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08/02/2001 16:05

5. Workshop der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Bildgestützte Chirurgische Navigation

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Schon jetzt können Operationen, etwa am offenen Magnetresonanztomographen, zeitgleich auf dem Bildschirm verfolgt werden. Nun denkt man daran, ganze Operationen realitätsgetreu abzubilden und diese z.B. beim chirurgischen Training zu nutzen. Bisher war das vor allem deshalb nicht möglich, weil die Eigenschaften, die sich dem Chirurgen über den Tastsinn bzw. die natürliche elastische Beschaffenheit menschlichen Gewebes erschließen, virtuell nicht zu simulieren waren.

    Auch in der Chirurgie führt die zunehmende Leistungsfähigkeit der Computertechnik zu völlig neuen Entwicklungen. Schon jetzt können Operationen, etwa am offenen Magnetresonanztomographen, zeitgleich auf dem Bildschirm verfolgt werden. Nun denkt man daran, ganze Operationen realitätsgetreu abzubilden und diese z.B. beim chirurgischen Training zu nutzen. Bisher war das vor allem deshalb nicht möglich, weil die Eigenschaften, die sich dem Chirurgen über den Tastsinn bzw. die natürliche elastische Beschaffenheit menschlichen Gewebes erschließen, virtuell nicht zu simulieren waren. Diese Hindernisse könnten jetzt bald der Vergangenheit angehören. Sogenannte Force-feedback-Instrumente und mechano-biologische Atlanten von Gewebseigenschaften sollen helfen, virtuell eine möglichst reale Operationssituation zu entwickeln. Das Durchspielen verschiedener Abläufe und mögliche Komplikationen inklusive.

    Auf dem 5. Workshop der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Bildgestützte Chirurgische Navigation (ISGN) am 7. August in Leipzig wird dieser Problemkreis diskutiert. Praktischen Bezug soll das BMBF-Projekt "hapticIO" geben, dass in Leipzig als Projektpartner des Forschungszentrum Karlsruhe und dem Universitätsklinikum Benjamin-Franklin Berlin bearbeitet wird. Im Rahmen des Workshops wird deshalb auch das 2.Treffen der Projektpartner mit Vorstellung der ersten Zwischenergebnisse stattfinden.

    Beteiligt am Workshop sind u.a.: PD Dr.med.Volkmar Falk, Oberarzt der Klinik für Herzchirurgie, wiss. Vorstand der IGSN Leipzig; Prof.Dr.med.Friedrich Bootz, Direktor der Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde/Plastische Operationen, Teilprojektleiter hapticIO; Prof.Dr.med.Thomas Kahn, Direktor der Klinik für Radiologie, Sprecher der IGSN Prof.Dr.-Ing.G.Bretthauer, Institutsleiter des IAI, Forschungszentrum Karlsruhe.

    Dr. Volkmar Falk vom Herzzentrum Leipzig hat aus der Sicht des Herzchirurgen beschrieben, warum der Einsatz von VR-basierten Simulatoren zur chirurgischen Ausbildung am Telemanipulator für den Nachwuchschirurgen so wichtig ist:

    Die traditionelle chirurgische Ausbildung besteht aus der Anleitung und Überwachung eines zwar hoch ausgebildeten aber praktisch unerfahrenen Chirurgen durch einen erfahreneren Kollegen. Patienteninteraktion, multidimensionale Entscheidungsfindung und den Erwerb handwerklicher Fähigkeiten im Umgang mit den technischen Herausforderungen der Gewebemanipulation stehen hierbei im Mittelpunkt des Ausbildungsbemühens. Auch bei konstanter Überwachung durch einen kompetenten Ausbilder kann der Erwerb komplexer chirurgischer Fähigkeiten bei der patientenzentrierten chirurgische Ausbildung zu Fehlern und einem erhöhten Patientenrisiko führen.

    Im Verlauf der Ausbildung nimmt die Überwachung ab, die Wahrscheinlichkeit technischer Fehler steigt aber zunächst mit zunehmender Selbständigkeit weiter an, bis eine Stufe praktischer Kompetenz erreicht ist. Jeder Chirurg durchläuft also während seiner Ausbildung eine bestimmte Lernphase, die das Risiko für den Patienten erhöht.

