upm-Pressemitteilung der Universitaet Muenster 385/97 - 13. Oktober 1997
Zur Situation von Frauen an der Universitaet Muenster Frauenbeauftragte legt Forschungsergebnisse vor
Wenn die Westfaelische Wilhelms-Universitaet alle ihre Professoren und Professorinnen zu einem Fototermin zusammenrufen wuerde, kaeme dabei noch immer das sprichwoertliche "Gruppenbild mit Damen" heraus. Geahnt haben es alle, genaue Zahlen kennt man erst heute. Die Frauenbeauftragte der Universitaet, Dr. Christa Goenner-Radig, legte die Ergebnisse einer von ihr in Auftrag gegebenen und vom Rektorat finanzierten Untersuchung "Zur Situation der Frauen an der WWU" vor.
UEber ein Jahr lang erforschten die Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland, Dr. Steffani Engler, Nicole Lehnert, Dorothea Pfeiffer und Beate Illg die Verteilung der Stellen an der Universitaet auf Frauen und Maenner. Sie bereiteten Statistiken auf, um differenzierte Aussagen fuer die verschiedenen Ebenen der Universitaet machen zu koennen (Studierende, haupt- und nebenberufliches Personal im wissenschaftlichen Bereich und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Medizin, Technik und Verwaltung).
Die quantitative Analyse liefert Daten, aus denen einerseits eine deutliche Ungleichverteilung der Studierenden in den verschiedenen Fakultaeten hervorgeht und andererseits eine pyramidenfoermige Beteiligung von Frauen auf den Hierarchiestufen. Waehrend fast die Haelfte der Studierenden Frauen sind, nimmt der Anteil der Frauen umso staerker ab, je hoeher man in der Beschaeftigungshierarchie kommt. Auf der Ebene der C4-Professuren sind die Maenner noch fast unter sich, gerade 5 % betraegt hier der Frauenanteil.
Die Forscherinnen spuerten aber in einer qualitativen Analyse auch die Gruende fuer diese Unterrepraesentanz auf, um konstruktive Ansaetze fuer ihre Beseitigung vorschlagen zu koennen. Fuer diese qualitative Analyse waehlten sie einen neuen Zugang: Sie interviewten Entscheidungstraeger und -traegerinnen der Universitaet, die Einfluss auf die Besetzung von Lehrstuehlen, aber auch auf die Gestaltung der Frauenfoerderung nehmen, und fragten sie nach ihrer Einschaetzung der Situation von Frauen an der Universitaet. Gerade die Einbeziehung von Maennern in die Befragung ergaenzt bisherige Befunde auf diesem Forschungsgebiet. Die Auswertung der Interviews offenbarte eine weitgehend einseitige Sicht auf die Frauenbeteiligung. Die Ursachen fuer die geringe Zahl von Professorinnen werden in erster Linie bei den Frauen selbst gesucht: Die Zustaendigkeit fuer die Familie wird nach wie vor den Frauen zugewiesen. Die Verantwortung auch der Maenner fuer ihre Familie wird ausgeblendet und das "Defizit" der Belastung mit dem Aufziehen von Kindern als nahezu "naturwuechsig" auf die Frauen verschoben. Diese Sicht fuehrt zu subtiler Diskriminierung. UEber die Beteiligung von Maennern an der Familienarbeit und die Bereitstellung etwa von Kinderbetreuungseinrichtungen koennte ein erheblicher Teil des Problems geloest werden.
Noch immer geistert die Vorstellung durch die Koepfe, es gebe nur zur Zeit noch keine genuegenden qualifizierten - vor allem habilitierten - Frauen, das Problem loese sich durch Zeitablauf von selbst. Die Daten der Studie sprechen eine andere Sprache: Frauen haben bei den Habilitationen stark aufgeholt. Vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist ein Rekrutierungsreservoir an hochqualifizierten Frauen vorhanden. Die Engstelle liegt bei den Berufungen. Zwar sucht jede Berufungskommission nach den jeweils besten Vertreter und Vertreterinnen des Faches, jedoch spielen neben den formalisierten Kriterien oft auch "unsichtbare" Zusatzkriterien eine Rolle, wie etwa die Zugehoerigkeit zu einer bestimmten "Schule", ein geradliniger Lebenslauf, Umzugsbereitschaft oder einfach Sympathie oder Antipathie.
Frauenfoerderung wird bisher als Sache der Frauen selbst wahrgenommen. Die meisten Befragten empfanden die Inpflichtnahme der Maenner fuer Aufgaben der Gleichstellung als befremdlich. Eine Anhebung des Frauenanteils wird von allen Befragten uneingeschraenkt befuerwortet. Nahezu durchgaengig findet man aber auch die Vorstellung, dass Frauen-"Foerderung" laestiger Ballast fuer das Funktionieren des Betriebes Hochschule ist. Hier ist eine Umkehr der Perspektive noetig: Frauen zu foerdern heisst, ein ungenutztes Potential an Nachwuchswissenschaftlerinnen und damit neue Ideen zu erschliessen.
Fuer einen Abbau der Hindernisse und mithin eine Angleichung der Chancen fuer Frauen im wissenschaftlichen Bereich hebt die Studie vor allem drei Punkte hervor: Transparenz von Berufungsentscheidungen, Einbettung von Frauenfoerderung in die aktuelle Hochschulreform und die Einbeziehung von Maennern in die Gleichstellungsarbeit.
Die Studie wird unter dem Titel "Maenner, Frauen, Frauenforschung" im Waxmann-Verlag veroeffentlicht.
Criteria of this press release:
Social studies
transregional, national
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German
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