Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt haben eine neue Methode entwickelt, um das Innere von Neutronensternen mithilfe von bei Kollisionen entstehenden Gravitationswellen zu untersuchen. Durch die Analyse der „langen Abklingphase“ – eines reinen Signals, das vom Überrest der Neutronenstern-Kollision ausgesendet wird – haben sie eine starke Korrelation zwischen den Eigenschaften dieses Signals und der Zustandsgleichung von Neutronensternmaterie entdeckt. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Nature Communications veröffentlicht.
FRANKFURT. Neutronensterne gehören aufgrund ihrer riesigen Masse und zugleich geringen Größe zu den faszinierendsten astrophysikalischen Objekten, die wir kennen. Doch aufgrund der extremen Bedingungen in ihrem Inneren sind ihre Zusammensetzung und Struktur weitgehend unbekannt. Die Kollision zweier Neutronensterne, wie sie 2017 beobachtet wurde, bietet eine einzigartige Gelegenheit, dieses Rätsel zu entschlüsseln. Während sich Neutronensterne in Binärsystemen über Millionen von Jahren spiralförmig annähern, senden sie Gravitationswellen aus. Doch die intensivste Strahlung tritt während und in den ersten Millisekunden nach ihrer Verschmelzung auf. Das dabei entstehende Objekt – ein massereiches, schnell rotierendes Gebilde – verursacht Gravitationswellen in einem starken, aber schmalen Frequenzbereich. Dieses Signal enthält entscheidende Informationen über die sogenannte Zustandsgleichung der Kernmaterie, die beschreibt, wie sich Materie bei extremer Dichte und Druck verhält.
Die Forschungsgruppe von Prof. Luciano Rezzolla an der Goethe-Universität Frankfurt hat nun entdeckt, dass die Amplitude des Gravitationswellensignals nach der Verschmelzung zwar mit der Zeit abnimmt, es aber gleichzeitig immer reiner wird – das heißt, es tendiert immer stärker zu einer einzigen Frequenz, ähnlich wie eine riesige Stimmgabel, die nach einem Schlag nachklingt. Diese Phase haben sie als „langes Abklingen“ (long ringdown) bezeichnet und eine enge Verbindung zwischen ihrer Eigenschaften und den dichtesten Regionen in Neutronensternkernen identifiziert.
„Genauso wie Stimmgabeln aus verschiedenen Materialien unterschiedliche Töne erzeugen, klingen auch Überreste von Kollisionen, die durch verschiedene Zustandsgleichungen beschrieben werden, bei unterschiedlichen Frequenzen ab. Die Entdeckung dieses Signals hat das Potenzial die inneren Bestandteile von Neutronensternen zu enthüllen“, erklärt Rezzolla, „Ich bin besonders stolz auf diese Arbeit, da sie ein herausragendes Beispiel für die Exzellenz der Frankfurter und Darmstädter Wissenschaftler*innen in der Erforschung von Neutronensternen darstellt – einem zentralen Fokus des hessischen Clusterprojekts ELEMENTS.“
Mithilfe von Simulationen, die die Gesetze der Allgemeinen Relativitätstheorie berücksichtigen, konnten die Forscher zeigen, dass die Analyse des „langen Abklingens“ hilft, Unsicherheiten bei der Beschreibung von Materie unter extrem hohen Dichten zu verringern – einem Bereich, für den es bislang keine direkten Messungen gibt. „Dank Fortschritten in der statistischen Modellierung und hochpräzisen Simulationen auf Deutschlands leistungsfähigsten Supercomputern haben wir eine neue Phase des langen Abklingens in Neutronenstern-Kollisionen entdeckt“, erklärt Dr. Christian Ecker, Erstautor der Studie, „Diese Entdeckung hat das Potenzial, neue und präzise Einschränkungen für den Zustand der Materie in Neutronensternen zu liefern. Sie ebnet den Weg für ein besseres Verständnis dichter Neutronensternmaterie, insbesondere, wenn zukünftig neue Ereignisse beobachtet werden.“
Co-Autor Dr. Tyler Gorda ergänzt: „Indem wir gezielt einige wenige Zustandsgleichungen ausgewählt haben, konnten wir die Vielfalt möglicher Materiemodelle mit deutlich weniger Aufwand nachbilden. Dies spart nicht nur Rechenzeit und Energie, sondern gibt uns auch die Sicherheit, dass unsere Ergebnisse zuverlässig sind und unabhängig davon gelten, welche Zustandsgleichung in der Natur tatsächlich vorkommt.“
Obwohl Gravitationswellendetektoren das Signal nach der Verschmelzung aktuell noch nicht gemessen haben, sind die Wissenschaftler optimistisch. Mit dem in Europa geplanten Einstein-Teleskop, das in den nächsten zehn Jahren in Betrieb gehen soll, könnte das „lange Abklingen“ klar gemessen werden. Sobald dies geschieht, wird es ein leistungsstarkes Werkzeug sein, um die rätselhaften inneren Strukturen von Neutronensternen zu erforschen und die Geheimnisse der Materie unter extremsten Bedingungen zu entschlüsseln.
Dr. Christian Ecker
Institut für Theoretische Physik
Goethe-Universität Frankfurt
069/798-47886
ecker@itp.uni-frankfurt.de
https://tinygu.de/1mxBS
Christian Ecker, Tyler Gorda, Aleksi Kurkela & Luciano Rezzolla: Constraining the equation of state in neutron-star cores via the long-ringdown signal. Nature Communications (2025) https://doi.org/10.1038/s41467-025-56500-x
Das von zwei verschmelzenden Neutronensternen ausgesandte Signal ähnelt dem einer Stimmgabel
L. Rezzolla/pixabay
Criteria of this press release:
Journalists
Physics / astronomy
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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