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09/22/2021 08:59

Kirchenumbau: Stärker soziale Aspekte im Blick - Symposium befasst sich mit Perspektiven für ungenutzte Gotteshäuser

Susann Huster Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Wie können Kirchen, in denen kein regelmäßiger Gottesdienst mehr stattfindet, für das Gemeinwesen genutzt werden? Mit dieser Frage befasst sich das Symposium "Diakonische Kirchen(um)nutzung" am 27. und 28. September in Leipzig. Die vom Lehrstuhl für Praktische Theologie der Universität Leipzig organisierte Tagung führt Expert:innen aus Theologie, Geschichte, Architektur, Diakonie- und Religionswissenschaft und anderen Bereichen zusammen, um im interdisziplinären Gespräch neue Perspektiven der Kirchen(um)nutzung für diakonische und gemeinwesenorientierte Zwecke zu erschließen.

    Im Interview sprechen die Organisatoren der Tagung, Prof. Dr. Alexander Deeg und Dr. Kerstin Menzel von der Universität Leipzig über Schwerpunkte und Anliegen des Symposiums.

    Wie viele Kirchen in Deutschland könnten diakonisch genutzt werden und in welchem Zustand sind sie?

    Deeg: Sowohl in der evangelischen, als auch in der katholischen Kirche hat der Rückgang der Kirchenmitglieder dafür gesorgt, dass etliche Kirchen wenig genutzt werden. Wie viele das wirklich sind, wird ganz unterschiedlich eingeschätzt. Manche Gemeinden entschließen sich dann zum Verkauf, andere versuchen, wenigstens eine grundlegende Erhaltung zu leisten. In Ostdeutschland betrifft das vor allem viele mittelalterliche Dorfkirchen, aber auch manche in Städten. Im Westen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich mehr neue Kirchengebäude gebaut, von denen viele heute zur Disposition stehen, weil sie jetzt eine größere Sanierung bräuchten.

    Menzel: Seit langem gibt es Diskussionen, wie leerstehende Kirchengebäude besser genutzt werden können. Eine quantitative Erhebung von Umnutzungen wird gerade in einem Forschungsprojekt in Bochum abgeschlossen, da liegen demnächst konkrete Zahlen vor. Unser Eindruck aus dem Raum Aachen und dem Raum Leipzig, wo wir seit anderthalb Jahren forschen, ist: Nutzungen in Kooperation mit diakonischen und sozialen Trägern kommen gerade erst in den Blick.

    Was genau bedeutet diakonische Nutzung – für medizinische oder Senioreneinrichtungen, eine komplette oder nur teilweise Umnutzung?

    Menzel: Die Nutzungsveränderungen, die wir in den Blick nehmen wollen, sind ganz unterschiedlich. Zum einen sind es Kirchengebäude, die neu zu einer Art Stadtteil- oder Dorfzentrum werden sollen und wo die künftige Nutzung gemeinsam von Kirchengemeinde, der Kommune, zivilgesellschaftlichen Gruppen oder sozialen Trägern unter dem Dach der Diakonie und darüber hinaus entwickelt werden soll. Ein Beispiel dafür, das wir diskutieren werden, ist die Martinskirche in Apolda, die zu einem soziokulturellen Zentrum ausgebaut werden soll. Neben einem abgetrennten Gottesdienstraum im vorderen Bereich sollen im Hauptschiff Räume für Gemeindeaktivitäten, Angebote für Menschen mit Beeinträchtigung und Kulturangebote entstehen. Ein zweites, ganz anderes Beispiel ist die Philippus-Kirche in Leipzig. Diese wurde von der Landeskirche mit dem angrenzenden Pfarrhaus an das Berufs-Bildungs-Werk Leipzig verkauft, das dort ein Inklusionshotel eingerichtet hat. Der Kirchenraum wird jetzt für Veranstaltungen, Konzerte und Feste genutzt, aber weiterhin auch für Gottesdienste. Ganz bewusst findet unsere Tagung in diesem Haus statt. Weitere Projekte umfassen intergenerationelles Wohnen oder Kindertagesstätten.

