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06/12/2025 10:57

Warum Unterwasser-Canyons dort entstehen, wo der Meeresboden besonders steil ist

Christine Xuan Müller Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Forschende der Freien Universität Berlin und der Universität Potsdam zeigen: Die Neigung des Meeresbodens entscheidet über die Entstehung von Unterwasser-Canyons

    Sie sind riesig, verborgen – und entscheidend für das Klima: Unterwasser-Canyons, also teils kilometertiefe Schluchten entlang der Kontinentalränder, die Sedimente, Nährstoffe und Kohlenstoff aus küstennahen Regionen in die Tiefsee transportieren.

    Die Geowissenschaftler*innen Prof. Dr. Anne Bernhardt von der Freien Universität Berlin und PD. Dr. Wolfgang Schwanghart der Universität Potsdam haben nun mithilfe eines globalen statistischen Modells herausgefunden: Entscheidend für ihre Entstehung ist vor allem, wie steil der Meeresboden ist – und nicht, wie oft vermutet, der Einfluss von Flüssen und wo diese ihr Sediment ins Meer verfrachten. Die neue Studie „Seafloor Slopes Control Submarine Canyon Distribution: A Global Analysis“ der beiden Forschenden ist gerade im renommierten Fachjournal Science Advances erschienen.

    Um die Ursachen der globalen Verteilung von Unterwasser-Canyons zu untersuchen, nutzten die Forschenden ein räumlich-statistisches Modell auf Basis von über 2.000 Canyons weltweit. Sie analysierten den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Canyons und 16 geowissenschaftlichen Einflussgrößen, darunter tektonische, geomorphologische und klimatische Faktoren. Mithilfe moderner Punktmusteranalyse zeigten sie, dass die Hangneigung des Meeresbodens mit Abstand der wichtigste Prädiktor ist – deutlich vor anderen Faktoren wie die Nähe zu Flussmündungen, Sedimentfracht oder seismischer Aktivität.

    „Unsere Analyse zeigt, dass tektonische und thermische Prozesse, die die Hangneigung des Ozeanbodens formen, letztlich bestimmen, wo Canyons sich besonders häufig bilden“, sagt die Erstautorin der Studie Prof. Dr. Anne Bernhardt. „Diese tiefen unterseeischen Täler sind zentrale Transportwege für Sediment und Kohlenstoff in die Ozeantiefen – ein Prozess, der über geologische Zeiträume das Klima der Erde mitgestaltet.“

    Die Studie zeigt außerdem: Sobald ein Canyon bis in den Kontinentalschelf hinein erodiert ist, beginnt er mit küstennahen Prozessen zu interagieren – insbesondere mit der Sedimentzufuhr durch Flüsse oder Küstenströmungen. Dabei entsteht eine Art Konkurrenzsituation: Ein Canyon, der einmal in eine vorteilhafte Position gelangt ist, kann umliegende Canyons regelrecht „ausbremsen“, indem er bevorzugt Sediment aufnimmt. Küstennahe Prozesse wie die Beschaffenheit des Untergrundgesteins oder die Wassermenge aus Flüssen gewinnen ab diesem Punkt an Bedeutung – vor allem, wenn sich Canyons bei niedrigem Meeresspiegel bis zur damaligen Küstenlinie ausdehnen und somit direkten Kontakt zu terrestrischen Sedimentquellen hatten.

    "Die physikalischen Prozesse und deren Interaktion finden auf geologischen Zeitskalen statt und sind ziemlich komplex. Und dass sie zudem weit unterhalb der Meeresoberfläche ablaufen, macht die Beobachtung nicht gerade einfacher," sagt Dr. Wolfgang Schwanghart. "Die Verwendung eines statistischen Modells war aus diesem Grund ein Ansatz, um auf Basis umfangreicher globaler Daten die Entstehung von Unterwasser-Canyons besser zu verstehen".

    Die Ergebnisse widerlegen die bisher verbreitete Annahme, dass auch vor allem Flüsse und deren Sedimentfracht für die Entstehung von Unterwasser-Canyons verantwortlich sind. Stattdessen zeigen sie: Je steiler der Meeresboden, desto wahrscheinlicher ist die Bildung solcher Schluchten – ein Prozess, der größtenteils durch tektonische Hebung, thermische Abkühlung und Hanginstabilität gesteuert wird. Damit liefert die Studie grundlegende Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen der Geodynamik der Erdkruste und dem globalen Kohlenstoffkreislauf – und schafft eine wichtige Grundlage, um die Rolle der Ozeane als langfristige Kohlenstoffsenke besser zu verstehen.

    Die neuen Erkenntnisse haben Bedeutung über die Geowissenschaften hinaus: Unterwasser-Canyons transportieren organischen Kohlenstoff in die Tiefsee und tragen so zur langfristigen Klimaregulierung bei. Indem die Studie zeigt, wo und warum sich solche Canyons bevorzugt bilden, verbessert sie unser Verständnis der globalen Kohlenstoffsenken. „Unsere Ergebnisse helfen, Regionen zu identifizieren, in denen Kohlenstoff besonders effizient in die Tiefe gelangt“, sagt Anne Bernhardt. „Das ist wichtig, um Erdsystemmodelle und Prognosen zur Stabilität natürlicher Kohlenstoffspeicher zu verbessern.“


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Anne Bernhardt, Freie Universität Berlin, Institut für Geologische Wissenschaften, E-Mail: anne.bernhardt@fu-berlin.de


    Original publication:

    https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adv3942


    Images

    Tief eingeschnittene Unterwasser-Canyons am atlantischen Kontinentalrand vor der Westküste der USA (Bundesstaat Washington) – entstanden durch Erosionsprozesse unter dem Meeresspiegel.
    Tief eingeschnittene Unterwasser-Canyons am atlantischen Kontinentalrand vor der Westküste der USA ( ...
    W. Schwanghart,
    Datenquelle: Beeson, J.W., Dartnell, P., Watt, J.T., 2025


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
    Environment / ecology, Geosciences, History / archaeology, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Tief eingeschnittene Unterwasser-Canyons am atlantischen Kontinentalrand vor der Westküste der USA (Bundesstaat Washington) – entstanden durch Erosionsprozesse unter dem Meeresspiegel.


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