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08/12/2002 15:13

Biblische Gestalten im Taschenbuch

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Zwei Theologen der Universität Leipzig geben eine entsprechende Reihe heraus, in der bis zum Jahre 2006 rund 40 Bände erscheinen sollen. Bis jetzt sind es fünf, der Auftakt wurde mit Josef und Petrus vollzogen.

    Die Zeit war reif, finden beide. Für eine Taschenbuch-Reihe über biblische Gestalten. Wissen vermitteln an eine breite Leserschaft, umreißt Professor Rüdiger Lux die Absicht. Einem breiten Publikum verschiedene Zugänge zur biblischen Theologie öffnen, sagt Professor Christfried Böttrich. Die zwei Leipziger Bibelwissenschaftler verstehen und ergänzen sich. Trägt der eine die Verantwortung für die Figuren des Alten Testaments, so der andere für die des Neuen Testaments. Den Auftakt zur Reihe, die in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig erscheint, haben sie im vorigen Jahr gesetzt: Prof. Rüdiger Lux mit "Josef. Der Auserwählte unter seinen Brüdern" und Prof. Christfried Böttrich mit "Petrus. Fischer, Fels und Funktionär". Nach ihnen greifen nun Kollegen und Kolleginnen, unter anderem aus Bochum, Hamburg, Leipzig, Bayreuth, Wien, Budapest, Halle/S., Mainz, zur Feder. Sie alle unterziehen sich dem Versuch, auf einfache Weise zu erzählen, von den Figuren und Menschen der Bibel, dabei die Forschung aktuell und doch ohne dickleibigen Anhang einfließen zu lassen - kurzum: verständlich zu informieren und lesbar zu schreiben. Dass diese Absicht aufgeht, ist nicht zuletzt Anliegen und Aufgabe der beiden Herausgeber, die Flur an Flur an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig zu Hause sind.
    Fünf Bände stehen bislang in den Regalen der Buchhandlungen; jährlich sollen zwei bis vier weitere hinzu kommen; insgesamt 40 sind bis 2006 geplant. So aus dem Alten Testament über Abraham, den Stammvater der drei großen monotheistischen Religionen, und seine Frau Sara. Über Mose, der die Isrealiten aus Ägypten führte. Über die drei ersten großen Könige Israels Saul, David und Salomon. Über eine eigentümliche Figur wie Simson, dessen Kraft in seinem ungeschorenen Haupthaar lag. Und über Ruth und Esther, die prägenden Frauen. Aus dem Neuen Testament richtet sich der Fokus auf Johannes, den Täufer. Auf Paulus, den Apostel der Heiden. Auf den römischen Staathalter von Judäa, Pontius Pilatus. Auf Maria, die Mutter Jesu. Auf Maria Magdalena, die erste Zeugin der Auferstehung Jesu. Und auf Jesus, die zentrale Gestalt des Christentums.
    Der Anstoß für die Reihe kam aus der Lehrtätigkeit der Leipziger Bibelwissenschaftler. Vor allem in der Religionspädagogik genügen detaillierte Dissertationen und spezifische Monographien nicht; zur Ausbildung braucht es ebenso grundlegende und fundierte Schriften. "Und genau an diesem Punkt gab es eine Lücke", skizziert Prof. Böttrich das Problem. Das beleuchtet Prof. Lux von einer zweiten Seite: "Die Identifizierung mit biblischen Inhalten läuft ja meist nicht über Themen, sondern über Personen." Der doppelte Zugang brachte bei Studenten, Pfarrern, kirchlichen Mitarbeitern und in den Gemeinden eine Resonanz auf die ersten fünf Bände, mit der Herausgeber und Verlag zufrieden sind. Zudem besteht die Hoffnung, dass sich auch eine an Religion, Bibel und Christentum interessierte Leserschaft der Reihe zuwendet. Prof. Lux erhellt dieses weiterführende Ziel mit der Wirkung christlicher Religion und ihrer Exponenten in unserer Kultur.
    Unsere Gesellschaft fußt in weiten Teilen - wissentlich oder nicht - auf biblischem Fundament. Literatur und Malerei, Musik und Theater, Ethik und Moral sind durchdrungen von Vorstellungen und Gestalten, Ideen und Sprache, die in der Bibel wurzeln. "Häufig jedoch führen sie ein anonymes Dasein in unserer Kultur. Sie sind vorhanden, aber sie werden nicht wahrgenommen." Ein kurzes Überlegen - und Beispiele, die Prof. Lux' These belegen, finden sich zuhauf: Der bunte Rock steht als Synonym für das Kleid Josefs. Jemand geht von Pontius zu Pilatus, wenn er sich vergeblich müht. Eine ausgewogene Entscheidung gilt als salomonisches Urteil.