    Die traditionelle chirurgische Ausbildung findet im Operationssaal statt. Obwohl dies als der gleichwohl natürlichste Weg erscheint, ist die Umgebung für den Lernenden aufgrund des hohen Streßpotentials nicht ideal. Die Nutzungszeit des Operationssaales ist teuer und jede ausbildungsbedingte Verlängerung der Operation ist nicht kosteneffektiv. Nach Haluck werden die Ausbildungskosten für einen chirurgischen Assistenten mit 1000 US Dollar pro Stunde und Fall kalkuliert.

    Die Atmosphäre im Operationssaal ist gezeichnet von Streß, und die Ausbildung ist oft von dem Unwillen des beteiligten Personals begleitet. Große Teile der Operation sind lediglich ermüdend und lenken vom eigentlichen Ausbildungsziel ab. Einzelne Operationsschritte können aber nicht selektiv und mehrfach geübt werden.

    Gleichfalls kann die jeweilige Pathologie nicht durch eine vollständige anatomische Dissektion zugänglich gemacht werden. Die Alternative einer Ausbildung im Tierversuch hat, ebenso wie die Ausbildung an der Leiche, eine Reihe von Limitationen. Die Verwendung lebender Tiere ist aus ethischen Gründen schwierig, außerdem ist die Anatomie verschieden, die Pathologie in der Regel nicht vorhanden und der Erwerb und Gebrauch ist teuer (Tierlabor). Leichen haben zwar den Vorteil der korrekten Anatomie, häufig ist das Gewebe allerdings von schlechter Qualität und chirurgische Komplikationen wie Blutungen können nicht simuliert werden. Ein weiterer Schwachpunkt der derzeitigen chirurgischen Ausbildung das geringe Maß an Standardisierung, die eine Akkreditierung und Vergleichbarkeit des Ausbildungsstandes erschwert. So hängt die Ausbildung zum großen Teil vom Ausbilder und der ausbildenden Klinik sowie vom Spektrum und Patientenaufkommen ab.

    Prinzipiell bieten sich zur Lösung dieses Dilemmas im Hinblick auf die Ausbildung an einem chirurgischen Telenmanipulator zwei Möglichkeiten an: der Einsatz von Simulatoren (ähnlich dem Flugsimulator) sowie die Kopplung zweier chirurgischer Konsolen (Fahrschulmodell). Der Einsatz von Simulatoren in der Pilotenausbildung geht auf die 20er Jahre zurück und diente bereits damals zum Training psychomotorischer Fähigkeiten, die dem Piloten während des Fluges abverlangt werden. Seit Anfang der 80er Jahre und mit der Entwicklung ausreichend realistischer Grafikanimationen gehört das Training im Simulator zum Standard der Pilotenausbildung und dient der objektiven Überprüfung der perzeptorischen und motorischen Fähigkeiten sowie deren Zertifizierung. Vorteile des Simulators sind erstens dessen Sicherheit (kein Patientenrisiko), die es erlaubt, auch Notfallsituationen zu üben, was in der Praxis kaum möglich ist, zweitens die Flexibilität, die es erlaubt, eine Vielzahl verschiedener Probleme zu präsentieren, und drittens die Kosteneffektivität. Die Interaktion des Piloten mit einem komplexen technischen Umfeld und in Verantwortung für die Sicherheit von Menschenleben machen das Aufgabenprofil vergleichbar zu dem eines chirurgischen Umfeldes.

    Chirurgische Simulationsprogramme werden mit dem Ziel entwickelt, die chirurgische Ausbildung durch Training und Beurteilung der Leistung zu verbessern. Moderne chirurgische Simulationsprogramme erlauben die interaktive Modellierung dreidimensionaler multimodaler Bilder an einer Workstation. Über ein haptisches Interface können chirurgische Eingriffe an virtuellem Gewebe oder virtuellen Organen durchgeführt werden. Ziel der chirurgischen Simulation ist es, die individuelle Lernkurve des Chirurgen patientenfern zu absolvieren, so daß reproduzierbare Ergebnisse mit chirurgischen Interventionen bereits vor dem ersten Patientenkontakt erreicht sind.

    Hierbei ist neben einer realistischen Interaktion mit den Objekten des Referenzszenarios (Gewebedeformation durch Instrumentenkontakt, Präsentation neuer Gewebetexturen beim Schneiden, Blutungen, Muskelzucken bei Kontakt) und der korrekten Modellierung chirurgischer Instrumente auch die Gesamtsituation des Patienten (Hämodynamik, Beatmung) zu simulieren. Der virtuelle Patient kann vollständig inspiziert werden und das Stresslevel im Sinne einer Optimierung des Lernerfolges (kognitive Ergonomie) modifiziert werden. Die Ausbildung im Simulator wird natürlich nicht die klassische chirurgische Ausbildung ersetzen können, aber es ist denkbar, daß sich die Lernkurve des Auszubildenden vor dem ersten Patientenkontakt bereits in der Plateauphase befindet.

