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05/28/1998 00:00

Gründe für Studienabbruch an der Technischen Fakultät der FAU: Externe Faktoren überwiegen

Dr.rer.pol. Dipl.-Kfm. Ragnwolf Knorr Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Studieninterne Einflußgrößen wie Lehrinhalte und Anforderungen geben nicht vorrangig den Ausschlag dazu, ein Studium an der Technischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) abzubrechen. Zur Erklärung müssen eher Faktoren herangezogen werden, die nicht auf die universitäre Ausbildung zurückzuführen sind, wie etwa der Durchschnitt der Noten im Abiturzeugnis. Die Erfahrungen von Studierenden der Technischen Fakultät in Erlangen wurden im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes am Institut für Soziologie der FAU erfaßt. Auf Anregung des Dekans der Technischen Fakultät sollten insbesondere die Ursachen für eine vorzeitige Beendigung des Studiums in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen analysiert werden. Die Untersuchung unter der Leitung von PD Dr. Werner Meinefeld lief mit Förderung durch das bayerische Kultusministerium vom SS 1996 bis zum WS 1997/98.

    Zwei Tendenzen kennzeichnen die Entwicklung der Studierendenzahlen der Technischen Fakultät: ein drastisches Absinken der Anfängerzahlen von 1990 bis 1995 (seitdem nehmen sie wieder zu) und ein Anstieg der Abbrecherquote. Beides ist nicht außergewöhnlich: bundesweit sanken die Zahlen derjenigen, die sich für Ingenieurwissenschaften einschreiben, und die Schwundquote der Technischen Fakultät ist nicht größer als die vieler anderer Fakultäten der FAU. Dennoch besteht Anlaß, über Studienbedingungen und Studienerfolg in diesen Fächern nachzudenken.

    Folgende Datensätze wurden ausgewertet:

    * die Studierendenstatistik der Zentralen Universitätsverwaltung;

    * Daten des Prüfungsamtes der Technischen Fakultät über insgesamt 727 Prüflinge;

    * Fragebögen von 1.154 Studierenden, Examinierten und Exmatrikulierten.

    Studienabbrüche sind durchgängig in allen Semestern zu beobachten. 47% aber und damit fast die Häfte derer, die die Fakultät bis zum siebten Semester verlassen, gehen bereits nach den beiden ersten Semestern. Dabei ist der Anteil nicht zu vernachlässigen, der auf das Konto von Scheinimmatrikulationen geht. So wird beispielsweise die Wartezeit bis zur Zulassung zum "Wunschfach" überbrückt. In der Befragung erklärten immerhin 8%, sie hätten von Anfang an kein Examen in ihrem Immatrikulationsfach beabsichtigt; tatsächlich dürfte der Wert noch höher liegen.

    Fachkompetenz anerkannt, Didaktik bemängelt

    In den Äußerungen zur Studienzufriedenheit spiegelt sich bei denjenigen, die das gewählte Fach ernsthaft studieren, die Ambivalenz der Studienerfahrungen wider. Der deutlichen Kritik an Lerninhalten und Didaktik steht die Aussage gegenüber, daß 80% ihr Studienfach noch einmal wählen würden, und 85% würden auch wieder in Erlangen studieren. Klagen entzünden sich vor allem daran, daß in den ersten Semestern vorwiegend Grundlagenwissen erlernt werden muß, an der Theorielastigkeit und Abstraktheit des Lehrstoffes und an fehlender individueller Betreuung. Bei aller Anerkennung für die fachliche Kompetenz der Lehrenden erhält die didaktische Vermittlung keine guten Noten.

    Zweifel am Studium wie am gewählten Fach sind offensichtlich normal: fast die Hälfte der Studierenden hat einen Fachwechsel, ein Drittel sogar einen Studienabbruch zumindest einmal erwogen. 73% der Studierenden gehen neben dem Studium einer bezahlten Tätigkeit nach, mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet sowohl in den Semesterferien als auch während der Vorlesungszeit. Lediglich 12% der Studienkosten werden durch Stipendien abgedeckt.

    In der Motivation zum Studium zeigen sich eine starke berufliche Orientierung und ausgeprägtes fachliches Interesse. Bereits in der Schule tritt die Ausrichtung auf das zukünftige Studium zutage: die Studierenden der Technischen Fakultät wählten fast ausschließlich mathematisch-naturwissenschaftliche Leistungskurse und schnitten darin um durchschnittlich 0,8 Notenpunkte besser ab als in den Sprachen.