    Sind derartige sprachliche Wendungen noch mehr oder minder bekannt, so ist der biblische Hintergrund des "Sündenbocks" oder des "Auge um Auge, Zahn um Zahn" im Laufe der Zeit verloren gegangen - sowohl mit Blick auf die historische Überlieferung als auch auf die menschliche Psyche. Der "Sündenbock", der das Opfer verkörpert, das sich die Gesellschaft sucht und das von ihr in die Wüste gejagt wird, geht auf ein jährliches Sühneritual zurück: Der Hohepriester Israels schickte einen Ziegenbock in die Wüste, dem er zuvor die Hände auf den Kopf stemmte, um symbolisch die Schuld des Volkes auf ihn zu übertragen. Das Interessante daran ist nicht allein der uns archaisch anmutende Ritus, sondern der Tatbestand: Ein Volk weiß um seine Schuld, bekennt sie öffentlich und sucht nach Wegen der "Entschuldung". "Eine Gesellschaft, in der niemand an etwas schuld sein wolle", so Prof. Lux, "könnte da durchaus lernen."
    Oder das ebenso oft bemühte wie missverstandene Gesetz "Auge um Auge", das uns heute als Ruf nach sinnloser Vergeltung gilt. In der antiken Gesellschaft jedoch stellte es einen der bedeutendsten Fortschritte in der Rechtskultur dar. Was heute als Ausdruck brutaler Rache erscheint, war seiner Intention nach das genaue Gegenteil - die Begrenzung von Rache. Durch den Übergang zu einem Gleichgewicht zwischen Schuld und Strafe sollte die im Denken der Blutrache angelegte Spirale der Gewalt abgebrochen werden - wer anderen einen Zahn oder ein Auge ausschlug, dem sollte nicht gleich der Schädel eingeschlagen werden.
    "Hinter beiden Beispielen steht die Frage: Wie leben Menschen mit Schuld", verweist Prof. Lux auf eine der "nicht vergehenden Menschheitsfragen nach Glück und Unglück, Leid und Freude, Tod und Leben, Sinn und Absurdität", denen sich bereits die Gestalten der biblischen Zeit ausgesetzt sahen. "Damit wurden sie nicht nur zu Vorbildern des Glaubens, sondern zu bleibenden Exempeln gelingenden und misslingenden Lebens." Das betrifft Josef wie Petrus gleichermaßen - unabhängig davon, dass der eine literarische Fiktion, der andere historiographisch verankert ist.
    Eine grundlegende Differenz, die aus der "Geburt" der biblischen Gestalten resultiert, gibt es jedoch: Fiktive Gestalten wie Josef oder Noah legen die literaturwissenschaftliche Handschrift nahe, historische wie Petrus oder Judas verlangen die geschichtswissenschaftliche Rekonstruktion. Die Struktur der Taschenbücher gleicht sich hingegen: Einer Einführung, die einen Problemaufriß zur jeweiligen Figur liefert, folgt der Hauptteil zur Darstellung ihrer Geschichte. Als Richtschnur folgen die Autor/innen dabei der Frage: Was berichten oder erzählen die biblischen Texte über die Gestalt? Der dritte, abschließende Teil wendet sich der Wirkung zu, die über den biblischen Text hinausgeht und - wie gesagt - häufig in unsere Kultur- und Religionsgeschichte hineinreicht.
    Dass er sich gerade des Josef angenommen hat, erklärt Prof. Lux unter anderem mit Verweis auf Thomas Manns Tetralogie "Josef und seine Brüder". "Wo auch immer er uns begegnet, dieser junge Mann und seine Geschichte wissen zu beeindrucken." Prof. Lux kann sich vorstellen, sich in drei, vier Jahren des Hiob anzunehmen - und damit der "alten Menschheitsfrage nach dem Leiden der Gerechten".
    "Von jeher" richtete Prof. Böttrich seine Neugier auf Petrus, seinen Erstling in der Taschenbuch-Reihe. "Großen Spaß" hatte er an der "deutlichen Herausforderung, einen verständlichen Text zu verfassen, ohne in der Qualität nachzugeben". Wenn er sich an die Arbeit erinnert, schwirrt ihm noch immer die "Überfülle von Literatur" im Hinterkopf herum. Alles im Blick, aber nur 250 Seiten für das Buch haben, bedeutet für Autoren wie Prof. Böttrich: "Manches muss ich weglassen, manches mit drei Sätzen anreißen." Er weiß: "Mit der Auswahl oder Akzentuierung treffe ich ein Urteil" - darüber, was er für wichtig oder weniger wichtig hält. "Diese Arbeit aber sieht man einem Taschenbuch kaum an." Daniela Weber

    Taschenbuch-Reihe "Biblische Gestalten" erscheint in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig. Hg.: Christfried Böttrich, Rüdiger Lux
    Bislang erschienen:
    Band 1 Lux, Rüdiger: Josef. Der Auserwählte unter seinen Brüdern.
    Band 2 Böttrich, Christfried: Petrus. Fischer, Fels und Funktionär.
    Band 3 Ebach, Jürgen: Noah. Die Geschichte eines Überlebenden.
    Band 4 Becker, Jürgen: Maria. Mutter Jesu und erwählte Jungfrau.
    Band 5 Vogel, Manuel: Herodes. König der Juden, Freund der Römer.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Rüdiger Lux
    Telefon: 0341 - 97 34 901
    E-Mail: lux@theologie.uni-leipzig.de

    oder

    Prof. Dr. Christfried Böttrich
    Telefon: 0341 - 97 35 425
    E-Mail: chrboett@theologie.uni-leipzig.de


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    Criteria of this press release:
    Philosophy / ethics, Religion
    transregional, national
    Scientific Publications
    German


     

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