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04/29/2025 10:05

Feinste Strukturen sichtbar machen: Neues Raman-Mikroskop an der HSBI bietet Materialforschung ganz neue Möglichkeiten

Dr. Lars Kruse Ressort Hochschulkommunikation
Hochschule Bielefeld

    Wie müsste ein Kunststoff beschaffen sein, der nicht nur leistungsfähig ist und gut aussieht, sondern auch zu 100 Prozent recycelt werden kann? Lässt sich die Technologie zur Herstellung von RNA-Impfstoffen auch für den Pflanzenschutz nutzbar machen? Diese und weitere Fragen kann der Einsatz des neuen Raman-Mikroskops an der Hochschule Bielefeld womöglich beantworten. Das Hightech-Gerät arbeitet mit Laserlicht und ermöglicht die Analyse feinster Molekularstrukturen, indem es deren charakteristische Wechselwirkungen mit dem Licht sichtbar macht. So können Forschende das Zusammenwirken von verschiedenen Materialien genau beobachten.

    Bielefeld (hsbi). „Caution. Laser in Use“ verkündet ein gelbes Schild gleich neben der Tür zum Labor. Genau genommen ist es mehr als nur ein Laser, auf den hier hingewiesen wird. „Das Gerät ist mit drei Lasern ausgestattet“, präzisiert Dr. Elzbieta Stepula. „Sie liefern reines Licht mit einer Wellenlänge von 532, 785 und 633 Nanometern.“ WITec Alpha300 apyron, so der Name des High-tech-Apparates, ist das neue konfokale Raman-Mikroskop an der Hochschule Bielefeld (HSBI). Finanziert aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), arbeiten seit Neuestem Wissenschaftler:nnen und Studierende mit dem Mikroskop bei der Analyse von Molekülen und deren strukturellen Eigenschaften. „Ein solches Messinstrument hat es an der HSBI bislang noch nicht gegeben“, sagt Stepula, die eine ausgewiesene Expertin in Sachen Raman-Mikroskopie ist und am renommierten Londoner King’s College ein neues Verfahren zur Raman-basierten 3D-Bildgebung mitentwickelt hat.

    Ist natürlicher Pflanzenschutz mit Nanopartikeln möglich?

    „Das Analyseverfahren kommt an bei unseren Forschenden“, berichtet Dr. Waldemar Keil, Chemiker und Lehrkraft für besondere Aufgaben an der HSBI. Keil betreut inzwischen mehrere Doktoranden, die an dem Gerät die chemischen und physikalischen Eigenschaften unterschiedlicher doppelsträngiger Ribonukleinsäure (dsRNA) untersuchen. RNA? Da klingelt doch etwas! Richtig, da ging es um die neuartige Methode, mit der Impfstoffe zur Bekämpfung der verschiedenen Covid-19-Varianten entwickelt wurden. Das hat auch bei den von Keil betreuten Forschungsteams für Aufmerksamkeit gesorgt, die sich mit biologischem Pflanzenschutz beschäftigen. Man will sich den natürlichen Abwehrmechanismus, mit dem sich Organismen gegen Viren schützen, zunutze machen, indem man ihn von außen gezielt stimuliert. Die Stimulation der Abwehr erfolgt in diesem Fall durch das Einbringen von RNA beladenen Nanopartikeln in den pflanzlichen Organismus. Wird ein solches Molekül von einem Schädling verzehrt, verendet dieser. „Das ist ein sehr zielgenaues, natur-basiertes Pflanzenschutzmittel“, erläutert Keil.

    Als Trägermaterial für die RNA-Pflanzenschutz-„Impfung“ haben sich Silikat-Nanopartikel bewährt, weil diese über eine schwammartige, „mesoporöse“ Oberfläche verfügen. Die Größe der Poren liegt im Bereich von zehn Nanometern. Zum Vergleich: Ein durchschnittlich kräftiges menschliches Haar hat den Durchmesser von 50.000 Nanometern. Doch warum müssen sich die Forschenden mit diesem Miniuniversum beschäftigen? Ganz einfach: Sie wollen genau analysieren können, was auf der Molekularebene passiert, wenn Trägermaterial und Wirkstoff zusammenkommen. „Es ist quasi eine Art Qualitätscheck“, sagt Waldemar Keil.

    Gesucht wird eines von zehn Mio. Lichtteilchen – immer mehr Forschungsfelder sind interessiert

    Das Mikroskop verdankt seinen Namen der Spektroskopie, mit dem es kombiniert ist. Der indische Physiker C.V. Raman (1888-1970) beschrieb 1928 als Erster den Raman-Effekt, bei dem Licht unterschiedlich gestreut wird, wenn es auf Materie trifft. „In einigen Fällen verliert das Lichtteilchen, auch Photon genannt, Energie und wird in eine niedrigere Frequenz verschoben. In anderen Fällen bleibt die Energie des Photons gleich oder es gewinnt Energie und wird in eine höhere Frequenz verschoben. Diese Energiedifferenz gibt Aufschluss über die energetischen Zustände und Vibrationen der Moleküle“, erläutert Stepula. „Durch die Analyse der Wellenlängenänderungen in einem Raman-Spektrum können wir Informationen über die molekularen Strukturen und chemischen Bindungen in den Materialien gewinnen.“

