Einem internationalen Forschungsteam der Freien Universität Berlin und der CNRS-Université de Lorraine in Metz, Frankreich, ist ein neuer Durchbruch in der Chemie fluorierter Verbindungen gelungen: Erstmals konnte dank Quantenchemischer Simulationen nachgewiesen werden, dass auch schwere Fluoratome tunneln - also zwischen zwei Zuständen wechseln - können. Die Studie „Experimental Observation of Quantum Mechanical Fluorine Tunneling“ ist gerade in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen. Sie eröffnet neue Perspektiven für die Steuerung chemischer Reaktionen – und ein tieferes Verständnis darüber, wie und warum bestimmte fluorierte Verbindungen besonders stabil oder reaktiv sind.
Fluor oder fluorierte Verbindungen sind in unserem Alltag allgegenwärtig: Fluorierte Gruppen erhöhen die Wirksamkeit von Medikamenten, Handyakkus haben dank fluorierter Verbindungen eine höhere Leistung und halten länger und Fluorid in Zahnpasta beugt Karies vor. Andererseits stellen per- und polyfluoride Alkylsubstanzen (PFAS) ein zunehmendes Problem für Gesundheit und Umwelt dar.
Um die positiven wie negativen Effekte von Fluor in Verbindungen besser zu verstehen, ist es wichtig, die Wechselwirkungen, die von Fluor und seinen Verbindungen ausgehen, grundlegend zu erforschen. Ein Ziel, dem sich die Forschenden im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit 2019 geförderten Sonderforschungsbereich (SFB) 1349 „Fluor-Spezifische Wechselwirkungen“ verschrieben haben. Im Rahmen des SFB 1349 haben nun Teams um Prof. Dr. Sebastian Hasenstab-Riedel und Prof. Dr. Beate Paulus von der Freien Universität Berlin gemeinsam mit Prof. Dr. Jean Christoph Tremblay von der CNRS-Université de Lorraine in Metz, Frankreich, eine ganz besondere Fluor-Spezifische Wechselwirkung gefunden.
Bereits vor über zehn Jahren gelang es Sebastian Hasenstab-Riedel und seinem Team, ein außergewöhnliches Molekül in einem Neonkristall bei −270 °C einzufangen: ein Anion, das nur aus fünf Fluoratomen besteht – dicht gepackt, hochgeladen, instabil – weshalb es eigentlich nicht existieren sollte. Doch genau dieses Molekül hielt sich überraschend stabil.
Um zu verstehen, was dieses Molekül zusammenhält, führten Mitarbeitende von Beate Paulus zusammen mit Jean Christoph Tremblay umfangeiche Berechnungen und quantenmechanische Simulationen durch. Dabei stießen sie auf einen ungewöhnlichen Effekt, der bisher hauptsächlich für den sehr leichten Wasserstoff beobachtet wurde, aber für das relativ schwere Fluoratom als unmöglich galt. Die Forschenden wiesen nach, dass auch Fluoratome quantenmechanisch Tunneln können – wodurch ein Molekül ohne weiteres zwischen zwei Zuständen wechselt, die eigentlich durch eine Energiebarriere voneinander getrennt sind.
Solche Tunneleffekte wurden zwar auch schon in anderen Molekülen für leichte Elemente beispielsweise bei Wasserstoff- oder Sauerstoffatomen beobachtet. Bisher ging die Forschung aber davon aus, dass Fluoratome zu schwer sind, um für Tunneleffekte in Betracht zu kommen, weshalb man bisher auch von einer „Fluor-Mauer“ des Tunnelns sprach.
Mit der nun erschienenen Arbeit kündigt sich ein Paradigmenwechsel an. Die Kombination aus besonderen Bindungsverhältnissen in Molekülen die auf sehr kleinem Raum eingefangen werden, ermöglicht offenbar auch das Tunneln von Atomen, die schwerer als Sauerstoff sind. „Die Studienergebnisse erweitern nicht nur unser Verständnis chemischer Bindungen in fluorierten Verbindungen“, sagt der Erstautor der Studie, Dr. Carsten Müller von der Freien Universität Berlin: „Sie geben uns auch neue Werkzeuge an die Hand, um molekulare Reaktionen gezielt zu steuern – sei es in der Materialforschung, der Medizin oder beim Design neuer Technologien.“
Dr. Carsten Müller, Freie Universität Berlin, Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie, E-Mail: carsten.mueller@fu-berlin.de
Prof. Dr. Sebastian Hasenstab-Riedel, Freie Universität Berlin, Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie, E-Mail: s.riedel@fu-berlin.de
https://www.nature.com/articles/s41467-025-59008-6?utm_source=rct_congratemailt&...
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Biology, Chemistry
transregional, national
Scientific Publications
German
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