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01/20/2004 12:51

'Tätervolk' liegt vorne

Dr. Ralf Breyer Public Relations und Kommunikation
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main)

    Unwort des Jahres zum 13. Mal gewählt / 'Angebotsoptimierung' und 'Abweichler' folgen auf den Plätzen

    FRANKFURT. Zum Unwort des Jahres 2003 ist der Begriff 'Tätervolk' gewählt worden.

    In der umstrittenen Rede des Bundestagsabgeordneten Hohmann war dieses Wort gefallen. Dieser Begriff sei schon grundsätzlich verwerflich, da er jeweils ohne jede Ausnahme ein ganzes Volk für die Untaten kleinerer oder größerer Tätergruppen verantwortlich macht, also den Vorwurf einer Kollektivschuld erhebt. Die Verbindung des Begriffs, wie Hohmann ihn gebrauchte, mit 'den' Juden zumal ist ein aktueller Beleg für den immer noch wirkenden Antisemitismus. Bereits im religiösen, antijudaistischen Ursprung dieser Einstellung wurde das Volk der Juden kollektiv für den Tod Jesu Christi verantwortlich gemacht und sogar als 'Gottesmörder' gebrandmarkt.

    Auf Platz zwei setzte die Unwort-Jury den Begriff 'Ange- botsoptimierung', der die Verringerung von Dienstleistungen beschönigen soll, etwa wenn Stilllegungen von Bahnstrecken damit umschrieben werden. Ähnlich wurde auch der Abbau von Briefkästen als Briefkastenoptimierung angepriesen. Das Wort Optimierung entlarvt sich inzwischen generell als Verschleierung bloßen Profitdenkens.

    Den dritten Platz nimmt das Wort 'Abweichler' ein, das 2003 zur Diskriminierung von Bundestagsabgeordneten missbraucht wurde, die es 'gewagt' hatten, ihre grundgesetzlich verankerte Pflicht zur Gewissensentscheidung über einen Fraktions- oder Koalitionszwang zu stellen.

    In der engeren Wahl war auch die neueste Erfindung, die Misere an den Hochschulen zu beschönigen: sogenannte Bildungsgutscheine sollen offenbar über die erheblichen Mittelkürzungen und die Einführung von Gebühren hinwegtrösten. Die Jury beobachtet auch seit Jahren, ganz besonders aber im vergangenen Jahr, die immer stärkere Entwertung des Begriffs'Reform'.

    Das 'Unwort des Jahres' wurde zum 13. Mal gewählt. Die sprachkritische Aktion war 1991 ins Leben gerufen worden. Diesmal hatten sich 2.215 Einsenderinnen und Einsender mit 1.160 verschiedenen Vorschlägen beteiligt.

    Der Jury für das Unwort des Jahres 2002 gehörten an die vier ständigen Mitglieder Prof. Margot Heinemann (Görlitz-Zittau), Prof. Rudolf Hoberg (Darmstadt), Dr. Nina Janich (Regensburg) und der Sprecher der Jury Prof. Horst Dieter Schlosser (Frankfurt). Die beiden Vertreter der Sprachpraxis waren diesmal der Fernsehjournalist Reinhold Beckmann (ARD/NDR) und der Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller Prof. Dr. Fred Breinersdorfer.

    Kontakt: Prof. Horst Dieter Schlosser, Fachbereich Neuere Philologien, Telefon 069/798-32673 oder -32674, Fax: 069/798-32675; E-Mail: schlosser@lingua.uni-frankfurt.de


    More information:

    http://www.unwortdesjahres.org


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications
    German


     

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