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12/19/2002 11:02

Die Reformation entmachtete Nikolaus

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Leipziger Religionssoziologe Dr. Harald Homann: Das heutige Weihnachtsfest ist eine protestantische Erfindung

    "Die Reformation entmachtete Nikolaus", erklärt Dr. Harald Homann, Religionssoziologe im Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig, und führt weiter aus: "Unser heutiges Weihnachtsfest ist eine protestantische Erfindung."
    Das ist zwar keine neue Erkenntnis, dürfte aber für viele Zeitgenossen trotzdem eine überraschende Information sein. Tatsache ist, dass bis zur Reformation der Tag des heiligen Nikolaus der Tag der Geschenkvergabe war. Daher gibt es auch heute noch am 6. Dezember kleinere Bescherungen. Erst Martin Luther verlegte die Geschenkvergabe auf das Datum der Geburt Christi und konzipierte das Weihnachtsfest als religiöses Familienfest. Auch Adventskranz (ursprünglich mit 24 Kerzen), Weihnachtsmann und Weihnachtsbaum gehörten zunächst zum protestantischen Brauchtum. Letztlich wurden diese Elemente aber fast überall übernommen, und spätestens seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts warten auch in katholischen Familien die Kinder auf den Weihnachtsmann.

    Feiert Ostdeutschland anders als Westdeutschland? Schließlich ist die Religiosität in den neuen Bundesländern sehr gering - Ostdeutschland gilt als eines der areligiösesten Gebiete der Welt - , und die Gemeinschaft der Gläubigen besteht hierzulande zum größten Teil aus Protestanten, in den alten Bundesländern dagegen aus Katholiken. Nach Ansicht von Bettina Naumann, wissenschaftliche Assistentin am Institut für Praktische Theologie der Universität Leipzig, wirkt sich dies jedoch nicht oder kaum auf die Feier des Weihnachtsfestes aus: "Die jeweiligen Bräuche und Traditionen unterscheiden sich eher lokal und regional als zwischen Ost und West." Innerhalb der Familie feiern Protestanten und Katholiken auf gleiche Weise. Unterschiede gibt es lediglich bei der Gestaltung der Messe. In den neuen Bundesländern wird weniger Wert auf die Liturgie gelegt, stattdessen rückt das gemeinschaftliche Singen und das Erzählen der Weihnachtsgeschichte in den Vordergrund.

    Wenn manche beklagen, dass das Weihnachtsfest heute nur noch ein bloßes Familien- und Konsumfest darstelle und seiner religiösen Bedeutung weitgehend entkleidet sei, muss man wissen, dass dieser Trend seine Wurzeln bereits im 18. Jahrhundert hat. Mit der Etablierung des bürgerlichen Familienideals, der Kernfamilie, und verstärkt durch den Einfluss der Romantik wurde das Weihnachtsfest mehr und mehr zum Anlass der Besinnung auf die Familie und der gegenseitigen Versicherung von Zuneigung, Aufmerksamkeit und Zusammengehörigkeit. Der religiöse Bedeutungsgehalt trat demgegenüber unter Einwirkung von Aufklärung und Säkularisierung zurück.
    Heutzutage ist es oft gerade dieser Anspruch auf Geborgenheit, Nähe und Zuneigung, der viele Familien in die Krise führt. Wenn das hochgesteckte Familienideal sich nicht erfüllt, treten Zweifel an der Zusammengehörigkeit der Familie auf. Vor allem bei den sich mehrenden sogenannten "Patchwork-Familien" wird dies in der Weihnachtszeit zum Problem.

    Weitere Informationen: Dr. Harald Homann
    Telefon: 0341 97-35673
    E-Mail: homann@rz.uni-leipzig.de
    WWW: www.uni-leipzig.de/~kuwi

    Name: Bettina Naumann
    Telefon: 0341 97-35464
    E-Mail: bnaumann@rz.uni-leipzig.de
    WWW: www.uni-leipzig.de/~prtheol/


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    Criteria of this press release:
    Philosophy / ethics, Religion, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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