idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
07/25/2016 17:00

Wie und wo lebten die ersten Zellen?

Dr.rer.nat. Arne Claussen Stabsstelle Kommunikation
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

    Veröffentlichung in Nature Microbiology

    25.07.2016 – Das Leben begann in einer eisenreichen heißen Tiefseequelle. Dies ist das Ergebnis von Biologen um Prof. Dr. William Martin vom Institut für Molekulare Evolution der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). Durch genetische Vergleiche heute lebender Zellen fanden sie die Eigenschaften von „LUCA“, dem gemeinsamen Vorfahren alles Lebens. In der Fachzeitschrift Nature Microbiology beschreiben sie, wie sein Stoffwechsel und seine Lebensbedingungen beschaffen waren.

    Wie und wo haben die ersten Zellen auf der frühen Erde gelebt? Und wovon haben sie sich ernährt? Nach einer neuen Düsseldorfer Studie lebte der gemeinsame Vorfahr allen Lebens (engl. last universal common ancestor, kurz LUCA) vor ca. 3,8 Milliarden Jahren an einer heißen Tiefseehydrothermalquelle. Er benötigte keinen Sauerstoff und ernährte sich von Wasserstoff und Kohlendioxid: Gase, die an Tiefseequellen stets reichlich vorhanden sind. Er konnte Stickstoff fixieren, sein Stoffwechsel benötigte als Katalysatoren Metalle. LUCA stellt das Bindeglied zwischen dem chemischen Ursprung des Lebens und den ersten freilebenden Zellen dar, die Entschlüsselung seiner Eigenschaften ist ein bedeutender Schritt im Studium der frühen Evolution.

    Prof. Dr. William Martin und seine Kollegen vom Institut für Molekulare Evolution der HHU setzen bei den Genen moderner Organismen an und lasen aus diesen heraus, wie und wo LUCA lebte. Aus bisherigen Studien war bekannt, dass LUCA genetische Informationen speichern und ablesen konnte. Es existierte jedoch bisher keine Informationen darüber, wie und wo LUCA gelebt hat. Die Forscher analysierten die Sequenzinformation in 6,1 Millionen proteinkodierenden Genen von rund 2.000 Prokaryoten – die einfachsten Einzeller, zu denen Bakterien und Archaeen gehören. Sie wollten alle Gene finden, deren Spuren in der Stammesgeschichte bis hin zu LUCA zurückverfolgt werden können. Als wichtigstes Ergebnis ihrer Arbeit präsentieren die Forscher eine Liste von 355 Genen, die LUCA demnach besaß und die über die Lebensweise und das Habitat von LUCA Aufschluss geben.

    Aus den 355 Genen schließt man, dass der gemeinsame Vorfahr allen Lebens ein Anaerobier war, d.h. er benötigte keinen Sauerstoff zum Leben. Er gedieh bei Temperaturen um die 100°C. Seinen Stoffwechsel betrieb er mithilfe von Kohlendioxid, Wasserstoff und Stickstoff, seinen Energiebedarf deckte er aus einfachen chemischen Reaktionen, ohne Hilfe von Licht. Darüber hinaus fand man im Stoffwechsel des gemeinsamen Vorfahrens Hinweise auf eine wichtige Rolle von Übergangsmetallen wie Eisen, Nickel und Molybdän, sowie anderer Elemente wie Schwefel und Selen. LUCA's Stoffwechsel hatte somit Ähnlichkeiten mit dem einiger heute noch lebender Organismengruppen, vor allem mit den acetatbildenden Clostridien (bei den Bakterien) und den methanbildenden Methanogenen (bei den Archeen).

    Die neuen Daten unterstützen die Theorie, dass das Leben an Tiefseehydrothermalquellen entstand und dass die ersten dort lebenden Organismen Autotrophe waren – Organismen, die alle ihre essentiellen Nährstoffe wie Aminosäuren und Vitamine aus Kohlendioxid selbst synthetisieren. Prof. Martin weist auf die wichtigen Implikationen für weitergehende Untersuchungen hin: „Wir haben nicht nur eine Reihe ursprünglicher Gene entdeckt, wir haben auch die Organismen identifiziert, in denen diese Gene heute vorkommen.“ Diese Gruppen besiedeln heute noch die Habitate (Tiefseequellen und karge Erdkruste), die die Forscher für LUCA gefunden haben. „Alles spricht dafür“, so Prof. Martin weiter, „dass sie die ökologische Nische, in der das Leben vor rund vier Milliarden Jahren entstand, nie verlassen haben.“ Somit können die Mikrobengemeinschaften an heutigen Tiefseequellen direkte Einblicke in das Leben der ersten Mikroben gewähren – als hätte eine Zeitmaschine das Urhabitat der ersten Zellen bis in die Gegenwart befördert.“

    Prof. Dr. James McInerney, Evolutionsbiologe von der University of Manchester, schreibt in einem begleitenden Kommentar zur Düsseldorfer Veröffentlichung: „Diese Einblicke in den Stoffwechsel vom letzten universellen gemeinsamen Vorfahren liefern Erkenntnisse über die Lebensweise der Organismen, die gelebt haben, bevor es zur Ur-Spaltung der Prokaryoten Bakterien und Archeen kam. Die neue Stu-die gibt uns einen faszinierenden Einblick in das Leben vor vier Mil-liarden Jahren.“

    Suche nach extraterrestrischem Leben

    Die Studie hat auch Konsequenzen für die Spurensuche nach Leben anderswo in unserem Sonnensystem. Sind unsere zellulären Vorfahren an Hydrothermalquellen entstanden, so hat die Sonne beim Ursprung des Lebens keine essentielle Rolle gespielt. Das Leben wäre aus rein geochemischer Energie hervorgegangen. Auf Enceladus, einem der Saturnmonde, gibt es Hinweise für die Existenz von solcher geochemischer Energie in Form von hydrothermaler Aktivität. „Ob dort die Geochemie Schritte in Richtung Leben unternimmt, bleibt eine spannende Frage“, so Prof. Martin.

    Originalveröffentlichung

    M. Weiss, F. Sousa, N. Mrnjavac, S. Neukirchen, M. Roettger, S. Nelson-Sathi and W. Martin, The physiology and habitat of the last universal common ancestor, Nature Microbiology, 25. Juli 2016

    DOI: 10.1038/nmicrobiol.2016.116

    Kontakt

    Prof. Dr. William Martin
    Institut für Molekulare Evolution
    Tel.: 0211 81-13011
    Email: bill@hhu.de


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students
    Biology, Chemistry, Geosciences, Oceanology / climate, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).