Nina Hanning erhält 1,5 Millionen Euro EU-Fördermittel für das Projekt „Free-View – Neuro-cognitive processes underlying gaze control and perception across free-viewing eye movements“
Berlin, den 5. September 2024. Dr. Nina Hanning, Neurokognitionsforscherin am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und am Exzellenzcluster „Science of Intelligence” Berlin, erhält einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) für ihr Forschungsprojekt „Free-View – Neuro-cognitive processes underlying gaze control and perception across free-viewing eye movements“. Zusammen mit ihrer Arbeitsgruppe wird sie untersuchen, wie wir unsere Umgebung durch Blickbewegungen wahrnehmen. Dafür kombiniert sie hochpräzise Methoden der klassischen Sehforschung mit neuen, flexiblen computergestützten Ansätzen.
Die Mechanismen hinter unserem klaren Blick
Unser Blick ruht nie wirklich. Unsere Augen bewegen sich ständig – häufiger als unser Herz schlägt –, um unsere Umgebung zu erkunden und Informationen zu sammeln. Zwischen den kurzen Momenten des Fixierens führen sie ruckartige Bewegungen aus, sogenannte Sakkaden, die den visuellen Input drastisch verändern. Jede Sakkade verschiebt die gesamte Szene mit hoher Geschwindigkeit auf unserer Netzhaut. Trotzdem nehmen wir die Welt um uns herum als stabil und zusammenhängend wahr. Wie funktioniert das?
Die Untersuchung der zugrundeliegenden neurokognitiven Mechanismen ist komplex, denn dafür ist eine millisekundengenaue Messung erforderlich, die an die jeweilige Blickbewegung angepasst werden muss. Bisherige Studien zu diesem Thema konzentrieren sich deshalb auf isolierte Augenbewegungen, bei denen die Versuchsperson auf ein Signal hin von einem vorgegebenen Ort aus zu einem markierten Ziel blickt. Dieser traditionelle Ansatz ermöglicht zwar sehr genaue Messungen, der Versuchsaufbau ist mit unserem dynamischen, natürlichen Blickverhalten jedoch kaum vergleichbar. Im Alltag wählen wir unseren Blickrhythmus und die Ziele unserer Blickbewegungen frei, basierend auf Merkmalen der Umgebung und unseren inneren Zielen.
Das Projekt Free-View
„Um wirklich zu verstehen, wie wir die Welt um uns herum durch Blickbewegungen wahrnehmen, müssen wir sie unter realistischen Bedingungen untersuchen, das heißt ohne Vorgabe der Blickrichtung durch den Versuchsaufbau”, erklärt Hanning. „Die Herausforderung besteht darin, den Versuchspersonen zu ermöglichen, ihren Blick frei zu lenken, aber die Messung dabei dennoch auf den richtigen Zeitpunkt und Ort zu fokussieren.” Dazu müsse mehrmals pro Sekunde mittels eines Algorithmus vorhergesagt werden, wohin und wann sich das Auge als Nächstes bewegen wird.
Das Team um Nina Hanning kombiniert präzise Techniken aus der traditionellen Sehforschung mit flexibleren Methoden der Szenenwahrnehmungsforschung, in der untersucht wird, wie Menschen visuelle Szenen erkunden. Durch die Integration modernster psychophysikalischer, computergestützter und neurowissenschaftlicher Methoden sollen frei gewählte Blickbewegungen „online” vorhergesagt und zum ersten Mal die subtilen neurokognitiven Prozessen untersucht werden, die natürliche Wahrnehmung ermöglichen.
Das Projekt Free-View entwickelt einen neuen Ansatz, um aktive Wahrnehmung und Blicksteuerung zu verstehen und zu untersuchen, inwieweit Ergebnisse aus bisherigen Studien unter eher künstlichen Bedingungen auf das natürliche Sehen übertragbar sind. Diese Methodik ist zudem ein vielversprechendes Werkzeug, um Blickbewegungen in Bevölkerungsgruppen zu untersuchen, für die die traditionell strengen experimentellen Anweisungen eine Herausforderung darstellen, wie zum Beispiel Kinder, ältere Menschen, oder verschiedene Patientengruppen.
Zur Person
Nina Hanning promovierte in Neurokognitiver Psychologie an der Graduate School of Systemic Neurosciences der Ludwig-Maximilians-Universität München. Als Postdoktorandin forschte sie mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung und einem Grant der Europäischen Kommission an der New York University und der Humboldt-Universität zu Berlin.
European Research Council (ERC)
Der European Research Council (ERC) fördert bahnbrechende Projektideen von herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Forschungsfelder. Ausschlaggebendes Begutachtungskriterium ist die wissenschaftliche Exzellenz des eingereichten Forschungsvorhabens und der Antragstellenden. Dabei fördert der ERC in verschiedenen Förderlinien für die jeweils passende Karrierestufe. Im ERC Starting Grant werden Forschende in einem Zeitfenster von zwei bis sieben Jahren nach Promotion, mit bis zu 1,5 Millionen Euro über maximal fünf Jahre gefördert.
Dr. Nina M. Hanning
Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: nina.hanning@hu-berlin.de
Criteria of this press release:
Journalists
Psychology
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Personnel announcements, Research projects
German
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