Auf mehr als 1.100 Seiten und in über 14.000 einzelnen Einträgen von A bis Z werden Gattungswidmungen heute lebender sowie ausgestorbener Gefäßpflanzen, Moose, Pilze, Flechten und Algen aufgeführt. Das jetzt veröffentlichte Verzeichnis zur Ehrung von Personen im Namen von Pflanzengattungen ermöglicht einen spannenden Einblick in die Historie. Das Who is Who mehrerer Epochen und Kontinente spiegelt sich in den Pflanzennamen wider. Sie zeugen von den vielfältigen persönlichen Kontakten zwischen Wissenschaft, Politik und Kultur. Das online-Verzeichnis ist kostenfrei auf der Webseite des Botanischen Gartens und Botanischen Museums Berlin der Freien Universität Berlin abrufbar.
Zahlreiche Fehler ähnlicher Publikationen wurden aufgedeckt und viele Wissenslücken geschlossen mittels botanischer, historischer und biographischer Recherche. Das Nachschlagewerk dient Wissenschaftlern – aber auch Pflanzenliebhabern, die etwas über den Namen ihrer Zimmer- und Gartenpflanzen wie Fuchsie und Dahlie wissen möchten. Das Werk ist Ergebnis mehrjähriger Recherche von Lotte Burkhardt und eine bemerkenswerte Einzelleistung in der Wissenschaft.
Die Autorin betrachtet nicht nur Gattungsnamen, die tatsächliche Personen ehren, sondern auch solche, die sich auf mythologische Gestalten und Romanfiguren beziehen. Zu den Personen gibt es jeweils kleine Biographien, Verweise auf Beziehungen zu anderen in den Listen aufgeführten Personen, Angaben zu weiteren Ehrungen in der Botanik, zur Widmungs-Literatur sowie eventuell erforderliche oder erläuternde Hinweise zur Pflanze, zum Geehrten, botanischen Autor, manchmal auch zu anderen interessanten oder lustigen Aspekten. Den Einträgen wird eine auch für Laien verständliche und sehr informative Einführung zur eponymischen Benennung von Gattungsnamen in der Botanik vorangestellt. Ergänzend werden zu eponymischen Gattungsnamen gleichlautende, aber nach Orten, eponymisch benannten Gegenden oder nach einheimischen Trivialnamen benannte Pflanzengattungen in geringem Umfang betrachtet, um Missinterpretationen entgegen zu wirken.
Personen-Ehrungen in der botanisch-wissenschaftlichen Pflanzenbenennung gibt es bereits vor dem 18. Jahrhundert. Man wollte ursprünglich vor allem die Erinnerung an verdiente Personen der Wissenschaft wachhalten. So erhielten beispielsweise die Magnolie (Magnolia, benannt nach Pierre Magnol) und die Rudbeckie (Rudbeckia, benannt nach Olaus Johannis und Olaus Olai Rudbeck) ihren Gattungsnamen. Waren es zunächst 'verdiente' Wissenschaftler und Kollegen, so kamen im Verlauf der Jahrhunderte an der Wissenschaft interessierte Mäzene und Unterstützer, Herrscher, Eroberer, Politiker, Reisebegleiter, Schiffskapitäne, auf Expeditionen verunglückte Personen, Widerstandskämpfer, die eigenen Freunde, Lehrer, Frauen, Kinder sowie sonstige Verwandtschaft usw. hinzu. So vergab Nathaniel Lord Britton beispielsweise ganz unverblümt Pflanzennamen an Gönner, um an Sponsorengelder für die Gründung des Botanischen Gartens in New York zu kommen. In der neueren Zeit wurde mit der Farngattung Gaga die amerikanische Pop-Sängerin ('Lady Gaga') geehrt, wobei allerdings die diese Gattung charakterisierende Gen-Sequenz G-A-G-A auch eine wissenschaftliche Begründung für die Benennung gibt.
Die Pflanzenbenennung wird oft von nationalen Aspekten und Rivalitäten geprägt. Bedeutende Künstler und Schriftsteller, Kolonialverwalter, Militärs, Widerstandskämpfer oder lokal bekannte Persönlichkeiten wurden zur Benennung herangezogen. Bekannte Beispiele sind die nach Napoleon benannte Napoleonaea und die nach Johann Wolfgang von Goethe benannte Goethea.