    Kirchen wurden bislang eher für kommerzielle oder kulturelle als für diakonische Zwecke umgenutzt. Woran liegt das?

    Deeg: Die Diakonie, das helfende Handeln der Kirche, hat sich seit dem 19. Jahrhundert stärker ausdifferenziert und professionalisiert. Heute wird die Trennung von Gemeinde und diakonischen Einrichtungen oft bedauert und besonders im Blick auf die gemeinsame Orientierung am Sozialraum neu zu verknüpfen gesucht. Die Zusammenarbeit mit diakonischen Akteuren bietet unseres Erachtens einen interessanten Zwischenbereich zwischen dem Verkauf an private oder kommerzielle Nachnutzer:innen und der Vermietung an kulturelle Akteure. Letzteres liegt Gemeinden oft schnell nahe, weil sie ja zumeist selbst schon in diesem Bereich aktiv sind und es wenig Umbaubedarf gibt.

    Um welche konkreten Schwerpunkte dazu geht es im Symposium?

    Menzel: Einerseits wollen wir auf unserer Tagung die diakonischen Aspekte von Kirchenraumnutzung nachzeichnen, die es schon immer gab: Kirchenräume in diakonischen Institutionen, Stadtkirchen als Orte für die Bedürftigen im Mittelalter und heute, das Konzept des Gemeindezentrums aus den 1960er Jahren, das soziale Aspekte als Grundstruktur hat, und Dorfkirchen als soziale und inklusive Orte. Zum anderen wollen wir konkrete Projekte in den Blick nehmen, in denen diakonische Akteure beteiligt sind oder die auf das Gemeinwesen hin entwickelt werden. Besonders interessiert uns, was mit den Räumen passiert. Wie wird umgebaut? In welchem Verhältnis stehen ehemaliger oder bleibender Sakralraum und die neue Nutzung? Wie sind Zugänge und Vernetzungen in den umgebenden Raum?

    Wer trägt in der Regel die Kosten für die Umnutzung?

    Menzel: Auch das ist ganz unterschiedlich. Für soziale Nutzungen bieten sich jedoch neben eigenen Investitionen von Kirche und Diakonie oft gute Fördermöglichkeiten durch öffentliche Gelder. Wer solche Projekte finanziert und wer am Ende profitiert, wird auch Thema eines Vortrags aus immobilienwirtschaftlicher Perspektive sein.

    Hinweis:

    Prof. Dr. Alexander Deeg und Dr. Kerstin Menzel gehören zu den mehr als 150 Experten der Universität Leipzig, auf deren Fachwissen Sie mithilfe unseres Expertendienstes zurückgreifen können.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Alexander Deeg
    Theologische Fakultät/Institut für Praktische Theologie
    Telefon: +49 341 97-35460
    E-Mail: alexander.deeg@uni-leipzig.de


    Dr. Kerstin Menzel
    Theologische Fakultät der Universität Leipzig
    Telefon: +49 341 9735468
    E-Mail: kerstin.menzel@uni-leipzig.de


    More information:

    https://www.theol.uni-leipzig.de/fakultaet/newsportal/newsdetail/artikel/schutzr...
    https://expertendienst.uni-leipzig.de/


    Images

    Tagungsort Philippuskirche Leipzig mit Turm und Aufzug des Integrationshotels.
    Tagungsort Philippuskirche Leipzig mit Turm und Aufzug des Integrationshotels.
    Foto: Dr. Kerstin Menzel


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
    Construction / architecture, Economics / business administration, Religion, Social studies
    transregional, national
    Cooperation agreements, Scientific conferences
    German


     

    Tagungsort Philippuskirche Leipzig mit Turm und Aufzug des Integrationshotels.


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