Mit den neuen Forschungsergebnissen müssen bestehende evolutionspsychologische Konzepte vielleicht überdacht werden
Psycholog*innen und Biolog*innen rund um Christina Krumpholz und Helmut Leder von der Universität Wien untersuchten, ob die Stimmhöhe beeinflussen kann, wie weibliche Gesichter bewertet werden. Ihr Fazit: Eine höhere Frauenstimme beeinflusst tatsächlich, wie das dazugehörige Gesicht bewertet wird. Allerdings nur in bestimmten Fällen. Denn die Gesichter mit höherer Stimme wurden zwar als jünger eingeschätzt, andere Vermutungen, dass die Gesichter auch als attraktiver, weiblicher oder gesünder eingeschätzt werden, treffen aber laut der Studie nicht zu. Die Stimmhöhe hat also nur bei bestimmten sozialen Bewertungen einen Einfluss. Die Studie erschien aktuell in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychology.
In der Vergangenheit lag der Fokus der Attraktivitätsforschung vor allem beim visuellen Sinn – welche Gesichter werden bevorzugt und warum? Nach und nach wurden auch andere Eigenschaften wie die Stimme oder der Geruch in die Forschung miteinbezogen. Es kristallisierte sich heraus, dass auch die Stimme Informationen über wichtige Qualitäten der Person vermitteln kann. Zum Beispiel wurde in früheren Experimenten eine höhere Stimme bei Frauen als attraktiver, jünger, weiblicher und gesünder eingeschätzt – alles Qualitäten, die bei möglichen Partner*innen aus evolutionärer Sicht bevorzugt werden. Doch wie wichtig ist eigentlich die Kombination aus diesen verschiedenen Eigenschaften, zumal ja im Alltag Gesicht und Stimme fest verbunden sind?
In einer neuen Studie baten die Doktorandin Christina Krumpholz, Professor Helmut Leder und ihre Kolleg*innen die Teilnehmer*innen Videos von weiblichen Gesichtern nach Attraktivität, Alter, Weiblichkeit und Gesundheit zu bewerten. Die Stimmhöhe wurde dabei verändert, sodass die Teilnehmer*innen die gleichen Videos zweimal sahen, aber einmal mit etwas höherer Stimme. Ziel war zu untersuchen, ob diese subtilen Unterschiede in der Stimme ignoriert werden können oder ob sie das Urteil unweigerlich beeinflussen.
Es zeigte sich, dass eine höhere Stimme dazu führt, dass Gesichter im Schnitt um ein halbes Jahr jünger eingeschätzt werden. „Hier scheint die Stimme also eine wichtige Rolle zu spielen, die wir bei der Bewertung von Gesichtern nicht ignorieren können“, erklärt Christina Krumpholz. Anders verhält es sich mit der Bewertung von Attraktivität, Weiblichkeit und Gesundheit. Hier scheint das Gesicht die entscheidenden Informationen zu liefern, weshalb die Stimme ignoriert werden kann und diese die Bewertungen des Gesichts nicht maßgeblich beeinflusst.
Überraschende Ergebnisse
Dass die Audioaufnahmen höherer Frauenstimmen nicht als attraktiver bewertet wurden als tiefere Stimmen, war für die Forscher*innen überraschend. „Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass wir bestehende evolutionspsychologische Konzepte vielleicht überdenken müssen, und mehr Raum für individuelle Vorlieben und Unterschiede geben müssen“, äußert sich Christina Krumpholz zu der Interpretation der Ergebnisse. Das Forscher*innenteam wird weiter untersuchen, welche Rolle verschiedene Sinne und ihre Eigenschaften für unsere Wahrnehmung von Attraktivität spielen.
Christina Krumpholz
Institut für Psychologie der Kognition, Emotion und Methoden
Fakultät für Psychologie, Universität Wien
Liebiggasse 5, 1010 Wien
christina.krumpholz@univie.ac.at
Krumpholz, C., Quigley, C., Ameen, K., Reuter, C., Fusani, L., & Leder, H. (2022). The effects of pitch manipulation on male ratings of female speakers and their voices. Frontiers in Psychology, 13, 911854.
DOI: 10.3389/fpsyg.2022.911854
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2022.911854/full
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Psychology
transregional, national
Research results, Transfer of Science or Research
German
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