Die hohe Bedeutung einiger Persönlichkeiten für die Wissenschaft wird deutlich, wenn mehrere Wissenschaftler ein und dieselbe Person ehren. Da gleichlautende Gattungsnamen verboten sind, mussten die Beschreiber Variationen des Namens erfinden. Der Dichter und Botaniker Adelbert von Chamisso wird beispielsweise geehrt mit den Gattungen Adelbertia, Camissonia, Chamissoa, Chamissomneia, Chamissonia und Chamissoniophila. Botanische Autoren beweisen dabei auch Humor mit Wortspielen. So wird der deutsche Botaniker Heinrich Moritz Willkomm nicht nur mit der Gräsergattung Willkommia geehrt, sondern auch in der Gattung Willbleibia.
Fiktive Personen wie Robinson Crusoe werden geehrt mit der Gattung Robinsonia, und sein Begleiter Freitag mit der Gattung Vendredia (nach dem französischen Wort für den Wochentag). Mythen inspirierten beispielsweise bei der nach dem germanischen Helden Siegfried benannten Gattung Siegfriedia. Die griechische wie die römische Götterwelt ist in Pflanzennamen besonders stark vertreten, wie bei Adonis, Daphne, Iris, Nymphaea oder Viola.
Das Werk trägt den Titel „Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen: Eine botanische • historische • biographische Recherche zu Widmungen in den Pflanzengattungen“.
Eponymische Pflanzennamen leiten sich von einem Eigennamen ab. Die Ehrung von Personen durch Nennung ihres Namens im Namen einer Pflanzengattung ist eine besondere und häufige Form der Anerkennung. Sie wird möglich, wenn eine Gattung neu wissenschaftlich beschrieben wird. In vielen botanischen Werken ist die ehrende Namensgebung von Pflanzen nach Personen oft nur ein kleiner Nebenaspekt und wird häufig nur unzureichend erklärt. Das führt nicht erst heute zu Deutungsversuchen mit reichlichen Fehlern, die sich durch Zitierung gedruckter und elektronischer Nachschlagewerke zahlreich weiterverbreiten.
Die Autorin Lotte Burkhardt spürte diese Fehler auf und widerlegt sie auf der Basis der Original-Literatur. Entscheidend sind ihre Kenntnisse in den romanischen und anderen europäischen Sprachen und gründliche Analyse von Zusammenhängen, Entwicklungen und Vergleichen. Aufwendig war die Suche der vielen einzelnen und oft global verstreuten Informationen in Bibliotheken, Herbarien und elektronischen Medien. Die Widmungen wurden von der Autorin abgeglichen und zusammengeführt mit anderen Einzelaspekten zum Geehrten und Ehrenden wie beispielsweise Lebenszeiträumen, Geographie (Orte, Reisen), Biographien, Genealogien, Interessensgebieten und vielem mehr. Trotz mehrjähriger Recherche ist die vorliegende Arbeit nicht abgeschlossen und wird fortgeführt. Viele Informationsquellen sind noch in Archiven verborgen oder durch Kriegsverluste und Unglücke verloren. Das aktuell als statische Liste veröffentlichte Verzeichnis soll in eine Datenbank überführt werden. Digitalisierte Belege der Originalwidmungen werden dann zusätzlich eingebunden. Die Datenbank wird die Nutzung des Werkes erleichtern und ermöglicht die direkte Verlinkung zwischen den Gattungsnamen und weiteren Informationen.
Die Autorin Lotte Burkhardt wohnt seit mehreren Jahren in Berlin, widmet sich der Erforschung der Pflanzeneponyme und arbeitet ehrenamtlich am Botanischen Garten in Berlin.
Publikation:
Burkhardt L. 2016: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen. Index of Eponymic Plant Names. Index de Noms Eponymes des Genres Botaniques. Eine botanische • historische • biographische Recherche zu Widmungen in den Pflanzengattungen. – Berlin: Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin.
1119 Seiten
ISBN 978-3-946292-10-4
doi: http://dx.doi.org/10.3372/epolist2016
Download https://www.bgbm.org/sites/default/files/verz_epo_pfl_2016-09-07.pdf (PDF-Datei, 13 MB)
Kontakt:
Lotte Burkhardt, Joachim-Karnatz-Allee 23, 10557 Berlin;
e-mail: haloburkhardt@t-online.de
Gesche Hohlstein, Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin,
Freie Universität Berlin, Königin-Luise-Str. 6-8, 14195 Berlin
Tel. 030 / 838 50134, E-Mail: g.hohlstein@bgbm.org
https://www.bgbm.org/sites/default/files/verz_epo_pfl_2016-09-07.pdf - zur Publikation
http://dx.doi.org/10.3372/epolist2016 - doi der Publikation
http://www.botanischer-garten-berlin.de - zum Botanischen Garten Berlin
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
Biology, History / archaeology
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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