Pflanzen bilden ihr Leben lang neue Wurzeln. Doch inwiefern folgen sie dabei einem festgelegten Bauplan? Frankfurter Forscher haben jetzt das Wachstum von Seitenwurzeln der Acker-Schmalwand Zelle für Zelle in einem High-Tech-Lichtmikroskop beobachtet und mithilfe von Computersimulationen analysiert. Ihr Fazit: die Wurzelform entsteht durch eine Kombination von genetischen Vorgaben und der Selbstorganisation von Zellen.
FRANKFURT. Im Gegensatz zu Tieren bilden Pflanzen ihr Leben lang neue Organe: Wurzeln, Äste, Blätter, Blüten und Früchte. Frankfurter Forscher wollten wissen, inwiefern Pflanzen dabei einem festgelegten Bauplan folgen. In der renommierten Fachzeitschrift „Current Biology“ beschreiben sie das Wachstum von Seitenwurzeln der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana). Sie haben es Zelle für Zelle in einem High-Tech-Lichtmikroskop beobachtet und mithilfe von Computersimulationen analysiert. Ihr Fazit: die Wurzelform entsteht durch eine Kombination von genetischen Vorgaben und der Selbstorganisation von Zellen.
„Unsere Arbeit zeigt die Entstehung des komplexen Organs der Seitenwurzel in einer bislang noch nicht dagewesenen zeitlichen und räumlichen Auflösung“, so Prof. Ernst H. K. Stelzer vom Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften an der Goethe-Universität. Er ist der Erfinder der hochauflösenden und schonenden Lichtscheiben-Fluoreszenzmikroskopie, mit der die Forscher die Entstehung von Seitenwurzeln von der ersten Zellteilung bis zu ihrem Herauswachsen aus der Hauptwurzel erfassten. Über 64 Stunden lang zeichneten sie alle fünf Minuten die Fluoreszenz-Signale aus Zellkernen und der Plasmamembran auf, so dass sie alle an der Entstehung beteiligten Zellen erkennen und verfolgen konnten.
Die Seitenwurzeln entstammen einer variablen Anzahl von „Gründerzellen“, von denen manche entscheidend zur Entwicklung beitragen. Die Gestalt der Seitenwurzeln und die dazu gehörigen Wachstumskurven zeigen große Ähnlichkeiten. „Wir haben die Zellteilungen aufgrund ihrer räumlichen Ausrichtung klassifiziert, um herauszufinden, wann neue Zellreihen und Zellschichten entstehen“, erklärt Daniel von Wangenheim, der Erstautor der Studie. „Erstaunlicherweise konnten wir anhand der anfänglichen räumlichen Anordnung nicht vorhersagen, wo exakt das zukünftige Zentrum der Seitenwurzel liegen würde.“ Offenbar ist nur die erste Teilung der Gründerzellen stark reguliert, während die darauffolgenden Zellteilungen keinem festgelegten Muster folgen. Sie verhalten sich eher adaptiv. Das ist in der Natur auch sinnvoll, beispielsweise, wenn die Wurzeln auf ein Hindernis stoßen.
Um in der ungeheuren Vielzahl der Daten grundlegende Prinzipien der Seitenwurzelentwicklung erkennen zu können, kombinierten die Forscher Methoden für die quantitative Analyse von Zellteilungen in wild wachsenden und genetisch veränderten Pflanzen (Wildtyp und Mutanten) mit mathematischer Modellierung, die von Kollegen an der Universität Heidelberg ausgeführt wurden. Dabei erkannten sie: Die Entwicklung der Seitenwurzel beruht auf einer begrenzten Anzahl von Regeln, die Wachstum und Orientierung von Zellen ausmachen. Dass es dennoch zur Entwicklung einer charakteristischen Seitenwurzel kommt, ist dem in der Natur weit verbreiteten Prinzip der Selbstorganisation zu verdanken. Alexander Schmitz, Ko-Autor der Studie, erklärt den nicht-deterministischen Anteil damit, dass die Organentwicklung dadurch robuster wird: „So können die Wurzeln sich trotz unterschiedlicher Anordnung der Zellen und mechanischer Gegebenheiten des umgebenden Gewebes flexibel und dennoch kontrolliert entwickeln.“
Publikation: Daniel von Wangenheim, Jens Fangerau, Alexander Schmitz, Richard S. Smith, Heike Leitte, Ernst H.K. Stelzer, Alexis Maizel: Rules and self-organizing properties of post-embryonic plant organ cell division patterns, in: Current Biology, 28.1.2016, DOI: doi:10.1016/j.cub.2015.12.047
Informationen: Prof. Dr. Ernst H. K. Stelzer, Alexander Schmitz, Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften, Institut für Zellbiologie und Neurowissenschaft, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798-42547,-42551, ernst.stelzer@physikalischebiologie.de alexander.schmitz@physikalischebiologie.de
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http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2015.12.047 Online-Publikation
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