Nicht-vaskuläre Moose leben in Kolonien, die den Boden bedecken und winzigen Wäldern ähneln. In einem echten Wald konkurrieren die Pflanzen in verschiedenen Schichten des Kronendachs um Licht. Wenn eine Pflanze nicht genügend Sonnenlicht empfängt, stellt sie die seitliche Verzweigung ein und wächst stattdessen in die Höhe. Forschende des Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entdeckten, dass das Lebermoos, dessen Pflanzenkörper sich grundlegend von dem vaskulärer Pflanzen unterscheidet, seine Architektur ebenfalls an die Lichtverhältnisse anpasst. Die Ergebnisse wurden in Current Biology veröffentlicht.
Wälder bestehen aus einem mehrschichtigen Kronendach, in dem Bäume und andere Pflanzen um Licht konkurrieren. Unzureichendes Sonnenlicht veranlasst die Pflanzen, ihre Verzweigungsmuster anzupassen, um vertikales Wachstum zu fördern. Pflanzen nehmen den Unterschied zwischen direktem Sonnenlicht und Schatten mit Hilfe von Phytochrom Fotorezeptoren wahr, die im gesamten Pflanzenreich vorhanden sind, von Algen über Moose bis hin zu Blütenpflanzen.
"Wir wissen seit langem, dass Phytochrome Gefäßpflanzen dazu veranlassen, ihr seitliches Wachstum einzustellen und stattdessen vertikal zu wachsen, um einen schattenspendenden Nachbarn zu umgehen oder ihm zu entwachsen", sagt die Erstautorin Susanna Streubel, eine ehemalige Post-Doktorandin in der Dolan-Gruppe am GMI. Neue Zweige entlang des Stammes werden von den Seitenmeristemen, den Bildungsgeweben der Pflanzenstammzellen, die das Seitenwachstum begünstigen, gebildet. "Diese Reaktion auf Schatten erfordert, dass die Aktivität der seitlichen Meristeme eingestellt wird".
Lebermoose reduzieren die Verzweigung im Schatten
Die ForscherInnen stellten die Hypothese auf, dass Lebermoose, die nicht zu den Gefäßpflanzen gehören und vermutlich den frühesten Landpflanzen ähneln, ebenfalls über einen Mechanismus verfügen, um ihr Verzweigungsmuster an wechselnde Lichtverhältnisse anzupassen. Wie Gefäßpflanzen haben sie Meristeme und sind zur Verzweigung fähig. Im Gegensatz zu den Gefäßpflanzen, die sich unterhalb der Spitze oder des Scheitelpunkts seitlich verzweigen, verzweigen sich die Moose jedoch nur am Scheitelpunkt in einem Mechanismus, der dichotome Verzweigung genannt wird.
Die ForscherInnen untersuchten die Phänotypen der Lebermoose und stellten fest, dass sich der flache Lebermooskörper, auch Thallus genannt, bei vollem Weißlicht regelmäßig verzweigte. "Im simulierten Schatten hingegen wurden viele Lebermoos-Meristeme entlang der Hauptwachstumsachse inaktiv und bildeten keine Verzweigungen. Der Thallus zeigte also Merkmale der Schattenvermeidung", sagt Streubel. Da Lebermoose auch Phytochrome verwenden, analysierten die ForscherInnen Mutationen, die Phytochrome und Phytochrom-assoziierte Gene betreffen. Sie konnten nachweisen, dass der Phytochrom-Signalweg ähnlich wie bei den Gefäßpflanzen auch bei den Lebermoosen die Schattenvermeidung steuert.
Unabhängige Evolution der molekularen Regulierung?
Dolan und sein Team suchten nach weiteren genetischen Regulatoren dichotomer Verzweigung und der Meristemaktivität in M. polymorpha. Durch die Untersuchung von Genexpressionsmustern in vollem Weißlicht und im Schatten entdeckten sie, dass ein Transkriptionsfaktor namens MpSPL1 und eine lebermoosspezifische microRNA (miRNA) antagonistische Wirkungen auf die Meristemaktivität haben: MpSPL1 ist unerlässlich, um Meristeme in Dormanz zu versetzen, während die lebermoosspezifische miRNA die Meristemaktivität fördert. Diese Ergebnisse stehen teilweise im Gegensatz zu dem bekannten molekularen Mechanismus der lichtgesteuerten Seitenverzweigung in Arabidopsis thaliana, dem am besten untersuchten Modell der Gefäßpflanzen. Obwohl die Gene, die die lichtgesteuerte Verzweigung in Arabidopsis kontrollieren, ebenfalls zur SPL-Familie gehören und durch miRNAs reguliert werden, sind sie evolutionär weit von denen entfernt, die jetzt im Lebermoos identifiziert wurden.
Aufgrund dieser Ergebnisse spekuliert das Team, dass sich die molekularen Mechanismen, die die Verzweigung regulieren, unabhängig voneinander in Lebermoosen und Gefäßpflanzen entwickelt haben könnten. "Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass ein teilweise konservierter Mechanismus von Phytochrom-regulierter miRNA- und SPL-Genaktivität die Verzweigung in völlig unterschiedlichen Familien von Landpflanzen mit grundlegend unterschiedlichen Verzweigungsarten steuert", sagt der GMI-Gruppenleiter Liam Dolan, der korrespondierende Autor der Studie.
Originalveröffentlichung:
Streubel S., et al. "Meristem dormancy in Marchantia polymorpha is regulated by a liverwort-specific miRNA and a clade III SPL gene". Current Biology, 2023. DOI: 10.1016/j.cub.2022.12.062
Über das GMI:
Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) betreibt Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie. Das Institut gehört zur Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und wird von dieser finanziert. Die Forschungsthemen umfassen grundlegende Mechanismen der Epigenetik, Zellbiologie, Interaktionen zwischen Pflanzen und Krankheitserregern, Entwicklungsbiologie und Populationsgenetik. Das GMI befindet sich am Vienna BioCenter, einem der führenden Life-Science-Standorte in Europa.
https://bit.ly/Bryophyten Link zum Presseaussendungstext auf der GMI-Webseite
Marchantia polymorpha reduziert die Verzweigung im Schatten
Susanna Streubel
© Dolan Lab / Current Biology / GMI
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
Biology, Chemistry, Environment / ecology
transregional, national
Scientific Publications
German
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