idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/14/2017 12:46

Pilze sind das zweitgrößte Organismenreich der Erde / Studie schätzt 2,2 bis 3,8 Millionen Arten

Gesche Hohlstein Pressestelle Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem
Freie Universität Berlin

    Schätzungsweise 2,2 bis 3,8 Millionen Pilzarten gibt es weltweit. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam aus Berlin und London. Pilze bilden damit das zweitgrößte Organismenreich nach den Tieren, denn die Pilze übertreffen die Vielfalt der Pflanzen um etwa das 6-10-fache. Mindestens 18-mal mehr Pilzarten existieren als derzeit bekannt.
    Die Studie erstellten zwei Wissenschaftler vom Botanischen Garten und Botanischen Museum der Freien Universität Berlin sowie dem Londoner Royal Botanic Gardens, Kew und dem Natural History Museum. Die Forschungsergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Microbiology Spectrum“ veröffentlicht.

    Eine der großen Fragen der Biologie ist damit neu bearbeitet. In der Vergangenheit reichten die Spekulationen von etwas mehr als einer halben Million bis zu über 5 Millionen Pilzarten weltweit. Derzeit sind erst 120.000 Pilzarten bekannt und wissenschaftlich beschrieben. Das entspricht nur etwa 3 bis 8 Prozent der geschätzten globalen Pilzvielfalt. Über 2 bis 3 Millionen Pilzarten sind also noch zu entdecken und zu beschreiben. Die Pilze sind damit das am wenigsten studierte der drei großen Organismenreiche: während bei den Pflanzen etwa 80% von geschätzten 390.000 Arten katalogisiert sind, sind es bei den Tieren rund 20% von geschätzten 7 Millionen.

    Das Erfassen der noch unbekannten Pilze ist eine monumentale Aufgabe für die Forscher, da momentan pro Jahr nur etwa 1500 neue Pilzarten beschrieben werden. Man bräuchte also weitere 1.500 bis 2.500 Jahre, um alle noch unbekannten Pilzarten zu beschreiben. Oder ein Zehnfaches an Spezialisten, um diese Aufgabe innerhalb der nächsten zwei Jahrhunderte abzuschließen. Durch Lebensraumzerstörung und nicht nachhaltiges Wirtschaften nimmt jedoch auch die Pilzvielfalt global fortwährend ab: viele Arten sterben aus, bevor sie entdeckt werden.

    Für die aktuelle Schätzung kombinierten die Forscher drei Schätzmethoden. Erstens werteten sie neueste Forschungsdaten aus, die im Wesentlichen auf DNA-Sequenziermethoden beruhen. Allein durch die Analyse des sogenannten DNA-Barcodings wurden bei vermeintlich bekannten Pilzarten (wie dem Fliegenpilz oder dem Pfifferling) im Schnitt etwa 10 zuvor unbekannte Arten entdeckt. Die bereits bekannten 120.000 Pilzarten könnten demzufolge bis zu 1,2 Millionen Arten entsprechen. Zweitens zogen die Forscher Analysen von Umweltproben heran, zum Beispiel des Bodens oder Wassers. Mittels neuartiger DNA-Sequenziermethoden werden darin alle vorhandenen Organismen erfasst. Die Forscher vermuten hier weltweit mindestens 1 Million zusätzlicher, unbekannter Pilzarten, zusammen also etwa 2,2 Millionen. Drittens zeigten Studien an ausgewählten Lokalitäten, wo alle Pflanzen- und Pilzarten systematisch erfasst wurden, dass im Mittel 9,8 Pilzarten pro Pflanzenart vorkommen. Bei einer hochgerechneten Zahl von weltweit 390.000 Pflanzenarten ergibt sich aus dieser alternativen Schätzmethode eine Gesamtzahl von 3,8 Millionen Pilzarten. Die Forscher vermuten viele unbeschriebene Pilzarten in sogenannten Hotspots wie den Tropen, wenig untersuchten Lebensräumen (unter anderem in den symbiontischen Flechten und in Insekten) sowie in unbearbeitetem Material naturkundlicher Sammlungen.