    Allerdings ist es recht diffizil, diese Energieänderungen ausfindig zu machen, weil in dem gestreuten Licht nur eines von 10 Millionen Photonen ein höheres oder niedrigeres Energieniveau aufweist. Doch eben dafür gibt es nun das „WITec Alpha300 apyron“ an der HSBI: Das Laserlicht wird hier über optische Glasfasern in das Mikroskop geleitet, wo es fokussiert durch das Objektiv punktgenau auf die Probe trifft. Das von der Probe gestreute Licht, insbesondere die Raman-Photonen, wird ebenfalls durch das Objektiv gesammelt. Um unerwünschte nicht-Raman-gestreute Lichtanteile herauszufiltern, wird das Licht zunächst durch einen Optical-Filter geleitet, bevor die Raman-Photonen durch eine weitere Glasfaser in ein Spektrometer weitergeleitet werden. Das gesammelte Licht wird im Spektrometer dann in sein jeweiliges Spektrum aufgefächert. Zu guter Letzt misst ein sogenannter CCD-Sensor – ein lichtempfindliches elektronisches Bauteil – die Lichtintensitäten in Abhängigkeit von der jeweiligen Wellenlänge. Bei der Raman-Mikroskopie wird das Bild pixelweise erstellt, indem die Raman-Spektren an verschiedenen Punkten der Probe aufgenommen werden, wodurch letztlich mit Hilfe von verschiedenen Datenanalyse-Methoden ein sogenanntes Raman-Falschfarbenbild entsteht, das die chemischen Eigenschaften der Probe visuell darstellt.

    Mittlerweile kommt die Raman-Spektroskopie in immer mehr Forschungsfeldern zum Einsatz, auch wenn „die Methode noch nicht so standarisiert ist wie etwa die Infrarot-Spektroskopie“, so Stepula. Letztere ist ebenfalls eine Schwingungs-Spektroskopie, bei der das Licht jedoch nicht gestreut, sondern von der Materie absorbiert wird. Für jemanden der viel mit biologischen Proben gearbeitet hat wie Stepula, hat die Raman-Spektroskopie im Vergleich zur Infrarot-Spektroskopie jedoch einige Vorteile zu bieten: Das betrifft vor allem den Umstand, dass das Licht eines Lasers – im Gegensatz zu Infrarotlicht, das von Wasser stark absorbiert wird – bei bestimmten Wellenlängen ungehindert durch Wasser eindringen kann. Stepula: „Das bedeutet, dass Proben in ihrem natürlichen Zustand analysiert werden können. Das vereinfacht nicht nur die Vorbereitung der Proben, sondern verhindert auch Veränderungen oder Verunreinigungen, die während einer Vorbereitung entstehen könnten. Deswegen gelangen wir zu genaueren und zuverlässigeren Ergebnissen.“

    Aus welchen Materialien müssten recyclingfähige Kunststoffe mit Top-Eigenschaften bestehen?

    Zusammenfassend meint Stepula: „Die Raman-Spektroskopie bietet eine hohe Spezifität und Empfindlichkeit, ist nicht-destruktiv und ermöglicht eine Echtzeit-Analyse. Außerdem funktioniert sie in einem breiten Temperatur- und Druckbereich, was ihre Anwendbarkeit in vielen Forschungs- und Industriebereichen erhöht.“ Von dieser Anwendbarkeit profitieren inzwischen diverse Arbeitsgruppen, die sich an der HSBI im Institut für Technische Energie Systeme (ITES) bzw. im Bielefelder Institut für Angewandte Materialforschung (BIfAM) gebildet haben – darunter die AG Textile Technologien unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Ehrmann, die AG Thermo- und Fluiddynamik von Prof. Dr. Sonja Schöning und die AG Bielefelder Kunststofftechnik, die nach dem plötzlichen Tod von Prof. Dr. Bruno Hüsgen von Prof. Dr. Angela Ries weitergeführt wird. Auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen des Projekts InCamS@BI schauen mit Interesse auf der Raman-Mikroskop, interessieren sie sich doch für die Frage, welche Zusammensetzung Kunststoffe haben müssen, die zu 100 Prozent recycelt werden können. Stepula freut sich, dass das neue Gerät so vielfältig eingesetzt wird. „Schließlich bin ich auch nach Bielefeld gekommen, um möglichst vielen hier die Vorteile der Raman-Mikroskopie nahe zu bringen.“ Und nebenbei bringt sie auch noch einige andere Forschungsprojekte voran, darunter die Entwicklung einer Formulierung zur Ausbringung von parasitoiden Schlupfwespen gegen den Kieferspinner.


    More information:

    https://www.hsbi.de/presse/pressemitteilungen/neues-raman-mikroskop-an-der-hsbi-... Pressemitteilung auf www.hsbi.de


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    Das Raman-Mikroskop arbeitet mit Laserlicht, wodurch es die Analyse von Molekülen und deren strukturellen Eigenschaften ermöglicht.
    Das Raman-Mikroskop arbeitet mit Laserlicht, wodurch es die Analyse von Molekülen und deren struktur ...

    Foto: P. Pollmeier/HSBI

    Dr. Elzbieta Stepula, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HSBI, und Dr. Waldemar Keil, Chemiker und Lehrkraft für besondere Aufgaben.
    Dr. Elzbieta Stepula, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HSBI, und Dr. Waldemar Keil, Chemiker u ...

    Foto: P. Pollmeier/HSBI


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Chemistry, Electrical engineering, Materials sciences
    transregional, national
    Research projects
    German


     

    Das Raman-Mikroskop arbeitet mit Laserlicht, wodurch es die Analyse von Molekülen und deren strukturellen Eigenschaften ermöglicht.


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