Die Forschung rätselt seit langem, wie tierisches Leben entstehen und sich dessen Vielfalt in der Frühzeit der Erdgeschichte entwickeln konnte. Auf der Jangtse-Plattform im Südosten Chinas förderten Wissenschaftler der TU Berlin und chinesische Forscher nun eine Vielzahl Fossilien der ersten tierischen Lebewesen zu Tage. Aus den Funden können neue Schlüsse zur frühen Entwicklung des tierischen Lebens gezogen werden.
Scheinbar unvermittelt treten in Kambrischen Gesteinen mit einem Alter von rund 545 Millionen Jahren massenhaft Fossilien von Tieren unterschiedlichster Stämme auf, während diese in den älteren Proterozoischen Gesteinen nirgendwo auf der Welt zu finden sind. Wissenschaftler sprechen von der "Kambrischen Explosion" des höheren Lebens.
Was spielte sich in diesem kritischen Zeitbereich für die Entwicklung des Lebens vor 545 Millionen Jahren ab? Wie hatte sich in kurzer Zeit aus niederen Lebensformen, wie Bakterien und Algen eine Vielzahl höher entwickelter Lebensformen herausgebildet? Diese Vorstellung bedeutet für die Evolutionsbiologie ein ernsthaftes Problem, das bereits Darwin erkannt hatte.
Die Forschung des TU-Geologen Professor Dr. Bernd-Dietrich Erdtmann und seines wissenschaftlichen Mitarbeiters Dr. Michael Steiner konzentriert sich insbesondere auf die Erforschung der Umweltverhältnisse, die zur Entwicklung der ersten Meerestiere und der erstmaligen Bildung von mineralischen Skeletten im Frühkambrium beitrugen. Ihrer These zufolge spielten untermeerische heiße Quellen, so genannte Hydrothermale Vents und große Bakterienansammlungen die Schlüsselrolle.
Die TU-Forscher sowie ihre chinesischen Kollegen hatten bei ihren Untersuchungen Glück: Sie entdeckten auf der Jangtse-Plattform Dutzende von weichkörperlich erhaltenen Fossilien, darunter Vorväter der heutigen Fische und Krebse.
Gesteinspakete aus der Tiefsee sind nur äußerst selten geologisch überliefert, da gerade diese Bereiche immer wieder im Jahrmillionen dauernden Zyklus der Erdplattenverschiebung verschluckt und aufgeschmolzen werden. Dies könnte erklären, warum gerade von den frühesten tierischen Formen bisher noch keine Fossilien entdeckt wurden.
Aufsehen erregend war dann der Nachweis von sulfidischen Hydrothermalerzen in rund 535 Millionen Jahre altem Sedimentgestein mit Fossilmassenlagen. "Ein eindeutiger Beleg für untermeerische Hydrothermaltätigkeit und gleichzeitige rege Lebenstätigkeit in einer ansonsten recht lebensfeindlichen Umwelt", erläutert Dr. Michael Steiner.
Elementbeladene Wässer mit Temperaturen von bis zu 370 °C treten auch heute noch an geologisch aktiven Zonen vor allem in der Tiefsee auf. Aufgrund der im kalten Meerwasser ausfallenden schwarzen Sulfidpartikel werden diese heißen Quellen auch schwarze Raucher genannt. Offenbar bildeten damals schon heiße Quellen Oasen für eine große Zahl von Lebensformen, die sich völlig unabhängig von Sonnenlicht und die daran geknüpften Nahrungsketten entwickeln konnten. An den Hydrothermalquellen sind insbesondere chemothrophe Bakterien von Bedeutung, die aus den reduzierten Verbindungen, wie Schwefelwasserstoff, Energie gewinnen und eine große Biomasse aufbauen, die wiederum die Lebensgrundlage von vielen Konsumenten darstellt. Ähnliche Prozesse nehmen Erdtmann und Steiner nun für eine frühe Entwicklung der tierischen Vorfahren im Präkambrium an. In den kambrischen Gesteinen konnten Sie bereits Schwefelbakterien, Arthropoden und andere Schalenfossilien nachweisen.
Auch für die Erklärung eines weiteren globalen Phänomens der Erde vor 600 Millionen Jahren ist die Theorie der TU-Forscher von Bedeutung: "Nur am Meeresboden der Tiefsee existierten damals Bedingungen für das Überleben höheren Lebens, da aufgrund einer verheerenden Eiszeit vor rund 600 Millionen Jahren der Erdball vermutlich komplett von einer bis zu Hunderten von Metern dicken Eisschicht überzogen war", vermutet Erdtmann. Die vollständige Vergletscherung der Erde, durch amerikanische Wissenschaftler auch "Snowball Earth" genannt, ließ erste Vorläufer der kambrischen Meerestierchen nur in der Tiefsee im Umfeld solcher Hydrothermalquellen "überwintern".
Datenbank
Projekt: Die Biodiversität im Neoproterozoikum - Frühkambrium auf der Yangtse-Plattform, China
Ansprechpartner: Prof. Dr. Bernd-Dietrich Erdtmann, E-Mail: erdt0938@mailzrz.zrz.tu-berlin.de, Dr. Michael Steiner, E-Mail: steishhb@mailszrz.zrz.tu-berlin.de
Kontakt: TU Berlin, Institut für Angewandte Geowissenschaften, Ernst-Reuter-Platz 1, 10587 Berlin, Tel. 030/314-23650; Fax. 030/ 314-21107, http://www.tu-berlin.de/fb9/palaeontologie
Fachgebiet: Paläontologie und Historische Geologie
Finanzgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Wissenschaftsdienst der Technischen Universität Berlin, September 2002, 3. Jg., Weitere aktuelle Berichte im Internet unter: www.tu-berlin.de/forschung-aktuell
http://www.tu-berlin.de/fb9/palaeontologie
http://www.tu-berlin.de/forschung-aktuell
Criteria of this press release:
Geosciences
transregional, national
Research results
German
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