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10/10/2002 15:41

Vom Leser zum user

Brigitte Nussbaum Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Anglisten der Universität Münster untersuchen digitale Medien

    Aus Buchstaben bilden sich Worte, aus Worten Sätze und aus Sätzen Texte. Was wie eine Binsenweisheit scheinen mag, ist im Zeitalter der digitalen Medien zu einem Streitobjekt wissenschaftlicher Betrachtung geworden. Denn längst finden sich "Texte" nicht mehr nur auf dem Papier, hat sich der Begriff gelöst von seiner ursprünglichen Bedeutung. "Alles was miteinander verwoben ist, ist auch Text", erklärt Dr. Joachim Frenk vom Englischen Seminar der Universität Münster. Videoclips, Kleidung, Spiele - all dies fungiert für den Anglisten ebenfalls unter dem Begriff des Textes. Zusammen mit seinem Kollegen Dr. Christian Krug untersucht Frenk in einem Projekt mit dem Titel "Interaktivität digitaler Texte" die radikalen Auswirkungen, die ein so erweiterter Begriff gerade durch die neuen, digitalen Texte mit sich bringt. Da die lingua franca des digitalen Zeitalters die englische Sprache ist, fühlen sie eine besondere Affinität zu dem Thema.

    "Wir definieren Texte nicht nur anders als früher", erklärt Krug. "Auch der Umgang mit dem Text hat eine ganz andere Qualität bekommen." Denn im Gegensatz zum gedruckten Wort laden digitale Texte den Leser ein, sich mit ihm interaktiv auseinander zu setzen. Populäres Beispiel dafür ist das Computerspiel "Lara Croft". "Zwar werden auch Computerspiele programmiert und in ihrem Verlauf vorgegeben, doch der Nutzer hat eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich in der virtuellen Welt zu bewegen. Dadurch entsteht der Eindruck, es gebe keine Grenzen", so Krug. Frenk berichtet von einem Studenten, der den nach dem Spiel entstandenen Film "furchtbar fand, weil man nichts beeinflussen konnte".

    Ins Extrem getrieben haben das die Macher des "Terminators". Während der Film mit Arnold Schwarzenegger dem Zuschauer eine lineare Sichtweise auferlegt, kann er im 2001 erschienenen Spiel die Handlungsabläufe selbst bestimmen. "Die großen Computerfirmen geben erhebliche Forschungsgelder aus, um Menschen auch physisch zum Teil des Spiels zu machen", sagt Krug. Immer ausgefeilteres Zubehör erlaubt die Simulation von Bewegungen und Sinneseindrücken. So ist es denn nur folgerichtig, wenn im Freizeitpark "Universal Orlando" in Florida die Fiktion in der "Terminator II- 3D"-Show vollends zur Realität wird, in der der Besucher leibhaftig gegen wildgewordene Androiden kämpfen darf.

    "Das Lesen an sich war schon immer interaktiv, weil der Leser zu den Worten des Autors seine eigenen Vostellungen hinzufügen muss", erklärt Frenk. "Aber es ist kein konstitutives Merkmal. In erster Linie sind Bücher linear aufgebaut, der Autor führt den Leser durch den Text." Bei digitalen Texten werde der Sinn dagegen erst durch ihre Benutzung erzeugt. Digitale und ursprünglich nicht-digitale Texte sind dabei kein Widerspruch. Krug nennt als Beispiel eine Shakespeare-DVD, die alle jemals erschienenen Varianten aus den Quart- und Folio-Ausgaben, neue Inszenierungen und dramaturgische Ansätze in sich vereint. "Aus diesen unterschiedlichen Versionen kann sich der Nutzer dann wiederum sein eigenes Stück zusammensetzen", so Krug und Frenk ergänzt: "Der reader wird zum user".

    Bisher, so die Meinung der beiden Anglisten, wurde dieses kulturelle Phänomen im akademischen Kontext eher vernachlässigt. Dabei gehöre "Medienkompetenz" inzwischen zwingend zum Lehrplan für die Sekundarstufe II im Fach Englisch. "Die Schüler sollen lernen, mit den unterschiedlichen Medienprodukten informiert und strukturiert umzugehen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die Lehrer geschult werden, die es wiederum den Kindern beibringen können", erläutert Frenk. In Seminaren habe sich aber gezeigt, dass die Studierenden, obwohl die ersten "Ureinwohner" des digitalen Landes, einen sehr unterschiedlichen Wissensstand haben. "Wir brauchen im Grunde genommen eine völlig neue Didaktik, in der die traditionellen Kompetenzen der Philologien für die neuen Anforderungen nutzbar gemacht werden", so Frenk. Deshalb haben die beiden angefangen, für ihre Lehrveranstaltungen die von den Wirtschaftsinformatikern der Universität Münster entwickelte Software "OpenUSS" zu nutzen, mit dem sich die Studierenden unter anderem in Chats und Diskussionsforen austauschen können.

    Um neue Lehrformen ausarbeiten zu können, müssen aber erst einmal die Grundlagen verstanden werden. Dazu wollen Frenk und Krug mit einem demnächst erscheinenden Band, in dem sie unter anderem auf das Phänomen des Videospiels eingehen, Formen des "Edutainment" untersuchen und Lernsoftware unter die Lupe nehmen, einen Beitrag leisten.


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    Criteria of this press release:
    Language / literature, Media and communication sciences
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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