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07/31/2023 13:24

Den Zusammenhang von sexualisierter Gewalt und sexualpädagogischen Vorstellungen wissenschaftlich erforschen

Kathrin Anna Kirstein Kommunikation, Marketing und Veranstaltungsmanagement
Humboldt-Universität zu Berlin

    Erziehungswissenschaftlerinnen legen Konzeption für zukünftige Studien vor

    Wie beeinflussen Vorstellungen über Sexualität und Erziehung die Prävention oder Begünstigung sexualisierter Gewalt im Raum der evangelischen Kirche? Welche historischen Quellen und welche Erzählungen von Betroffenen und Zeitzeug:innen sollten zur Aufklärung herangezogen werden? Wie diese Zusammenhänge wissenschaftlich untersucht werden können, dazu haben die Erziehungswissenschaftlerinnen Prof. Dr. Jeannette Windheuser, Vivian Buchholz und Beatrice Kollinger (Humboldt-Universität zu Berlin) eine Forschungskonzeption ausgearbeitet, die am Montag, dem 31. Juli 2023 am Institut für Erziehungswissenschaften auf Basis der Vorrecherchen der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Außerdem haben die Forscherinnen eine Literatur- und Quellenliste erarbeitet. Das Projekt wurde von Februar bis Juli 2023 mithilfe einer Zuwendung der Evangelischen Kirche in Deutschland in Kooperation mit den vier evangelischen Landeskirchen in Bayern, in Hannover, in Hessen und Nassau sowie im Rheinland realisiert.

    Sexualisierte Gewalt und ihre strukturellen Begünstigungen in den Blick nehmen

    In den letzten Jahren sind die sexualpädagogischen Entwicklungen der 1960er bis 1990er Jahre vermehrt als möglicher begünstigender Faktor für sexualisierte Gewalt diskutiert worden. In diesem Kontext werden häufig prominente Personen wie beispielsweise der Psychologe und Sexualwissenschaftler Helmut Kentler erwähnt. Die Erziehungswissenschaftlerinnen regen mit ihrem Forschungsdesign dazu an, nicht nur Einzelpersonen, sondern vor allem die strukturellen Voraussetzungen sexualisierter Gewalt in ihren Entstehungsbedingungen zu betrachten: „Unsere These ist, dass sexualisierte Gewalttaten einen individuellen, einen strukturellen und einen ideologischen Möglichkeitshorizont brauchen. Es sind sowohl der einzelne Fall und der einzelne Täter als auch die Struktur in den Blick nehmen“, sagt Projektleiterin Jeannette Windheuser, Professorin für Erziehungswissenschaft mit den Schwerpunkten Gender und Diversität. Daher empfehlen die Forscherinnen, die Berichte über subjektive Erfahrungen von Betroffenen und Zeitzeug:innen mit der Untersuchung von historischen Quellen zu verknüpfen. Außerdem müsse für die Evaluation des Zusammenhangs von Sexualitätsvorstellungen und Generationenverhältnis das gesamte Spektrum von vermeintlich liberalen und konservativen bis hin zu sexualitätsfeindlichen Positionen untersucht werden.

    Empfehlung zur Auswertung der Archivalien

    „Wir konnten im Rahmen der Archivrecherche in den vier evangelischen Landeskirchen Quellen ausmachen, bei denen es sich lohnen würde, diese bezüglich sexualpädagogischer Vorstellungen systematisch zu untersuchen“ erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Vivian Buchholz. Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich aus den Archivmaterialien mehrere relevante Themenstränge ableiten. Dazu gehören beispielsweise das Verständnis von Kindheit, Generation und Familie, der Kontakt zwischen Staat und Kirche im Rahmen von Aushandlungen über schulische Sexualerziehung und Religionspädagogik, die außerschulische Jugendarbeit, der Beitrag evangelischer Institutionen zur pädagogischen Ausbildung (nicht nur theologischen) Personals sowie Vorstellungen über Homosexualität und die Aktivität der Homosexuellenbewegung im evangelischen Kontext.

    Betroffene „traumasensibel“ einbinden

    Die vorgelegte Konzeption zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine trauamsensible Einbindung der Betroffenen vorsieht. „Betroffene sind in ihrem subjektiven Erleben und als Expert:innen ihrer Erfahrung ernst zu nehmen“, betont die beratend am Projekt beteiligte wissenschaftliche Mitarbeiterin und traumazentrierte Fachberaterin/Traumapädagogin Beatrice Kollinger.

    Unabhängige Forschung als Grundlage für Aufarbeitungsprozesse fördern

    Zudem widmet sich das Projekt dem Verhältnis von Wissenschaft und Aufarbeitung: „Für Betroffene und aufarbeitende Institutionen ist es wichtig, dass Wissenschaft über den Sachverhalt aufklärt und dies unabhängig geschieht“, betont Projektleiterin Jeannette Windheuser. „Mit dem Free-Access-Format und dem modellhaften Charakter der Konzeption wollen wir die Möglichkeit der unabhängigen Forschung als Grundlage für Aufarbeitungsprozesse fördern.“ Gleichzeitig sieht sie die Institutionen, die Aufarbeitung zu leisten haben, in der Pflicht, Verantwortung zu über-nehmen und die entstehenden Kosten zu tragen.

    Weitere Informationen

    Link zur Free-Access-Publikation: „Konzeption und Quellen- und Literaturliste zur Erforschung der Bedeutung sexualpädagogischer Vorstellungen für die strukturelle Begünstigung sexualisierter Gewalt im Raum der evangelischen Kirche“: https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/27741

    Kontakt

    Pressestelle der Humboldt-Universität zu Berlin
    Abteilung Kommunikation, Marketing und Veranstaltungsmanagement (VIII)

    E-Mail: pr@hu-berlin.de


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Psychology, Social studies
    transregional, national
    Research projects, Transfer of Science or Research
    German


     

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