Die Zahl der Menschen mit Demenz steigt. Deshalb werden Früherkennung und Diagnostik der altersbedingten Erkrankung immer wichtiger. Forschende des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig, haben in einer repräsentativen Befragung die Einstellung von Personen ab 60 Jahren zu einer Frühdiagnostik für Demenz untersucht: Sie haben dafür Daten aus zwei telefonischen Befragungen ausgewertet und die Ergebnisse verglichen. Dabei stellten sie fest, dass die Befürwortung einer Frühdiagnostik um mehr als zehn Prozent zurückgegangen ist. 68 Prozent der Studienteilnehmer:innen war bewusst, dass das Risiko für Demenz beeinflussbar ist.
Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Plos One“ veröffentlicht. Derzeit leben weltweit etwa 55 Millionen Menschen mit Demenz. Allerdings beinhaltet diese Zahl lediglich diagnostizierte Fälle. Expert:innen gehen davon aus, dass bis zu 75 Prozent aller Erkrankten nicht ärztlich erfasst werden. In Anbetracht der steigenden Zahl von Menschen mit Demenz kommt der Früherkennung große Bedeutung zu. Sie kann Betroffenen und Angehörigen Gewissheit und Informationen über Veränderungen der Gedächtnisleistung geben. Zudem ermöglicht sie eine frühzeitige Planung von weiteren Schritten, etwa die medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapie, oder das Arrangement von Wohnumfeld und Pflegebedarf.
Jüngere aufgeschlossener gegenüber Frühdiagnostik
Insgesamt nahmen an den beiden Studien, die in den Jahren 2011 und 2022 durchgeführt worden sind, bundesweit 879 Befragte teil. Sie waren im Mittel 72,9 Jahre alt, 58,8 Prozent von ihnen waren Frauen. Die Befürwortung von Angeboten zur Frühdiagnostik für Demenz sank von 2011 bis 2022 von 90,7 auf 79,2 Prozent. Der Anteil derer, die angaben, eine Frühdiagnostik selbst nutzen zu wollen, ging von 70,7 auf 60,1 Prozent zurück. „Jüngere Befragte und Personen, die annahmen, dass das individuelle Demenzrisiko beeinflusst werden kann, standen einer Frühdiagnostik positiver gegenüber“, erklärt Dr. Andrea Zülke, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ISAP. „Es gibt neue Ansätze zur medikamentösen Behandlung der frühen Alzheimer-Demenz mit Antikörpern. Diese Medikamente verlangsamen die Erkrankung und greifen erstmals in den Mechanismus ein. Die Hoffnung wird etwas gedämpft - unter anderem aufgrund von Nebenwirkungen. Wenn jedoch diese neuen Medikamente in Deutschland auf den Markt kämen, wird sich das auch auf den Wunsch nach Frühdiagnostik auswirken“, so Institutsdirektorin Prof. Dr. Steffi G. Riedel-Heller.
Die Mehrheit nannte ihren Hausarzt oder ihre Hausärztin als bevorzugte Ansprechperson für das Thema Demenz. Auffällig war ein Rückgang der Personen, die sich an eine Gedächtnisambulanz wenden würden: Der Anteil sank von 13,8 Prozent auf 5 Prozent. „In Deutschland steht mit den Gedächtnisambulanzen ein umfassendes Netzwerk von Einrichtungen zur Verfügung, die auf die Früherkennung von Problemen in der geistigen Leistungsfähigkeit spezialisiert sind. Unsere Studien weisen darauf hin, dass diese bisher nicht im großen Umfang angenommen werden“, betont Prof. Riedel-Heller.
Aufklärungsbedarf bei kardiovaskulären und metabolischen Risikofaktoren
Potenziell beeinflussbare Risiko- beziehungsweise Schutzfaktoren für Demenz sind wissenschaftlich belegt: Während Erkrankungen wie Bluthochdruck, Adipositas oder Diabetes mellitus das Risiko für Demenzen erhöhen, kann ein aktiver Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung, sozialen Kontakten und geistig fordernden Hobbys die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung reduzieren. Die Forschenden untersuchten daher auch, was die Teilnehmer:innen der Studie über Risiko- und Schutzfaktoren für Demenzen wissen.
67,9 Prozent der Befragten nahmen an, dass das Risiko für Demenz beeinflusst werden kann. Am häufigsten wurden mit 87 Prozent die Schutzfaktoren wie körperliche Aktivität und geistig anregende Tätigkeiten richtig erkannt. Aber auch Risikofaktoren wie soziale Isolation oder Depression waren einem Großteil der Befragten bekannt. Dagegen waren Diabetes, Bluthochdruck oder eine koronare Herzerkrankung wenigen als Gefahren für die Erkrankung geläufig. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass viele lebensstilbezogene Risikofaktoren recht gut bekannt sind. Allerdings scheint noch Aufklärungsbedarf bei den kardiovaskulären und metabolischen Risikofaktoren zu bestehen“, sagt Dr. Zülke.
Die Studie wurde durch das Förderprogramm für Nachwuchswissenschaftler:innen der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig finanziell gefördert.
Originalpublikationen in Plos One:
"Short report: A trend analysis of attitudes towards early diagnosis of dementia in Germany", doi.org/10.1371/journal.pone.0272896
Weitere Informationen:
Prof. Dr. med. Steffi G. Riedel-Heller, MPH
Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP)
Telefon: +49 341 97 15408
E-Mail: Steffi.Riedel-Heller@medizin.uni-leipzig.de
Dr. rer. nat. Andrea Zülke
Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP)
Telefon: +49 341 97 15483
E-Mail: Andrea.Zuelke@medizin.uni-leipzig.de
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0272896
Körperliche Aktivität verringert das Risiko, an Demenz zu erkranken.
Foto: Colourbox
Criteria of this press release:
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Medicine
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Research projects, Transfer of Science or Research
German
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