IAT-Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch zu Chancen und Risiken: Wachstumsmaerkte vor der Tuer - durch uebergangsregelungen Risiken begrenzen - selbsttragende
wirtschaftliche Entwicklung foerdern
Von der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung mit Osteuropa sind bislang in der Gesamtbilanz positive Impulse auf den deutschen Arbeitsmarkt ausgegangen. Deutschland ist mittlerweile einer der Haupthandelspartner der Beitrittskandidaten, die Einfuhren aus Osteuropa nach Deutschland betrugen 1997 74,2 Milliarden DM, die Ausfuhren 90,3 Milliarden DM. Darauf weist der Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepraesident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) hin.
Allerdings haben nicht alle Branchen, Regionen und Beschaeftigte in Deutschland gleichermassen davon profitiert. Verlierer sind die ostdeutschen Bundeslaender, deren Exporte drastisch auf ein Zehntel ihres Wertes 1990 schrumpften. Die regionalen Strukturprobleme auf dem
deutschen Arbeitsmarkt koennten sich verringern, wenn der
wirtschaftliche Schwerpunkt des Ostexports sich nach Ostdeutschland verlagerte, so Bosch. Im Vergleich von Frankfurt a.M. zu Berlin verringern sich die Entfernungen nach Polen um 36 Prozent und die nach Russland um 17 Prozent.
Waehrend beim wirtschaftlichen Austausch mit Osteuropa Arbeitsplaetze fuer qualifizierte Beschaeftigte in Deutschland entstanden sind, wurde vor allem arbeitsintensive und einfache Beschaeftigung ersetzt.
Osteuropa exportiert vor allem Produkte niedriger Qualitaet zu geringen Preisen und fuehrt hoeherwertige Produkte ein. Bestimmte Branchen sind davon besonders betroffen, wie die Bekleidungs-, Keramik-, Leder- und Holzindustrie, aber auch die Komponenten- und Teilezulieferer im verarbeitenden Gewerbe. Allerdings ist zu beruecksichtigen, dass die Ostimporte nur rund 1,6 Prozent des deutschen Bruttosozialprodukts ausmachen und die Verlagerung ansonsten in andere Laender stattfinden wuerde.
Die Freizuegigkeit der Arbeitskraefte und die Dienstleistungsfreiheit im Austausch mit Osteuropa wurden bisher durch bilaterale Vereinbarungen fuer Saisonarbeitnehmer, Werkauftraege, Grenzgaenger und befristete Gastarbeitnehmer nur in Grenzen ermoeglicht. Verdraengungseffekte gehen vor allem von der illegalen Beschaeftigung aus.
Ohne uebergangsregelungen bei der Freizuegigkeit der Arbeitskraefte und der Dienstleistungsfreiheit ist die anstehende Osterweiterung der Europaeischen Union weder wirtschaftlich noch politisch verkraftbar, meint Prof. Dr. Gerhard Bosch. Die zu erwartenden Wanderungsstroeme aus
Mittel- und Osteuropa waeren angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in der heutigen EU kaum zu bewaeltigen und den osteuropaeischen Laendern wuerden durch den Verlust eines aktiven Potentials Entwicklungsmoeglichkeiten genommen. Dass Freihandel und schnelle Freizuegigkeit fuer osteuropaeische Arbeitskraefte automatisch dazu fuehren wuerden, dass die Beitrittskandidaten in der wirtschaftlichen Entwicklung aufholen, ist angesichts der bisherigen Erfahrungen in der EU kaum zu erwarten. Die sozialen Probleme, die aus einer solchen Deregulierung der Maerkte folgen, werden weithin unterschaetzt und reichen von zunehmender Armut und Kriminalitaet bis hin zu wachsendem
Einfluss rechtsradikaler Parteien, warnt Bosch.
Das Migrationspotential ist wegen des drastischen Einkommengefaelles erheblich, so dass angesichts der aktuellen Arbeitsmarktprobleme in der EU eine sofortige volle Freizuegigkeit von Arbeitskraeften und Dienstleistungen kaum vorstellbar erscheint. Diese Arbeitsmarktprobleme sind in Deutschland besonders gravierend, da mit der Wiedervereinigung die Integration Ostdeutschlands auf dem Arbeitsmarkt noch nicht verkraftet worden ist. Anders sind die Langfristentwicklungen zu beurteilen. Aufgrund der ueberalterung der Bevoelkerung brauchen Deutschland - aber auch andere EU-Laender - nicht zuletzt zur Finanzierung ihrer Sozialversicherungssysteme eine Zuwanderung. Vielleicht laesst sich die langsame oeffnung der Arbeitsmaerkte in Richtung Osten nach der Jahrtausendwende mit dieser Notwendigkeit einer kontrollierten Zuwanderung kombinieren, schlaegt Prof. Bosch vor.
Von zentraler Bedeutung ist jedoch zunaechst die wirtschaftliche Entwicklung in Mittel- und Osteuropa, so Bosch. Eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung folgt nicht automatisch aus einer Staerkung der Marktkraefte, sondern setzt eine aktive Entwicklung innovativer
Produktionscluster voraus. Wichtig sind natuerlich auch Marktchancen fuer die osteuropaeischen Laender. Exporte und Arbeitskraeftemigration sind Substitute. Die beste Strategie zur Begrenzung von Immigration ist das Offenhalten der eigenen Maerkte fuer Gueter und Dienstleistungen.
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Prof. Dr. Gerhard Bosch
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Pressereferentin
Claudia Braczko
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45886 Gelsenkirchen
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Criteria of this press release:
Economics / business administration
transregional, national
Research projects
German
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