    Nach Untersuchungen von Johnston et al. liegt die derzeitige Effektivität von Simulationsprogrammen der ersten Generation in bezug auf den Transfer der Trainingsleistung im Vergleich zur direkten Ausbildung zwar erst bei ca. 28 - 35%, Beispiele für die erfolgreiche Anwendung erster multisensorischer chirurgischer Simulationsprogramme belegen aber den erzielbaren Lerneffekt.

    Während primär Übungsaufgaben oder Teilschritte der Operation an vorgegebenen Modellen unter schrittweiser Anhebung des Schwierigkeitsniveaus simuliert werden können, wird mit Hilfe moderner Bildgebungstechnik und bei Anwendung entsprechender Verfahren zur Segmentierung und Modellierung die Simulation von Operationsschritten am individuellen anatomischen Modell des Patienten möglich. Die virtuellen anatomischen Modelle müssen hierzu im Hinblick auf ihr mechanisches, thermisches, elektrisches und optisches Verhalten reale Eigenschaften besitzen, die eine elastodynamische Rückkopplung erlauben, sowie bei Interaktion physikalisch und physiologisch korrekte Reaktionen zeigen.

    Für einen chirurgischen Manipulator als Input-Device in der Herzchirurgie eignet sich die Intuitive Steuerkonsole in idealer Weise. Am Herzzentrum der Universität Leipzig steht derzeit die weltweit erste Steuerkonsole mit offener Schnittstelle, die es in Zukunft erlauben wird, virtuelle Manöver von der Konsole aus vorzunehmen. Hiermit sind die Voraussetzungen eines herzchirurgischen Simulators für die Erlernung endoskopischer Techniken gegeben.

    Eine realitätsnahe VR-Simulation des Patienten die direkt über eine Bedienstation des da Vinci Systems gesteuert wird, stellt eine ethisch vertretbare, vergleichsweise kostengünstige und gleichzeitig effiziente Schulung der am Herzzentrum entwickelten chirurgischen Methoden der minimal invasiven Herzchirurgie dar. Im Simulatorbetrieb werden die Stellsignale der Bedienstation anstatt zum eigentlichen Manipulator zur VR-Workstation übertragen. Die Workstation simuliert Geometrie, Kinematik und Dynamik des da Vinci Manipulators und stellt ein virtuelles Patientenmodell zur Verfügung. Die im Simulator erzeugten virtuellen Szenen werden wiederum über die Stereo-Optik der Bedienstation visualisiert.

    Der derzeit am Herzzentrum Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Karlsruhe in der Entwicklung befindliche Simulator soll neben der interaktiven Darstellung chirurgischer Szenarios, dem Erlernen der anatomischen Orientierung und von chirurgischen Strategien auch eine Quantifizierung der chirurgischen Leistung im Sinne eines Bewertungssystems ermöglichen.

    Ziel des Projektes ist ferner die Kopplung zweier Steuerkonsolen um ähnlich dem Fahrschulmodell die chirurgische Ausbildung zu optimieren. Hierbei sitzen Ausbilder und Auszubildender jeweils an einer Konsole, wobei beiden das gleiche hochauflösende dreidimensionale Bild des Operationssitus zugänglich ist. Im Gegensatz zur gegenwärtigen Ausbildung arbeiten Auszubildender und Ausbilder hierbei also im gleichen Koordinatensystem und haben exakt den gleichen Bezugsrahmen. Der Ausbilder ist über eine einfache Übernahmefunktion jederzeit in der Lage, die Führung der Instrumente kurzfristig zu übernehmen und einzelne Manöver non-verbal zu demonstrieren. Zur Realisierung dieses Fahrschulmodells ist jedoch noch die Schaffung einer Schnittstelle zwischen zwei Steuerkonsolen erforderlich.


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    Der offene Magnetresonanz-Tomograph
    Der offene Magnetresonanz-Tomograph

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    Auch der erfahrenste Operateur hat einmal angefangen
    Auch der erfahrenste Operateur hat einmal angefangen

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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    regional
    Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences, Studies and teaching
    German


     

    Der offene Magnetresonanz-Tomograph


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