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03/27/2002 11:26

Der Content-Produktion für das Fernsehen auf den Grund gegangen

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Wirtschaftswissenschaftler analysieren "Unternehmungsnetzwerke".

    Wenn Götz George alias Horst Schimanski und andere Schauspieler vor der Kamera stehen, Stunts von eigens darauf spezialisierten Unternehmen bzw. ihrem Personal ausgeführt, die Filmszenen durch Special Effects ergänzt werden und das gefilmte Material in einem Kopierwerk entwickelt wird, werden Inhalte - oder neudeutsch: "Content" - für das gegenwärtig noch analoge, aber zukünftig digitale Fernsehen produziert. Aufgrund der Programmausweitung im Zuge der Durchsetzung des digitalen Fernsehens, des verschärften Wettbewerbs um Zuschauer und Werbeeinnahmen kommt der Content-Produktion strategische Bedeutung zu. "Content is king", so eine Branchenweisheit. Denn Fernsehsender - und zukünftig wohl auch die Betreiber von Internetplattformen bzw. Portalen - können sich nur über attraktive Inhalte differenzieren und profilieren. Dies war Grund genug, um im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten und am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin durchgeführten Projekts "Unternehmungsnetzwerke" die Organisation der arbeitsteiligen Content-Produktion genauer zu analysieren.

    Die Produktion von Inhalten, z.B. TV-Movies, Soaps oder Dokumentationen, erfolgt in Form von Projekten, in denen Fernsehsender und -produzenten die zentrale Rolle spielen. Fernsehproduzenten beschäftigen für die Abwicklung solcher oft sehr kurzfristigen Projekte (zahlreiche) Arbeitskräfte befristet. So hat einer der führenden deutschen Fernsehproduzenten zwar nur elf unbefristet Beschäftigte, diese arbeiten aber in verschiedenen Projekten mit rund 360 befristet beschäftigten Arbeitnehmern zusammen. Fernsehproduzenten beauftragen ihrerseits darüber hinaus eine Reihe von Unternehmen mit der Zulieferung von technischen und künstlerischen Mediendienstleistungen. Dabei handelt es sich häufig um Freiberufler, Klein- und Kleinstbetriebe (sog. Mikro-Unternehmen). Daneben werden auch größere Unternehmen in den Projekten aktiv. Dies sind z.B. Studiodienstleister, die Konzernen angeschlossen sind.

    Wie ist eine erfolgreiche Koordination dieser manchmal nur wenige Tage dauernden Projekte möglich? Die Beziehungen zwischen den Unternehmen in diesen Projekten weisen eine besondere Qualität auf, die für die Koordination der Projektaktivitäten genutzt wird. Erfahrungen aus einer früheren Zusammenarbeit erleichtern genauso die Koordination wie die Erwartung, dass auch in zukünftigen Projekten zusammen gearbeitet wird: Die mögliche Zukunft wirft hier sozusagen ihre Schatten voraus. Zudem besitzen die Beziehungen - trotz der zeitlichen Befristung von Projekten - eine relative Stabilität. Diese Stabilität entsteht durch den wiederkehrenden Rückgriff auf die gleichen Projektpartner aus einem Pool, mit denen in einzelnen Fällen schon seit 30 Jahren zusammen gearbeitet wird. Aufgrund der besonderen Qualität der zwischenbetrieblichen Beziehungen wird auch von "Projektnetzwerken" gesprochen.

    Die Produktion von Inhalten in der Organisationsform des Projektnetzwerks hat sich seit dem Aufkommen privater Fernsehsender Mitte der 1980er Jahre durchgesetzt. Allerdings wirft sie eine Reihe grundlegender Fragen auf: Wie wird die Produktion in Projektnetzwerken gesteuert? Und welche Bedeutung hat dabei die Einbindung mancher Unternehmen in Konzerne? Welche Bedeutung kommt (Medien-)Regionen und der (regionalen) Wirtschaftsförderung in einer sich globalisierenden TV-Industrie zu? Wie kann die äußerst kulturbezogene Fernsehproduktion überhaupt internationalisiert werden?

    Die von Professor Sydow geleitete Forschungsgruppe "Unternehmungsnetzwerke" hat sich diesen Fragen gewidmet und zugleich die Relevanz der Ergebnisse für andere "projektifizierte" Industrien überprüft. Ein Befund ist, dass Fernsehsender und -produzenten recht weitgehend die Produktion steuern. Dies zeigt sich an der Auswahl der Projektbeteiligten, die der Produzent in mehr oder weniger großer Abstimmung mit dem Sender vornimmt, aber auch an den im Projekt zu realisierenden Vorgaben hinsichtlich der mittlerweile branchenweit gültigen Steuerungsgrößen Inhalt, Budget und Einschaltquote. Ferner zeigen die Analysen, dass die Bedeutung von Regionen keineswegs gesunken ist. Vielmehr ist festzustellen, dass die Produktion in Projektnetzwerken auf unterstützende Institutionen in der Region angewiesen sind. Im Zuge der seit einiger Zeit zu beobachtenden Internationalisierung der Fernsehproduktion, die ebenfalls die Organisationsform des Projektnetzwerks nutzt, ist die Einbettung in das jeweilige regionale Umfeld gar von größter Bedeutung, um genau jene kulturangepassten Programme zu erstellen, die beim Publikum angekommen. Ob Global Player wie Warner Brothers, Columbia Tristar oder die RTL-Group: Immer geht es darum, sich in den Projektnetzwerken "vor Ort" zu verankern und auf diese Weise das zu vermeiden, was einer globalen Verwertung von Content prinzipiell entgegen steht: den so genannte 'cultural discount'. Damit ist gemeint, dass Content in anderen Kulturen fast immer deutlich weniger wertvoll ist als in jenem Land, in dem er produziert worden ist. Horst Schimanski gehört eben in die Straßen und Häfen von Duisburg...

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Prof. Dr. Jörg Sydow, Institut für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre der Freien Universität Berlin, Boltzmannstr. 20, 14195 Berlin, Tel.: 030 / 838-53783, E-Mail: sydow@wiwiss.fu-berlin.de


    More information:

    http://www.wiwiss.fu-berlin.de/w3/w3sydow


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, Media and communication sciences, Social studies
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

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