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03/31/2020 13:44

Drei Wissenschaftler der Freien Universität Berlin erhalten ERC Advanced Grants des Europäischen Forschungsrates

Kerrin Zielke Stabsstelle für Presse und Kommunikation
Freie Universität Berlin

    Wissenschaftler der Freien Universität Berlin haben drei hochdotierte ERC Advanced Grants des Europäischen Forschungsrates (European Research Council, ERC) eingeworben. Der Biochemiker Volker Hauckeerhält die Förderung für seine Forschungen zum Aufbau von Synapsen. Der Wissenschaftshistoriker und Altorientalist Mathieu Ossendrijver wird für sein Projekt über die interkulturelle Ausbreitung von Astronomie und Astrologie in der Antike gefördert. Friedemann Pulvermüller, Professor für Sprachwissenschaft und Neurobiologie der Sprache, erhält einen ERC Advanced Grant für ein Projekt zu den materiellen Grundlagen und Mechanismen des Sprachlernens und Abstraktionsvermögens.

    Die drei Wissenschaftler erhalten jeweils eine Förderung über bis zu 2,5 Millionen Euro, die sich über fünf Jahre erstreckt. Mit dem Format ERC Advanced Grant ermöglicht der Europäische Forschungsrat etablierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Pionierforschung.

    ZU DEN PROJEKTEN

    Prof. Dr. Volker Haucke (Direktor am Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie und Professor an der Freien Universität Berlin): SynapseBuild

    Die Fähigkeit des Menschen, sich an den ersten Schultag oder an die Geburt des Kindes zu erinnern, beruht - wie die meisten anderen Funktionen des menschlichen Gehirns - auf der Kommunikation zwischen Nervenzellen an speziellen Kontaktstellen, den Synapsen. An Synapsen werden Signale von einer Nervenzelle zur nächsten weitergeleitet. Im Verlauf dieses Prozesses werden von der vorgeschalteten Nervenzelle, der Präsynapse, Botenstoffe (Neurotransmitter) aus sogenannten Vesikeln in den Spalt zwischen Nervenzellen freigesetzt. Von dort gelangen die Botenstoffe zur nachgeschalteten Nervenzelle, der Postsynapse, wo sie sich an Rezeptoren binden und der Reiz fortgeleitet werden kann.

    Im Laufe jahrzehntelanger Forschung ist ein umfangreiches Wissen darüber erworben worden, über welche Mechanismen die in den Vesikeln enthaltenen Neurotransmitter an der präsynaptischen Membran freigesetzt werden. Im Gegensatz dazu ist erheblich weniger darüber bekannt, wie die synaptischen Vesikel während der Entwicklung des Gehirns entstehen und wie es zur Ausbildung der komplexen molekularen Maschinerie kommt, die eine funktionierende präsynaptische Membran ausmachen. So ist unklar, wo und wie die Vorläufer der synaptischen Vesikel im neuronalen Zellkörper gebildet werden. Ferner ist nicht erforscht, in welcher Form diese Vesikel zur präsynaptischen Membran transportiert werden und welche Reifungsschritte stattfinden, um ihren Zusammenbau zu funktionellen Einheiten für die Neurotransmitterfreisetzung zu ermöglichen. Ebenfalls unbekannt ist schließlich, wie der gesamte Prozess koordiniert und gesteuert wird. Das vom ERC ausgezeichnete Projekt beruht auf der molekularen Analyse humaner Nervenzellen, die aus genetisch durch die CRISPR-Technologie veränderten Stammzellen generiert werden. Nach Einschätzung von Projektleiter Volker Haucke könnte das Verständnis über die Synapsen völlig neue Ansätze zur Bekämpfung neurologischer und neurodegenerativer Krankheiten ermöglichen.

    Volker Haucke ist Direktor am Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Professor für Pharmakologie der Freien Universität Berlin und Mitglied des Exzellenzclusters NeuroCure. Gegenstand seiner Forschungsarbeiten sind neben der Bildung und Funktion von Synapsen die Entschlüsselung der zellulären Mechanismen, die die Balance zwischen Zellwachstum und dem Abbau von Stoffwechselprodukten regulieren. Diese Mechanismen zu kennen, ist grundlegend für das Verständnis von Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Neurodegeneration. Volker Hauckes Ziel ist es, neue pharmakologische Wege der Behandlung solcher Krankheiten zu entwickeln. Er wurde mit zahlreichen wissenschaftlichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Feldberg Preis 2020.

    +++

    Dr. Dr. Mathieu Ossendrijver (Kolleg-Forschungsgruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Rethinking Oriental Despotism“ am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin): Ancient Astral Science in Transformation

    Im Mittelpunkt des Projekts mit der Abkürzung ZODIAC stehen die interkulturelle Verbreitung des Tierkreises und die damit zusammenhängenden innovativen astronomischen und astrologischen Praktiken, Theorien und Bildprogramme von Babylonien nach Ägypten und in die griechisch-römische Welt zwischen dem 5. Jahrhundert v. Chr. und dem 3. Jahrhundert n. Chr.
    Die Einführung des Tierkreises in Babylonien war ein Wendepunkt in der Geschichte der Astronomie und Astrologie; sie hatte Auswirkungen in Wissenschaft und Kultur bis in die heutige Zeit. Der Tierkreis wurde zum zentralen Konzept für das Interpretieren, Vorhersagen, Berechnen und Darstellen von Himmelsphänomenen. Die damit einhergehende „mathematische Wende“ prägt Wissenschaft und Alltag bis heute, und die horoskopische Astrologie wurde zu einem globalen Phänomen. Diese Innovationen verbreiteten sich bereits in der Antike von Babylonien nach Ägypten, in die griechisch-römische Welt und darüber hinaus, wobei sie sich transformierten in Anpassung an lokale Schriften, Sprachen und Traditionen. Weil Verknüpfungen mit sozialen Praktiken, religiösen Doktrinen, philosophischen Theorien und Bildprogrammen bestehen, handelt es sich um eine wissenschafts- und kulturhistorische Innovation von globaler Bedeutung, für die es bisher keine umfassende Erklärung gibt.

