idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/30/2024 10:57

Kindergerechtigkeit

Dr.rer.nat. Arne Claussen Stabsstelle Presse und Kommunikation
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

    Psychologie: Veröffentlichung in Communications Psychology

    Wie empfinden kleine Kinder, was gerecht und was ungerecht ist und wie verhalten sie sich entsprechend? Zwei Psychologen und eine Psychologin von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU), der niederländischen Universität Tilburg und der Veterinärärztlichen Universität Wien zeigen in der Fachzeitschrift Communications Psychology, dass es stereotypische Geschlechterunterschiede gibt, aber es doch nicht ganz so einfach ist.

    Das Szenario ist bekannt: Der siebenjährige Lukas beschwert sich lautstark, wenn sein Freund Henry eine Eiskugel mehr bekommt als er selbst. Obwohl – oder gerade weil (?) – er sich unfair behandelt fühlt, gibt er seinem Freund Leo, der gar kein Eis hat, keinen Happen ab. Lisa dagegen teilt ihr Eis mit Leo. Dann aber, am folgenden Tag, hat Lukas Schokolade dabei, von der er bereitwillig Lisa etwas abgibt.

    Das erste Beispiel scheint stereotyp: Jungen erkennen zwar sehr genau Ungerechtigkeiten, die gegen sie wirken, behandeln aber im selben Moment andere Kinder genauso unfair. Mädchen dagegen sind dazu eher bereit zu teilen. Doch im Fall der Schokolade funktioniert das Stereotyp nicht.

    Wie sich der Sinn für Fairness und Unfairness bei Kindern entwickelt, untersuchten drei Forschende, die ursprünglich alle an der HHU arbeiteten, genauer: Prof. Dr. Tobias Kalenscher, Lehrstuhlinhaber für Vergleichende Psychologie in Düsseldorf, Dr. Lina Oberließen, jetzt am Wolfsforschungszentrum der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Prof. Dr. Marijn van Wingerden vom Department of Cognitive Science and Artificial Intelligence der Universität Tilburg. In Communications Psychology beschreiben sie Verhaltensexperimente, die sie dazu mit 332 Kindern im Alter von drei bis acht Jahren gemacht haben.

    Prof. van Wingerden: „Bei uns gab es allerdings weder Eis noch Schokolade, sondern die Kinder sollten sich paarweise Smiley-Sticker zuschieben. Teilweise bauten wir auch für das Kind, dass die Verteilung vornimmt, zusätzliche Kosten ein, wenn es zum Beispiel die Sticker gleich verteilt. Und dann beobachteten wir, wie sich die Kinder in verschiedenen Geschlechterkonstellationen verhielten.“

    Dr. Oberließen zu den Ergebnissen: „Wir fanden tatsächlich geschlechtsspezifische Effekte. Mädchen zeigten sich mitfühlender als Jungen. Interessanterweise gab es aber bei beiden Geschlechtern den gleichen Unmut, wenn ein Junge der Empfänger einer größeren Portion war. Dies deutet darauf hin, dass Neid gegenüber Jungen allgemein größer ist.“ Ebenfalls scheinen Jungen ihrem eigenen Geschlecht gegenüber gehässiger zu sein: Sie wählten immer die größtmögliche Anzahl Sticker für sich selbst, auch wenn ihr Gegenüber dann leer ausging.

    Die Fairnesseinstellung von Kindern ist also tatsächlich geschlechtsabhängig. Sie hängt aber nicht nur vom eigenen Geschlecht ab, sondern auch vom Geschlecht der Kinder, mit dem sie interagieren. Van Wingerden: „Wir haben die typischen Geschlechterstereotypen gefunden – Mädchen sind mitfühlender, das Konkurrenzverhalten von Jungen ist ausgeprägter.“ Oberließen ergänzt: „Die Geschichte ist aber doch komplizierter. So wird Neid etwa bei beiden Geschlechtern eher gegen Jungen ausgedrückt als gegen Mädchen. Und Jungs sind, wenn sie ihre Ressourcen mit Mädchen teilen, wesentlich mitfühlender als mit anderen Jungen.“

    Prof. Kalenscher folgert aus den Ergebnissen: „Geschlechterstereotypen sind in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig. Unsere Studie unterstreicht, dass geschlechtsspezifische Unterschiede im Sozialverhalten tatsächlich empirisch beobachtbar sind, selbst bei kleinen Kindern. Dies trägt möglicherweise zu kulturellen, stereotypen Geschlechterrollen im Erwachsenenalter bei. Wir sehen aber auch, dass sich geschlechtsspezifische Unterschiede, zumindest im Bereich der Fairnesspräferenzen, über einen längeren Zeitraum verfestigen. Diese Beobachtung lässt Raum, um während der kritischen Phase der Kindheit nicht-geschlechtsstereotype Fairness-Einstellungen zu fördern.“


    Original publication:

    Marijn van Wingerden, Lina Oberließen & Tobias Kalenscher. Egalitarian preferences in young children depend on the genders of the interacting partners. Communications Psychology 2, 89 (2024).

    DOI: 10.1038/s44271-024-00139-9


    Images

    Wie fair verteilen Kinder Ressourcen? (KI-generiertes Bild)
    Wie fair verteilen Kinder Ressourcen? (KI-generiertes Bild)

    HHU / Paul Schwaderer / Midjourney

    Die Autoren des Papers in Communications Psychology (v.l.): Prof. Dr. Tobias Kalenscher (HHU); Prof. Dr. Marijn van Wingerden (Tilburg University); Dr. Lina Oberließen (Veterinärmedizinische Universität Wien).
    Die Autoren des Papers in Communications Psychology (v.l.): Prof. Dr. Tobias Kalenscher (HHU); Prof. ...

    HHU / Laura Bechtold; Erik van der Burgt; Wolfgang Rynesch


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Psychology
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Wie fair verteilen Kinder Ressourcen? (KI-generiertes Bild)


    For download

    x

    Die Autoren des Papers in Communications Psychology (v.l.): Prof. Dr. Tobias Kalenscher (HHU); Prof. Dr. Marijn van Wingerden (Tilburg University); Dr. Lina Oberließen (Veterinärmedizinische Universität Wien).


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).