    Pilze sind in allen Ökosystemen vorhanden, sogar im Meer. Zum Reich der Pilze zählen Einzeller wie die Backhefe ebenso wie der makroskopische Fliegenpilz oder auch die Flechtenpilze. Nach heutigem Kenntnisstand sind Pilze näher mit den Tieren verwandt als mit den Pflanzen, aber traditionell werden Pilze oft weiter in der Botanik behandelt; bis in das späte 20. Jahrhundert wurden sie sogar noch zu den Pflanzen gezählt. Pilze vereinen typische Merkmale von Tieren als auch von Pflanzen. Wie Pflanzen sind sie festsitzend, betreiben aber im Gegensatz zu Pflanzen keine Photosynthese; anstelle dessen ernähren sie sich von organischen Substanzen aus ihrer Umgebung. Als Speichersubstanz bilden sie das bei Tieren typische Polysaccharid Glykogen (und keine pflanzentypische Stärke). Pilzzellen weisen zwar meist eine für Pflanzenzellen typische Zellwand auf, diese ist jedoch aus dem im Tierreich bekannten Chitin aufgebaut. Viele Pilze zersetzen totes organisches Material und sind damit ökologisch von zentraler Bedeutung im Nährstoffkreislauf. In Symbiose lebende Pilze finden sich bei den meisten Pflanzen (z. B. Bäumen und Orchideen) sowie in den Flechten (einer Symbiose von Pilzen mit Algen oder Cyanobakterien). Parasitische Pilze sind wichtige Krankheitserreger bei Pflanzen, Tieren und auch dem Menschen. Abgesehen von Delikatessen wie den Trüffeln bilden Pilze die Grundlage für tägliche Lebensmittel wie Brot und Käse, alkoholhaltige Getränke, und Medikamente wie Antibiotika (Penicillin).

    Publikation:
    Hawksworth D., Lücking R. 2017. Fungal Diversity Revisited: 2.2 to 3.8 Million Species.
    Microbiol Spectrum 5(4): FUNK-0052-2016.
    www.asmscience.org/content/journal/microbiolspec/10.1128/microbiolspec.FUNK-0052-2016
    doi: http://dx.doi.org/10.1128/microbiolspec.FUNK-0052-2016.

    Pressebilder:
    www.bgbm.org/de/presse/pressefotos#Pilze

    Kontakt:

    Dr. Robert Lücking, Kustos der Kryptogamen
    Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin
    Freie Universität Berlin
    E-Mail: r.luecking@bgbm.org

    Gesche Hohlstein, Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin,
    Freie Universität Berlin, Königin-Luise-Str. 6–8, 14195 Berlin
    Tel. 030 / 838-50134, E-Mail: g.hohlstein@bgbm.org

    Der Botanische Garten und das Botanische Museum Berlin ist einer der drei bedeutendsten Botanischen Gärten weltweit und der größte in Deutschland. Das Gartendenkmal mit einer Vielfalt von 20.000 Pflanzenarten auf dem 43 Hektar großen Gelände zeigt die „Welt in einem Garten“. Als Knotenpunkt der internationalen Biodiversitätsforschung und Wissenschaftseinrichtung mit über 300-jähriger Tradition beschäftigt er über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Forschung und Lehre. Mehr als 400.000 Besucher pro Jahr belegen die Bedeutung des Botanischen Gartens als wichtigen Erholungs- und Bildungsort der Hauptstadt. Mit dem Botanischen Museum verfügt er über Deutschlands einzige museale Einrichtung, die sich der Vielfalt der Pflanzenwelt, ihrer Bedeutung und der Darstellung ihrer Kultur- und Naturgeschichte widmet. Seit 1995 gehört die Einrichtung zur Freien Universität Berlin.


    More information:

    http://www.asmscience.org/content/journal/microbiolspec/10.1128/microbiolspec.FU... - Publikation
    http://dx.doi.org/10.1128/microbiolspec.FUNK-0052-2016.- doi der Publikation
    http://www.bgbm.org/de/presse/pressefotos#Pilze - Pressebilder


    Images

    Der Fliegenpilz (Amanita muscaria) enthält weltweit vermutlich ein Dutzend unterschiedliche Arten.
    Der Fliegenpilz (Amanita muscaria) enthält weltweit vermutlich ein Dutzend unterschiedliche Arten.
    Foto: R. Lücking / Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin
    None

    Coprinellus disseminatus (Gesäter Tintling, Kolumbien): In dieser Gattung totholzzersetzender Pilze ist die Zahl der geschätzten Arten etwa so hoch wie die Zahl der bekannten Arten
    Coprinellus disseminatus (Gesäter Tintling, Kolumbien): In dieser Gattung totholzzersetzender Pilze ...
    Foto: R. Lücking / Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Biology, Environment / ecology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Der Fliegenpilz (Amanita muscaria) enthält weltweit vermutlich ein Dutzend unterschiedliche Arten.


    For download

    x

    Coprinellus disseminatus (Gesäter Tintling, Kolumbien): In dieser Gattung totholzzersetzender Pilze ist die Zahl der geschätzten Arten etwa so hoch wie die Zahl der bekannten Arten


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).