idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
04/04/2023 10:04

Müde vom Alleinsein: Wie sich soziale Isolation auf unser Energieniveau auswirkt

Alexandra Frey Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Acht Stunden ohne soziale Kontakte können zu einem ähnlichen Energieabfall führen wie acht Stunden ohne Essen

    In einer Studie, die sowohl im Labor als auch während der COVID-19-Lockdowns durchgeführt wurde, berichteten Testpersonen nach acht Stunden sozialer Isolation über ein höheres Maß an Müdigkeit. Die Ergebnisse legen nahe, dass niedrige Energie eine grundlegende menschliche Reaktion auf einen Mangel an sozialen Kontakten sein könnte. Die an der Universität Wien durchgeführte und in Psychological Science veröffentlichte Studie zeigte auch, dass diese Reaktion von den sozialen Persönlichkeitsmerkmalen der Testpersonen beeinflusst wird.

    Wenn wir über einen längeren Zeitraum nichts essen, laufen eine Reihe biologischer Prozesse ab, die ein Verlangen hervorrufen, das wir als Hunger empfinden. Als soziale Spezies sind wir aber auch auf andere Menschen angewiesen, um zu überleben. Es ist erwiesen, dass ein Mangel an sozialen Kontakten ein dem Hunger vergleichbares Verlangen in unserem Gehirn auslöst, das uns motiviert, wieder Kontakte zu knüpfen. Die damit verbundene Hypothese der "sozialen Homöostase" besagt, dass es ein spezielles homöostatisches System gibt, das unser Bedürfnis nach sozialen Kontakten autonom („selbständig“) reguliert. Über die psychologischen Reaktionen auf soziale Isolation ist allerdings nur wenig bekannt. Außerdem ist unklar, wie sich diese Erkenntnisse auf die soziale Isolation übertragen lassen, die wir in unserem täglichen Leben erleben, einschließlich des einzigartigen Kontextes der COVID-19-Lockdowns.

    Eine Gruppe von Wissenschafter*innen unter der Leitung von Giorgia Silani von der Universität Wien untersuchte die Auswirkungen sozialer Isolation unter Anwendung vergleichbarer Methoden in zwei Kontexten: im Labor und zu Hause während des COVID-19-Lockdowns. Für die Studie kamen 30 weibliche Versuchsteilnehmerinnen an drei verschiedenen Tagen ins Labor und verbrachten acht Stunden ohne sozialen Kontakt oder ohne Essen oder mit sozialem Kontakt und Essen. Im Laufe des Tages gaben sie mehrmals ihr selbst wahrgenommenes Stressniveau, ihre Stimmung und ihre Müdigkeit an, während physiologische Stressreaktionen, wie Herzfrequenz und Cortisol, von den Wissenschafter*innen aufgezeichnet wurden. Um die Ergebnisse der Laborstudie validieren zu können, wurden diese mit Messwerten einer Studie verglichen, die während des Lockdowns in Österreich und Italien im Frühjahr 2020 durchgeführt wurde. Aus dieser wurden Daten von 87 Teilnehmer*innen verwendet, die mindestens einen achtstündigen Zeitraum in Isolation verbracht hatten und bei denen die Auswirkungen auf Stress und Verhalten mit denselben Messwerten über sieben Tage lang mehrmals täglich erhoben wurden.

    "In der Laborstudie fanden wir auffallende Ähnlichkeiten zwischen sozialer Isolation und Nahrungsentzug. Beide Zustände führten zu verminderter Energie und erhöhter Müdigkeit, was überraschend ist, wenn man bedenkt, dass wir durch Nahrungsentzug buchstäblich an Energie verlieren, während dies bei sozialer Isolation nicht der Fall ist", so die Erstautor*innen Ana Stijovic und Paul Forbes. Dieses Ergebnis wird auch durch den Vergleich mit den Daten aus den Lockdowns untermauert: Teilnehmer*innen, die während der Lockdowns allein lebten und im Allgemeinen geselliger waren, berichteten ebenfalls über eine geringere Energie – und zwar an Tagen, an denen sie sozial isoliert waren, im Vergleich zu Tagen, an denen sie soziale Kontakte hatten.

    Die Autor*innen vermuten, dass die geringere Energie ein Teil unserer homöostatischen Reaktion auf den Mangel an sozialen Kontakten und ein möglicher Vorläufer einiger schädlicherer Auswirkungen der langfristigen sozialen Isolation sein könnte. "Es ist bekannt, dass langfristige Einsamkeit und Müdigkeit zusammenhängen, aber wir wissen wenig über die unmittelbaren Mechanismen, die diesem Zusammenhang zugrunde liegen. Die Tatsache, dass wir diesen Effekt schon nach einer kurzen Zeit der sozialen Isolation beobachten, lässt vermuten, dass niedrige Energie eine 'soziale homöostatische' Anpassungsreaktion sein könnte, die langfristig maladaptiv werden kann", erklärt Silani.

    Die Studie ergab auch, dass Kontext- und Persönlichkeitsfaktoren die Auswirkung sozialer Isolation auf die Müdigkeit modulieren, so dass künftige Studien die Personen identifizieren müssen, die am stärksten von den Auswirkungen sozialer Isolation bedroht sind.

    Schwerpunkt Coronavirus: Wie es unser Leben verändert

    Von neuen familiären Abläufen bis hin zu Logistikketten: Expert*innen der Universität Wien sprechen über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche. In der Rudolphina, dem Forschungsmagazin der Universität Wien.
    https://rudolphina.univie.ac.at/coronavirus-wie-es-unser-leben-veraendert


    Contact for scientific information:

    Assoz. Prof. Giorgia Silani
    Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie, Universität Wien
    1010 Vienna, Liebiggasse 5
    T: +43-1-4277-47223
    giorgia.silani@univie.ac.at

    Ana Stijovic, MSc
    Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie, Universität Wien
    1010 Vienna, Liebiggasse 5
    T: +43-1-4277-47235
    ana.stijovic@univie.ac.at


    Original publication:

    Publikation in Psychological Science:
    Stijovic, A., Forbes, P. A. G., Tomova L., Skoluda, N., Feneberg, A. C., Piperno, G., Pronizius, E., Nater, U. M., Lamm, C., & Silani, G. Homeostatic Regulation of Energetic Arousal During Acute Social Isolation: Evidence From the Lab and the Field. Psychological Science, 2023.
    DOI: 10.1177/09567976231156413
    https://doi.org/10.1177/09567976231156413


    More information:

    https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/a...


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Nutrition / healthcare / nursing, Psychology
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).