    Durchschnittsnote mit Konsequenzen

    Die auffälligste Differenz zwischen der Gruppe der Studienabbrecher und den Examinierten ist in der Abiturdurchschnittsnote zu finden: während diese für die Abbrecher bei 2,7 liegt, beträgt sie bei den Examinierten 2,2. Für Abiturienten, die eine Durchschnittsnote von 3,0 oder schlechter erreichten, ist die Wahrscheinlichkeit eines Studienabbruches fast viermal so hoch wie für diejenigen mit einem Durchschnitt zwischen 1,0 und 1,9. Auch der Zusammenhang mit der Vordiplomnote ist sehr eng.

    Aufschlußreich ist, daß der Abiturdurchschnittsnote eine wesentlich größere Bedeutung zukommt als den Noten in den für das Studium an der Technischen Fakultät besonders wichtigen Fächern Mathematik, Physik und auch Chemie. Damit erweist sich die Fähigkeit und Bereitschaft zu einer spezifischen Art des Arbeitens als wichtiger als konkrete Fachkenntnisse. Im Hauptstudium verliert die Abiturnote zwar an Prognosekraft, bleibt mit 10% Erklärungsfähigkeit für die Hauptdiplomnote aber immer noch ein wesentlicher Faktor. Im Arbeitsverhalten zeigt sich eine weitere Differenz zwischen Examinierten und Studienabbrechern: erstere hatten weniger Probleme mit dem selbständigen Arbeiten, und sie arbeiten bereitwilliger ohne äußere Kontrolle.

    Der Anteil weiblicher Studierender erreicht mit 10% für die Technische Fakultät den mit Abstand geringsten Wert aller Fakultäten der FAU - und er nimmt im Verlauf der Semester noch ab. Die "Überlebensquote" der männlichen Studierenden bis zum neunten Semester beträgt 59%, bei den weiblichen Studierenden liegt sie fast 11% niedriger. Dabei überwiegen bei den Frauen, stärker noch als bei den Männern, die "frühen Abbrüche" in den beiden ersten Semestern - danach laufen beide Kurven weitgehend parallel.

    Entgegen den Erwartungen erwies sich die soziale Herkunft der Studierenden als bedeutungslos für den Studienerfolg: weder sind Studierende aus sogenannten "bildungsfernen" Familien unter den Fachwechslern und Abbrechern systematisch überrepräsentiert, noch schließen sie ihre Examina mit schlechteren Noten ab. Auch zeichnet sich die Gruppe der Abbrecher nicht durch besondere Belastungen (Krankheit o. ä.) aus - allerdings sind die Diplomnoten derjenigen besser, die keine studienexternen Belastungen aufweisen. Überraschend ist auch, daß sich ein
    Nebenerwerb nicht nachteilig auf den Studienerfolg auswirkt - ein möglicher Grund mag darin zu suchen sein, daß Studierende der Technischen Fakultät leichter Beschäftigungen nachgehen können, die in einer inhaltlichen Beziehung zu ihrem Studium stehen.

    Abbruch ist nicht gleich Scheitern

    Der Einfluß studienexterner Faktoren (wie Geschlecht, Abiturnoten etc.) auf den Studienerfolg ist weit bedeutsamer als der von Faktoren wie Studieninhalten und Studienanforderungen. Zwar spielen auch diese internen Faktoren eine Rolle, doch ist sie geringer und zum Teil von den externen Faktoren abhängig. Die Kritik der Studierenden verweist nachdrücklich auf Mängel in den Studienbedingungen - die Entscheidung über einen Studienabbruch jedoch läßt sich erst in zweiter Linie darauf zurückführen. Im übrigen wäre es falsch, Fachwechsel und Studienabbruch ausschließlich unter der Perspektive des Scheiterns zu betrachten: auch ein ohne Examen abgeschlossenes Studium kann zur beruflichen Qualifikation beitragen, und eine Orientierungsphase innerhalb des Studiums ist oft unvermeidlich.

    Die Ergebnisse dieser Studie an der Technischen Fakultät sind keineswegs ohne weitere Prüfung auf andere Studiengänge zu übertragen. Ein sehr komplexes Bedingungsgeflecht, in dem soziale und individuelle Faktoren den Studienerfolg beeinflussen, kann sicherlich auch für andere Studiengänge konstatiert werden - bei der Verallgemeinerung konkreter Ergebnisse ist aber Vorsicht geboten.

    Eine Auswahl der Ergebnisse dieser Studie ist im Internet unter folgender Adresse abzurufen: http://www.phil.uni-erlangen.de/~p1soz/stab.

    * Kontakt:
    PD Dr. Werner Meinefeld, Institut für Soziologie, Kochstraße 4, 91054 Erlangen,
    Tel.: 09131/85 -2377


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    Criteria of this press release:
    Electrical engineering, Energy, Information technology, Materials sciences, Mechanical engineering, interdisciplinary
    transregional, national
    Research projects, Science policy
    German


     

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