Die Mehrheit der 15-Jährigen in Deutschland findet zwar problemlos Informationen im Internet, traut sich aber nicht zu, deren Qualität zu beurteilen. Die Jugendlichen schätzen dabei ihre eigenen Kompetenzen schlechter ein als der Durchschnitt in den OECD-Staaten. Sie halten zudem seltener ihre Lehrkräfte für kompetent genug, digitale Medien im Unterricht zu nutzen. Dies zeigt eine neue Auswertung der jüngsten PISA-Studie.
Fühlen sich Jugendliche in der Lage, vertrauenswürdige Internetseiten von gefälschten Online-Informationen zu unterscheiden? In der jüngsten PISA-Studie wurden 15 Jahre alte Schülerinnen und Schüler gefragt, wie sie ihre eigene Kompetenz einschätzen, digitale Informationen zu finden und zu beurteilen. Das Studienteam in Deutschland hat diesen Teil der Befragung nun gesondert ausgewertet. Die Ergebnisse waren zum größten Teil noch nicht in der Hauptstudie veröffentlicht worden.
Die PISA-Studie zeigt, dass sich die Jugendlichen in Deutschland kompetent fühlen, wenn sie Informationen im Internet finden wollen. Mehr als zwei Drittel (69 %) der 15-Jährigen gibt an, dass ihnen dies problemlos gelingt. Doch nur weniger als die Hälfte (47 %) der Schülerinnen und Schüler fühlt sich in der Lage, die Qualität der gefundenen Informationen fundiert zu beurteilen. Im Durchschnitt der OECD-Staaten trauen sich dies mehr Schülerinnen und Schüler zu (51 %). Nur knapp 60 Prozent der Jugendlichen in Deutschland vergleicht verschiedene Quellen. Im OECD-Durchschnitt trifft dies auf 72 Prozent zu. Zudem überprüft etwa ein Drittel der Jugendlichen nicht, ob Online-Informationen korrekt sind, bevor sie diese in den sozialen Medien teilen.
„Erheblicher Nachholbedarf“
„Vielen Schülerinnen und Schülern gelingt es leider nicht ausreichend, Fake News als solche zu identifizieren. Sie haben einen erheblichen Nachholbedarf beim kritischen und reflektierten Umgang mit Informationen im Internet. Die PISA-Studie unterstreicht, dass dieser Mangel dringend angegangen werden muss, um Jugendliche auf die Herausforderungen der digitalen Welt vorzubereiten“, sagt Prof. Samuel Greiff vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM), Leiter der PISA-Studie in Deutschland.
Bei der achten PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) wurden 2022 in Deutschland die Kompetenzen von rund 6.100 repräsentativ ausgewählten 15 Jahre alten Schülerinnen und Schülern an rund 260 Schulen aller Schularten getestet. Zudem wurden die Jugendlichen zu ihren Lernbedingungen und Einstellungen sowie zu ihrer sozialen Herkunft befragt.
Sozioökonomischer Status hängt mit Kompetenz zusammen
Das Forschungsteam wertete auch aus, welche Faktoren die Studienergebnisse beeinflussen. Einen starken Zusammenhang gibt es mit der Selbstwirksamkeit der Jugendlichen, ihrem Interesse an digitalen Medien und ihrem sozioökonomischen Status. 15-Jährige, die sich in diesen Bereichen stärker einschätzen beziehungsweise über bessere Voraussetzungen verfügen, bewerten ihre Kompetenz höher. Mädchen geben häufiger an, die Richtigkeit von Online-Informationen zu überprüfen und bei der Recherche verschiedene Quellen heranzuziehen.
Die Schülerinnen und Schüler wurden auch nach den digitalen Kompetenzen ihrer Lehrkräfte und nach deren Offenheit gegenüber der Nutzung digitaler Medien gefragt. Nur knapp die Hälfte der Jugendlichen denkt, dass die Lehrerinnen und Lehrer über die erforderlichen Kompetenzen verfügen, digitale Geräte im Unterricht zu nutzen – deutlich weniger als im OECD-Durchschnitt (70 %). Rund 60 Prozent der 15-Jährigen geben an, dass ihre Lehrkräfte offen dafür sind, digitale Medien im Unterricht zu nutzen. Dieser Anteil liegt ebenfalls deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 77 Prozent.
Diese Wahrnehmungen der Jugendlichen sind auch deshalb wichtig, weil die Studie einen Zusammenhang mit der Selbsteinschätzung ihrer Kompetenzen zeigt. „Sowohl die digitale Kompetenz der Lehrkräfte als auch deren Offenheit gegenüber digitalen Medien kann die Entwicklung der digitalen Informationskompetenz von Schülerinnen und Schülern positiv beeinflussen“, sagt Samuel Greiff. „Lehrerinnen und Lehrer sollten deshalb dabei unterstützt werden, den Umgang mit online gefundenen Informationen als regelmäßigen Bestandteil des Unterrichts in verschiedenen Fächern zu integrieren.“
Digitale Medien funktionieren oft nicht zuverlässig
Die Hauptstudie „PISA 2022“ hatte bereits gezeigt, dass die Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland seltener als im OECD-Durchschnitt angeben, digitale Tools in ihrem Unterricht und bei den Hausaufgaben einzusetzen. Die Mehrheit der Schulleitungen hatte in der Befragung berichtet, dass die Lehrkräfte nicht genügend Zeit für die Unterrichtsvorbereitung zur Integration digitaler Medien haben und die Schulen nicht über genügend qualifiziertes Personal für den technischen Support verfügen.
Die neue Auswertung zeigt nun, dass nur rund 60 Prozent der Jugendlichen sagen, dass digitale Medien an ihrer Schule zuverlässig funktionieren. Im OECD-Durchschnitt sind es 71 Prozent. Zudem finden nur 46 Prozent der Schülerinnen und Schüler, dass digitale Medien im Klassenzimmer leicht zugänglich sind – deutlich weniger als im OECD-Durchschnitt von 67 Prozent.
Weitere Informationen:
Die PISA-Studien werden von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) koordiniert. Der deutsche Teil der Studie wird im Auftrag der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) geleitet, an dem neben der TUM das Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) und das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) beteiligt sind.
Die Ergebnisse von PISA 2022 in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften wurden im Dezember 2023 veröffentlicht, die Ergebnisse im kreativen Denken im Juni 2024.
Prof. Dr. Samuel Greiff
Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM)
Lehrstuhl für Educational Monitoring and Effectiveness
Tel.: +49 89 289 22798 (Pressestelle)
samuel.greiff@tum.de
www.zib.education
Tamara Kastorff, Maren Müller, Clievins Selva, Samuel Greiff, Stephanie Moser: Fake News oder Fakten? Wie Jugendliche ihre digitale Informationskompetenz einschätzen und welche Rolle Schulen und Lehrkräfte dabei spielen – Erkenntnisse aus PISA 2022. Münster 2025. DOI: 10.31244/9783830999935
https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&buchnr=4993
http://www.pisa.tum.de/pisa/pisa-2022/ PISA 2022
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
Media and communication sciences, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research projects, Research results
German
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