Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben einen Roboter auf Rädern entwickelt, der sich sicher und ohne zu zögern den Weg durch eine Menschenmenge bahnt. Ein Rechner an Bord sagt die Bewegung der Menschen im Umfeld voraus und auch wie diese wohl auf den Roboter reagieren werden. Daraus berechnet er die schnellste Route. Auch bei humanoiden Robotern oder beim autonomen Fahren könnten ähnliche Algorithmen künftig zum Einsatz kommen, um eine gefahrlose Interaktion zwischen Roboter und Mensch zu ermöglichen.
Der kleine Roboter schlängelt sich auf seinen Rädern durch Menschenmengen wie ein Mensch. Damit das möglich wird, haben Forschende aus dem Learning Systems and Robotics Lab von TUM-Professorin Angela Schoellig Rechenleistung, Sensoren und mathematisches Geschick zusammengebracht. „Unser Roboter modelliert, wie Menschen auf seine Bewegung reagieren werden, um seine eigenen Wege zu planen. Das ist der große Unterschied zu anderen Ansätzen, die diese Interaktion typischerweise ignorieren“, erläutert Schöllig.
Neue Route zehn Mal pro Sekunde
Ein Lidar schickt permanent Laserstrahlen in die Umgebung, misst deren Reflexionen und baut daraus eine präzise 360-Grad-Karte dessen, was der Roboter sieht. Ein besonderer Fokus liegt auf den Menschen, die in der Nähe umherlaufen. Parallel dazu messen Sensoren in den Rädern das eigene Tempo und die zurückgelegten Strecken. Ein Computer verarbeitet diese Informationen, berechnet die voraussichtlichen Wege, die die Personen in den nächsten zwei Sekunden zurücklegen werden und plant gleichzeitig den optimalen Weg zum Ziel. „Zehn Mal pro Sekunde passt unser Roboter seine Route an, während er gleichzeitig die Wege der Menschen erkennt“, erläutert TUM-Forscher Sepehr Samavi.
System lernt aus Daten von Menschen in Menschenmengen
Damit der von Samavi „Jack“ getaufte Roboter nicht wegen möglicher Unfallgefahr ständig stehenbleibt, schaut er sich Verhaltensweisen von Menschen ab. „Unser mathematisches Modell, auf dem der Planungsalgorithmus basiert, wurde von menschlichen Bewegungen hergeleitet und in Gleichungen übersetzt“, erläutert Professorin Schoellig. Für Jacks Entscheidung bedeutet das, dass er nicht sofort stehen bleibt, sobald ein Mensch auf ihn zukommt. Denn er kalkuliert mit ein, dass Menschen sich dieser Situation anpassen, reagieren und ihre Wegstrecke leicht verändern, damit sie nicht mit ihm zusammenstoßen. Sollte jemand wider Erwarten doch auf Kollisionskurs bleiben, plant der Roboter kurzfristig um und nutzt eine andere Route – bleibt aber nicht stehen.
Die Forschenden beziehen zudem Datensätze mit ein, die das Verhalten von Menschen in Menschenmengen zeigen. So lernt der Roboter, der auch schon außerhalb des Labors zum Einsatz kam, ständig dazu und wird immer menschenähnlicher: „Jack kennt sein Ziel, beobachtet die Menschen und sieht, wohin sie laufen, um dann seine eigenen Wege ständig zu optimieren“, sagt Prof. Schoellig, „fast wie ein Mensch“.
Mit dem neuen Algorithmus sind die TUM-Forschenden bereits auf der dritten Evolutionsstufe angekommen. Statt "nur” auf eine Situation zu reagieren (Stufe 1) oder die Bewegung von entgegenkommenden Menschen „lediglich“ vorherzusagen (Stufe 2), ist der Roboter der TUM interaktiv (Stufe 3). „Zum einen sagt er die Bewegungen von anderen Menschen voraus, schafft es aber auch, durch eigenes Verhalten diese Menschen zu beeinflussen und gleichzeitig Zusammenstöße zu vermeiden“, erläutert Forscher Samavi.
Entwicklung für Einsatz im autonomen Fahren
Beim autonomen Fahren seien genau solche interaktiven Szenarien der Engpass, sagt Prof. Schoellig. Fährt beispielsweise ein Fahrzeug auf die Beschleunigungsspur einer Autobahneinfahrt, wechseln viele Fahrerinnen und Fahrer, die von hinten kommen, die Fahrbahn oder bremsen auf ihrer Spur leicht ab. In einem solchen Szenario die Reaktion der Anderen einbeziehen zu können, macht der neue Ansatz grundsätzlich möglich. Doch denken die Forschenden zunächst an einen Einsatz in Lieferrobotern oder an Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Vorteil: Diese Fahrzeuge erreichen selbständig und zuverlässig ihr Ziel. Selbst humanoide Roboter könnten von den neuen Algorithmen profitieren. Allerdings gibt es einen entscheidenden Nachteil zum intelligenten Fahrzeug: „Ein fahrender Roboter kann einfach stehen bleiben, wenn nötig – Humanoide sind aktuell noch recht wackelig und verlieren schnell ihre Stabilität“, sagt Prof. Schoellig.
Zusatzinformationen für Redaktionen:
Foto zum Download: https://mediatum.ub.tum.de/1773744
Wissenschaftliches Video: https://www.youtube.com/watch?v=BY23UXwM1sM
Sepehr Samavi stellt Jack vor: https://youtu.be/7pxZhRulXVY
Weitere Informationen:
Prof. Angela Schoellig leitet den Lehrstuhl für Sicherheit, Performanz und Zuverlässigkeit für lernende Systeme an der TUM School of Computation, Information and Technolgoy, ist im Vorstand des Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) für internationale Beziehungen zuständig und koordiniert zudem das Robotics Institute Germany, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird – https://www.robotics-institute-germany.de/. Zudem ist sie Mitglied im Munich Data Science Institute (MDSI) der TUM.
Prof. Angela Schoellig
Technische Universität München
Lehrstuhl für Sicherheit, Performanz und Zuverlässigkeit lernender Systeme
angela.schoellig@tum.de
Sepehr Samavi, James R. Han, Florian Shkurti, and Angela P. Schoellig; SICNav: Safe and Interactive Crowd Navigation Using Model Predictive Control and Bilevel Optimization; IEEE Transaction on Robotics; 2025; https://ieeexplore.ieee.org/document/10726864
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
Information technology, Mathematics
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research results
German
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