Statement von Sozialpsychologin PD Dr. Simone Dohle über gute Vorsätze, effektive Selbstkontrolle und den achtsamen Umgang mit dem tierischen Produkt:
Angesicht der aktuellen Berichte über Massentierhaltung und den menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen für Arbeitskräfte in Schlachtbetrieben hinterfragen immer mehr Menschen ihren Fleischkonsum. Doch wieso fällt es vielen Menschen so schwer, auf Fleisch zu verzichten?
Fleischkonsum wird in erster Linie von Gewohnheiten bestimmt, und diese Gewohnheiten sind in einen individuellen, sozialen und kulturellen Kontext eingebettet. Im Nachkriegsdeutschland war Fleisch ein Luxusprodukt, und in vielen Familien war es üblich, dass das größte Stück Fleisch männlichen Familienmitgliedern vorbehalten war. Fleisch war damit auch ein Symbol der Machtverhältnisse innerhalb von Familienstrukturen. Zudem war es so, dass große Fleischportionen nur am Sonntag auf den Tisch kamen und damit etwas Besonderes darstellten. Seit dieser Zeit ist der Fleischkonsum immer weiter gestiegen und befindet sich seit einigen Jahren auf einem konstant hohen Niveau, auch aufgrund sinkender Preise und einer größeren Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten.
Dabei ist es auch aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll, den Fleischkonsum zu reduzieren. Fleisch ist eine mögliche Proteinquelle, und in Zeiten von „low carb“ und „high protein“-Produkten kann schnell der Eindruck entstehen, man müsse besonders auf die Proteinzufuhr achten. Die meisten Menschen überschätzen aber Ihren Proteinbedarf, und in den westlichen Industrienationen liegt die durchschnittliche Proteinzufuhr deutlich über den Verzehrsempfehlungen – oft ist sie doppelt so hoch. Zahlreiche epidemiologischen Studien zeigen jedoch, dass der Verzehr von Fleisch, insbesondere von rotem Fleisch, mit einem erhöhten Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Krebsarten assoziiert ist.
Für die meisten Menschen ist Fleischkonsum jedoch emotional positiv verknüpft – man denkt an das Zusammensein mit Familien und Freunden, an besondere festliche Momente, ans Grillen im Sommer. Daher finden es viele abschreckend, ganz auf Fleisch zu verzichten. Dabei kann ein achtsamer Umgang mit Fleisch auch bedeuten, dass man versucht, den Konsum zu reduzieren. Fleischverzicht ist damit keine Alles-oder-Nichts Entscheidung, sondern ein Prozess.
Doch selbst wenn man sich vornimmt, den Fleischkonsum zu reduzieren, bleibt es häufig nur bei „guten Vorsätzen“. Wie bei vielen anderen Verhaltensänderungen auch, stellt es häufig ein Problem dar, dass man meistens nicht spezifisch genug plant, wie die Verhaltensänderung konkret aussehen soll. Liegt dann das Steak einmal auf dem Teller, ist es meistens zu spät, die guten Vorsätze in die Tat umzusetzen. Aus der Selbstkontrollforschung weiß man, dass eine effektive Selbstkontrolle vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass man vorausschauend agiert. Das heißt, Fleischverzicht beginnt bereits beim Einkaufen und der Planung von Mahlzeiten. Darüber hinaus kann es helfen, dass man sich spezifische Ziele setzt (z.B. „nicht mehr als 2 Portionen Fleisch pro Woche“). Dann sollte man dokumentieren, wie häufig man tatsächlich Fleisch konsumiert – dann erkennt man auch, wann man das Ziel nicht erreicht und in welchen Situationen es besonders schwierig ist, dieses Ziel zu erreichen. Hat man diese Situationen erkannt, hilft es häufig, sich einen „Wenn-Dann-Plan“ zu überlegen. Dieser ist durch eine besondere Struktur gekennzeichnet: „Wenn X eintritt, dann tue ich Y“. Ein Wenn-Dann-Plan zum Fleischkonsum könnte also z.B. folgendermaßen lauten: „Wenn wir das nächste Mal bei uns zu Hause grillen, werde ich statt eines normalen Steaks ein vegetarisches Steak für mich grillen.“ Wichtig ist jedoch, dass alle Ziele und Pläne auf individuelle Präferenzen und auf die Umstände abgestimmt sind.
Verzicht auf Fleisch bedeutet meistens auch, dass man sich mit alternativen Rezepten und Zubereitungsmöglichkeiten auseinandersetzt. Doch nicht jeder mag den Geschmack von Tofu oder Vegischnitzeln. Forschung zeigt jedoch auch, dass eine aktive Involvierung bei der Essenzubereitung dazu führt, dass Lebensmittel mehr gemocht werden. Daher lohnt es sich, öfters mal „über den Tellerrand“ zu schauen, und selbst auszuprobieren, welche alternativen Proteinquellen den eigenen Speiseplan bereichern könnten.
Über Dr. Simone Dohle:
Privatdozentin Dr. Simone Dohle ist Akademische Rätin am Department Psychologie der Universität zu Köln. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Selbstregulation und Verhaltensänderungen in gesundheitlichen Kontexten.
Inhaltlicher Kontakt:
PD Dr. Simone Dohle
Angewandte Sozialpsychologie und Entscheidungsforschung
+49 221 470-6784
simone.dohle@uni-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Frieda Berg
+49 221 470-1704
f.berg@verw.uni-koeln.de
Criteria of this press release:
Journalists
Psychology
transregional, national
Research results
German
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