idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
11/18/2010 13:29

Astronomen stellen Dunkle Materie infrage

Alexander Dworzak Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement
Universität Wien

    In einem gemeinsamen Forschungsprojekt untersuchen Gerhard Hensler vom Institut für Astronomie der Universität Wien und sein Kollege Pavel Kroupa von der Universität Bonn sogenannte Gezeiten-Zwerggalaxien. Sie sind in jenen großen Materieauswürfen (Gezeitenarmen) zu finden, die beim Verschmelzen zweier Galaxien entstehen. Das bessere Verständnis der Gezeitenzwerge bedeutet für die beiden Sternforscher, sich von einer Theorie zu entfernen, die in der Astronomie fast schon als Dogma gilt: In ihrer aktuellen Publikation im Journal "Astronomy and Astrophysics" stellen sie die Existenz der Dunklen Materie infrage.

    "Die Mehrzahl der AstronomInnen ist davon überzeugt, dass sich 'das Universum und der ganze Rest' nur mit der Existenz von Cold Dark Matter (CDM) erklären lässt – das ist Materie, die nicht direkt beobachtbar ist, aber die Masse im Universum bei weitem dominiert und gravitativ mit sichtbarer Materie wechselwirkt, ohne sich wie diese zu verhalten", sagt Gerhard Hensler vom Institut für Astronomie. Seit den 1970er-Jahren wird erfolglos nach den unsichtbaren Teilchen geforscht.

    Was das Universum zusammenhält

    "Die Idee der Dunklen Materie hat sich derart festgesetzt, dass viele keine Kritik daran akzeptieren", so Hensler, der diese Haltung teilweise nachvollzieht: "Auf großen Skalen funktioniert die Theorie wunderbar. Es gibt zurzeit keine bessere Erklärung für bestimmte Phänomene, die wir zwar beobachten, aber nicht allein mit der Masse der sichtbaren Materie erklären können." Dazu gehört u.a., dass Galaxien so schnell rotieren, dass die Sterne darin nicht den Gesetzen der Fliehkraft entsprechen. Kalte Dunkle Materie hält angeblich dank ihrer Masseanziehung die Galaxien zusammen.

    Zweifel verdichten sich

    Das CDM-Szenario wankt, sobald man sich auf kleine Skalen begibt. Gerhard Hensler vom Institut für Astronomie der Universität Wien und sein Bonner Kollege Pavel Kroupa untersuchen Satellitengalaxien, die um unsere Milchstraße kreisen: "Hier passen die Vorhersagen vorne und hinten nicht mit den Beobachtungsdaten überein." In einer aktuellen Publikation im Journal "Astronomy und Astrophysics" präsentieren sie mit Kollegen aus Deutschland, Frankreich und Australien fünf Widersprüche, die das Dunkle-Materie-Modell vor massive Probleme stellen. Die Ergebnisse basieren auf Beobachtungsdaten von rund 50 Satellitengalaxien der Milchstraße und des Andromeda-Nebels.

    Fünf Widersprüche

    Einer dieser Widersprüche ist die Diskrepanz zwischen den errechneten und den beobachteten Masse-Leuchtkraft-Verhältnissen in Satellitengalaxien: Nach dem CDM-Szenario sollten sie umso heller leuchten, je mehr Dunkle Materie sie enthalten, da Dunkle Materie sichtbare Materie anzieht. "Die Ergebnisse unserer Parameterstudie weichen jedoch eindeutig von den Vorhersagen der Simulationen ab", erläutert Hensler.

    Weiters sollten dem Modell zufolge mindestens 1.000 Satellitengalaxien um unsere Milchstraße und den Andromeda-Nebel kreisen. "Tatsächlich sehen wir aber nur 25, und die sind nicht zufällig verteilt wie die Theorie vorhersagt, sondern bilden eine Art Scheibe." Deshalb bevorzugen die beiden Wissenschafter die These, dass diese Zwerggalaxien als Gezeitengalaxien entstanden sind.

    Suche nach Alternativen

    Auch weitere Beobachtungen, etwa Schwankungen in der Rotationkurve von Galaxien, können mit dem CDM-Modell nicht erklärt werden "Wir müssen anfangen, Alternativen ernsthaft in Erwägung zu ziehen", so Hensler. Dazu zählt die Anpassung der Newtonschen Gravitationstheorie – wie es die VertreterInnen der Modifizierten Newtonschen Dynamik (MOND-Theorie) versuchen. "Vermutlich liegt die Ursache sogar noch tiefer in den Grundfesten unserer Physik", so Hensler.

    Publikation

    Local-Group tests of dark-matter Concordance Cosmology: Towards a new paradigm for structure formation? (P. Kroupa, B. Famaey, K. S. de Boer, J. Dabringhausen, M. S. Pawlowski, C. M. Boily, H. Jerjen, D. Forbes, G. Hensler, A. Del Popolo, M. Metz) Erschienen in der aktuellen Ausgabe des Journals "Astronomy and Astrophysics". Online als Preprint unter http://www.aanda.org/index.php?option=com_article&access=doi&doi=10.1051... (DOI: 10.1051/0004-6361/201014892)

    Kontakt
    Univ.-Prof. Dipl.-Phys. Dr. Gerhard Hensler
    Institut für Astronomie
    Universität Wien
    1180 Wien, Türkenschanzstraße 17 (Sternwarte)
    T +43-1-4277-518 95
    gerhard.hensler@univie.ac.at

    Rückfraghinweis
    Mag. Alexander Dworzak
    Öffentlichkeitsarbeit
    Universität Wien
    1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
    T +43-1-4277-175 31
    M +43-664-602 77-175 31
    alexander.dworzak@univie.ac.at


    More information:

    http://univie.ac.at/175 - Presseportal der Universität Wien mit Bildern in printtauglicher Auflösung


    Images

    Zwerggalaxie Leo I im Sternbild Löwe, die vom Stern Regulus - dem hellsten Stern im Sternbild - überstrahlt wird
    Zwerggalaxie Leo I im Sternbild Löwe, die vom Stern Regulus - dem hellsten Stern im Sternbild - über ...
    (Credit: Russell Croman)
    None

    Simulation von Einheiten Dunkler Materie um das Hauptpotential der massereicheren Milchstraße mit einer Ausdehnung von 200 Kiloparsec (enspricht dem sechsfachen Durchmesser der Milchstraße)
    Simulation von Einheiten Dunkler Materie um das Hauptpotential der massereicheren Milchstraße mit ei ...
    (Credit: Joachim Stadel)
    None


    Criteria of this press release:
    Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Zwerggalaxie Leo I im Sternbild Löwe, die vom Stern Regulus - dem hellsten Stern im Sternbild - überstrahlt wird


    For download

    x

    Simulation von Einheiten Dunkler Materie um das Hauptpotential der massereicheren Milchstraße mit einer Ausdehnung von 200 Kiloparsec (enspricht dem sechsfachen Durchmesser der Milchstraße)


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).