    Ziel des Projekts ist es, die Verbreitung des Tierkreises und der damit zusammenhängenden Praktiken und Theorien zu erfassen und zu erklären. Wie entwickelten sie sich, und wie wurden sie im interkulturellen Austausch transformiert? Wie konnten diese Innovationen in Ägypten, in der griechisch-römischen Welt und in anderen antiken Kulturen Fuß fassen? Wie ist ihr enormer Erfolg zu erklären? Im Projekt versucht ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, diese Fragen mit einem neuen Ansatz zu beantworten, wonach die neuen Praktiken und Theorien in den multikulturellen Großreichen, wo sie sich verbreiteten, soziale, religiöse und politische Bedürfnisse erfüllten.

    Mathieu Ossendrijver studierte Astrophysik und Theoretische Physik in Utrecht und Altorientalistik in Freiburg. Er erlangte 1996 einen Doktorgrad in Astrophysik und 2010 in Altorientalistik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik. Seit dem Jahr 2005 hatte er verschiedene Positionen in der altertumswissenschaftlichen Forschung in Leiden, Niederlande, Tübingen, New York und Berlin inne. Er war von 2013 bis 2018 Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und im Jahr 2019 Fellow am Einstein Center Cronoi. Derzeit ist Mathieu Ossendrijver Senior Research Fellow in der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Kolleg-Forschungsgruppe „Rethinking Oriental Despotism“ an der Freien Universität Berlin.

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    Professor Dr. Dr. Friedemann Pulvermüller (Professor für Sprachwissenschaft und Neurobiologie der Sprache an der Freien Universität Berlin und an der Berlin School of Mind and Brain): Material Constraints Enabling Human Cognition

    Wie kommt es, dass Menschen mühelos ein Vokabular von Zehntausenden von Wörtern und Symbolen lernen, wogegen ihre nächsten Verwandten, die Menschenaffen, es gerade einmal auf circa 100 Zeichen bringen? Wie können kleine Kinder so viele Symbole ohne besonderen Unterricht mit Bedeutungen verknüpfen und sie dann, nach nur kurzem Lernen, verwenden, um ihre Wünsche, Gefühle, Ansichten und Befürchtungen auszudrücken? Auf welcher materiellen Grundlage beruhen unsere Fähigkeiten zum Kombinieren von Symbolen und zum Abstrahieren genereller Gedanken?

    Es ist klar, dass diese Fähigkeiten mit unserem Gehirn zusammenhängen müssen – oder genauer gesagt mit den Unterschieden, die zwischen unserem Gehirn und den Gehirnen anderer Arten bestehen. Doch welche Unterschiede sind hier wesentlich? Und wie können Unterschiede im gehirninternen Material solch erstaunliche Dinge wie menschliche Sprache, Denken und Handeln erklären? Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekt „MatCo“ (Material Constraints Enabling Human Cognition) sollen diese materiellen Grundlagen und die Mechanismen erforscht werden, die erklären, wie etwa eine Vergrößerung bestimmter Gehirnbereiche oder die Verstärkung spezifischer Verbindungsbahnen zu Vokabularaufbau, Bedeutungslernen und Abstraktionsfähigkeit beitragen können. Hierzu werden mathematisch präzise Netzwerkmodelle entwickelt, die die Struktur von Gehirnen nachbilden. Durch systematischen Vergleich der Funktionsweisen von Netzwerkmodellen mit unterschiedlicher Struktur sollen Rückschlüsse darauf gezogen werden, welche strukturellen materiellen Veränderungen für die Herausbildung der Kognition wichtig sind.

    Friedemann Pulvermüller lehrt Sprachwissenschaft und Neurobiologie der Sprache am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität und an der Berlin School of Mind and Brain. Er hatte Biologie und Sprachwissenschaft studiert, in Linguistik und Psychologie promoviert und in der Medizin habilitiert, bevor er 1999 auf eine Forschungsprofessur nach Cambridge berufen wurde. Im Jahr 2011 wechselte er an die Freie Universität und wurde Professor des Exzellenzclusters „Languages of Emotion“. Seine Arbeiten zu MatCo stehen im Zusammenhang mit dem an der Humboldt-Universität angesiedelten Exzellenzcluster „Matters of Activity“, wo die materiellen Grundlagen der Kognition ebenso im Fokus stehen.


    Contact for scientific information:

    - Professor Dr. Volker Haucke, E-Mail: haucke@fmp-berlin.de, www.leibniz-fmp.de/haucke
    - Dr. Dr. Mathieu Ossendrijver, E-Mail: mathieu.ossendrijver@posteo.net 
    - Prof. Dr. Dr. Friedemann Pulvermüller, E-Mail: friedemann.pulvermuller@fu-berlin.de


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    interdisciplinary
    transregional, national
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