Der Baum des Lebens ist reich an Arten, die vom Wasser aufs Land übergegangen sind. Einige Arten nahmen jedoch die entgegengesetzte Richtung. Neue Einblicke in die Anatomie des Innenohrs des prähistorischen Reptils Thalattosuchia enthüllen jetzt Details über einen dieser Wendepunkte der Evolution. Während des Mesozoikums gingen die ausgestorbenen Krokodilverwandten nach einer langen halb-aquatischen Phase vollständig zur marinen Lebensweise über. Während dieses Prozesses passte sich das Skelett der Thalattosuchia schrittweise an den neuen Lebensraum Wasser an. Insbesondere die Anpassung des Gleichgewichtssystems im Innenohr dieses Reptils führte zu einer verbesserten Schwimmfähigkeit.
Im Vergleich zu Walen, die sich ohne längeres halb-aquatisches Stadium schnell an das Leben im Wasser anpassten, ist dies ein auffallend anderer Evolutionspfad für denselben Übergang. Diese neuen Erkenntnisse eines internationalen Forschungsteams sind durch den Einsatz eines Canon Hightech-Computertomographen (CT) des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) möglich geworden. Die Forschungsergebnisse sind in den „Proceedings of the National Acadamy of Sciences of the USA“ veröffentlicht.
Thalattosuchia-Arten existierten während des Mesozoikums vor etwa 182 bis 125 Millionen Jahren und entwickelten sich von ihren landlebenden Vorfahren zu schnell schwimmenden Raubtieren. Unter der Leitung von Wissenschaftler*innen der School of Geosciences der Universität Edinburgh untersuchte ein internationales Forschungsteam, welche evolutionären Veränderungen diese Krokodilverwandten bei ihrem Übergang vom Land ins Meer entwickelten. Dabei konzentrierte sich das Team auf eines der wichtigsten Gleichgewichtsorgane der Wirbeltiere – das Innenohr. Mithilfe hochauflösender Computertomographie (CT) wurden die Schädel von 18 Thalattosuchia aus dem Zeitraum spätes Trias bis frühe Kreidezeit gescannt, um einen Großteil der Evolutionsgeschichte der Krokodilverwandten (Crocodylomorpha) abzubilden. Die CT-Scans wurden mit den Scans von modernen Krokodilen verglichen. Ein Teil der CT-Scans wurde am Leibniz-IZW in Berlin durchgeführt. Die Röntgen-Scans offenbaren detaillierte Veränderungen im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs, insbesondere im knöchernen Labyrinth, welches eine entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung von Gleichgewicht und der räumlichen Orientierung spielt. „Thalattosuchia-Arten entwickelten bei ihrem Übergang vom Land zum Meer ein auffallend kompaktes, reduziertes und verdicktes knöchernes Labyrinth, welches an verkleinerte Labyrinthe anderer mariner Reptilien und solcher von Walen erinnert“, erklärt Guido Fritsch, Wissenschaftler und CT-Experte am Leibniz-IZW. „Ausgestorbene landlebende Krokodile hatten dagegen ein längeres und schmaleres Innenohrlabyrinth. Die Labyrinthe von halb-aquatischen Krokodilen, zu denen auch moderne Krokodile zählen, sind länger und kompakter als jene ihrer an Land lebenden Verwandten.“ Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Morphologie des Innenohrs eng mit dem Lebensraum der Tiere zusammenhängt.
Interessanterweise reduzierten die Thalattosuchia-Arten das knöcherne Labyrinth im Innenohr erst nach einer langen halb-aquatischen Phase, die mehrere zehn Millionen Jahre dauerte. Während dieser Phase veränderte sich zuerst ihr Skelett - Gliedmaße wurden zu Flossen, der Körper nahm eine stromlinienförmige Gestalt an. Dies erlaubte ihnen, sich im Wasser zu bewegen und verbesserte ihr Schwimmvermögen. Erst danach entwickelten sich die Veränderungen im Innenohr, womöglich als Reaktion auf veränderte sensorische Anforderungen, da die Thalattosuchia in tiefere, offene Gewässer vorstießen. Diese Anpassung unterscheidet sie von Walen, bei denen das Innenohrlabyrinth schon bald nach deren Übergang vom Land ins Wasser stark reduziert wurde, ohne dass es eine lange semi-aquatische Zwischenphase gab. Thalattosuchia und Wale nahmen somit unterschiedliche Entwicklungswege für dieselbe Art von Übergang.
Zukünftige Untersuchungen sollen aufdecken, welche Vorteile ein verkleinertes Innenohrlabyrinth bei einer aquatischen Lebensweise bietet, wie schnell die Thalattosuchia die Veränderungen im Innenohr beim Übergang vom Land ins Wasser entwickelten und wie sich andere Sinnesorgane während dieser Zeit veränderten.
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Str. 17, 10315 Berlin
Prof. Thomas B. Hildebrandt
Leiter der Abteilung für Reproduktionsmanagement
Tel. +49 (0)30 5168440
E-Mail hildebrandt@izw-berlin.de
Guido Fritsch
Abteilung für Reproduktionsmanagement
Tel. +49 (0)30 5168434
E-Mail fritsch@izw-berlin.de
Inner ear sensory system changes as extinct crocodylomorphs transitioned from land to water
Julia A. Schwab, Mark T. Young, James M. Neenan, Stig A. Walsh, Lawrence M. Witmer, Yanina Herrera, Ronan Allain, Christopher A. Brochu, Jonah N. Choiniere, James M. Clark, Kathleen N. Dollman, Steve Etches, Guido Fritsch, Paul M. Gignac, Alexander Ruebenstahl, Sven Sachs, Alan H. Turner, Patrick Vignaud, Eric W. Wilberg, Xing Xu, Lindsay E. Zanno, Stephen L. Brusatte
Proceedings of the National Academy of Sciences May 2020, 117 (19) 10422-10428; DOI: 10.1073/pnas.2002146117
https://www.pnas.org/content/117/19/10422.short
3-D-Rekonstruktion des Thalattosuchian
G. Fritsch/Leibniz-IZW
G. Fritsch/Leibniz-IZW
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students
Biology, Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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