistin Marja Meinl war von diesen noch kaum erforschten Online-Sprechakten so begeistert, dass sie ihre Dissertation zu kulturellen Vergleichen britischer und deutscher Beschwerdeeinträge bei eBay schrieb. Ergebnis: Deutsche drohen schneller mit dem Anwalt als eBay-Kunden von der Insel. Letztere zeigen sich dafür in der Anonymität des Internet oft alles andere als britisch-höflich.
Meinl wählte für ihre Studie insgesamt 400 Beschwerdeeinträge der deutschen und englischen eBay-Seiten aus. „Die meisten beschweren sich, weil sie ihre gekaufte Ware nicht erhalten haben oder weil die Ware anders ist als erwartet oder beschrieben“, erklärt sie. Hinzu kommen Doppelbeschwerden, wenn neben diesen weitere Mängel wie hohe Versandkosten beanstandet werden: „Unfortunately i have not received this item and no response to emails.“
Deutsche lieben Ausrufungszeichen
Die Linguistin verglich die Datensätze auf deutschen und britischen eBay-Seiten mit Hilfe mehrerer statistischer Tests. Manche Ergebnisse waren nicht zu übersehen: So betonen deutschsprachige User ihre Aussagen häufig visuell: Sie schreiben in Großbuchstaben, verwenden so genannte „Emoticons“ wie „“ oder setzen sehr viele Ausrufungszeichen hintereinander. „Die Deutschen lieben Ausrufungszeichen“, lacht Meinl und zitiert ein Beispiel: „Luxus Taschenuhr ! ? Mehr als Schrott ! Einmal und nie wieder !!!!!!!!!!!!!!!!!!“
Britische User, so die Linguistin, benutzen gerne Pronomina wie „you“, um einen direkten Bezug zu ihrem Gegenüber herzustellen: “Have not received the goods from you“; “Can you send me my vinyl pleaseeeeeeeeeee“. Deutschsprachige User dagegen sprechen ihr Gegenüber seltener direkt an, sondern wenden sich in der 3. Person Singular an die ganze Community: „Ware nie angekommen. hände weg von diesem verkäufer!“
Vulgäre Flüche, geringes Schuldbewusstsein
„Deutsche drohen zudem schneller mit dem Anwalt“, erläutert Meinl weiter und erklärt: „Die Anonymität des Internets lässt Hemmschwellen sinken.“ Unter diesen Bedingungen scheint sich zuweilen sogar die britische Höflichkeit zu verflüchtigen. Vulgäre Flüche wie “LIAR!“ oder “FRAUD!!!!!“ sind keine Seltenheit und zeigen, dass auch britische User die „!“-Taste kennen. Meinl war erstaunt über diese Ergebnisse, denn: „Bei gesprochener Sprache gelten Deutsche als sehr direkt, Briten dagegen als zurückhaltend. Hier, in der anonymen Online-Welt, ist dieser Unterschied kaum noch zu finden!“
Mit ihrer Dissertation möchte die Bonner Linguistin eine wissenschaftliche Lücke schließen: Interkulturelle Vergleiche zwischen Online-Äußerungen verschiedener Sprachen gab es bislang kaum, obwohl diese eine alltägliche und immer wichtigere Kommunikationsform sind. „Ich habe nach unerforschten, vor allem aber natürlichen, also spontan entstandenen Daten gesucht“, erläutert die Gymnasiallehrerin für Englisch, Biologie und Pädagogik. Im eBay-Feedback-Forum machen sich die Leute spontan online Luft – ein idealer Datenfundus. Betreut wurde Meinls Dissertation von Professor Dr. Klaus P. Schneider (Angewandte Englische Sprachwissenschaft) am Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie der Universität Bonn.
Der Volltext der Dissertation “Electronic Complaints. An Empirical Study on British and German Complaints on eBay” von Marja Ebba Meinl lässt sich unter http://hss.ulb.uni-bonn.de/2010/2122/2122.htm aus dem Internet herunterladen.
Kontakt:
Dr. Marja Meinl
Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie (IAAK) der Universität Bonn
Telefon: 0228-737308
E-Mail: Dr.Meinl@gmx.de
Criteria of this press release:
Language / literature, Media and communication sciences, Psychology
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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