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06/30/2025 09:51

Mütter rauchen später häufiger, wenn sie länger in Babykarenz sind

Theresa Bittermann Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Studie mit Daten aus 14 europäischen Ländern zeigt unerwartete Langzeitfolgen familienpolitischer Maßnahmen

    Eine neue Studie der Universität Wien zeigt, dass besonders lange Karenzzeiten um die Geburt eines Kindes langfristig mit einem höheren Risiko für gesundheitsschädliches Verhalten – konkret: Rauchen – verbunden sind. Das Forschungsteam rund um Sonja Spitzer analysierte die Auswirkungen von Karenzzeiten auf das Rauchverhalten von Müttern in 14 europäischen Ländern, darunter auch Österreich. Die Studie wurde aktuell im renommierten Fachmagazin Journal of Health Economics veröffentlicht und basiert auf einer Zusammenarbeit mit der Hertie School Berlin und der TU Wien.

    Die Dauer der beruflichen Auszeit um die Geburt eines Kindes beeinflusst nicht nur das Wohlbefinden und Einkommen von Müttern, sondern wirkt sich auch langfristig auf deren gesundheitliches Verhalten aus. In ihrer neuen Studie zeigen die Wissenschafter*innen, dass sehr lange Abwesenheiten vom Beruf mit einem höheren Risiko für dauerhaftes Rauchen verbunden sind. Gleichzeitig deuten die Ergebnisse darauf hin, dass kürzere Karenzzeiten tendenziell einen schützenden Effekt haben könnten. "Eigentlich haben wir erwartet, dass längere berufliche Auszeiten dazu führen würden, dass Mütter weniger rauchen. Unsere Ergebnisse zeigen aber eindeutig, die Wahrscheinlichkeit zum späteren Rauchen steigt mit einer längeren Karenz", erklärt die Studienautorin Sonja Spitzer, Demografin an der Universität Wien.

    "Prinzipiell ist eine Karenz um die Geburt wichtig für die Gesundheit und kurzfristig überwiegt auch der gesundheitliche Schutz. Wenn die Karenzzeit aber zu lang ist, können finanzielle Belastung, soziale Isolation und berufliche Nachteile zunehmen – das Rauchen könnte ein Bewältigungsmechanismus für diesen Stress sein. Dass längere Karenzzeiten die Wahrscheinlichkeit zum späteren Rauchen erhöhen, konnten wir eindeutig zeigen. Über die genauen Gründe dahinter können wir derweil erst spekulieren, aber sie passen zu dem, was wir in der Literatur und unseren Daten andeutungsweise sehen", sagt Spitzer.

    Rauchen gilt als eine der größten vermeidbaren Gesundheitsgefahren. "Unsere Ergebnisse werfen ein neues Licht auf Karenzregelungen: Karenzzeiten sollen Eltern entlasten, sie können jedoch auch unbeabsichtigte Nebeneffekte auf die Gesundheit haben – insbesondere dann, wenn finanzielle Unsicherheit rund um die Geburt besteht", sagt Spitzer.

    Das Forschungsteam verknüpfte großflächige Umfragedaten von über 8.500 Müttern aus dem europaweiten SHARE-Datensatz mit historischen Informationen zu gesetzlichen Karenzregelungen in 14 europäischen Ländern zwischen 1960 und 2010. Für Österreich sind die neuen Studienergebnisse besonders relevant: Mit durchschnittlich 27 Monaten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit um die Geburt zählt Österreich zu den Ländern mit den weltweit längsten Karenzzeiten von Müttern. Mithilfe eines ökonometrischen Verfahrens – dem Instrumentvariablenansatz – wurde der kausale Effekt der Karenzdauer auf das spätere Rauchverhalten untersucht.

    Ein zusätzlicher Monat Karenz erhöht die Wahrscheinlichkeit, später im Leben zu rauchen, um 1,2 Prozentpunkte. Pro zusätzlichem Karenzmonate steigen auch die Gesamtdauer des Rauchens (+7 Monate), die Anzahl der täglich konsumierten Zigaretten (+0.2 Zigaretten täglich) und die sogenannten "Pack Years" (+0.6). Besonders betroffen sind Mütter, die um die Geburt keine finanzielle Unterstützung durch einen Partner erhalten haben. "Finanzielle Sorgen in einer ohnehin sensiblen Lebensphase wie rund um die Geburt können den Druck zusätzlich erhöhen – dieser Stress scheint sich langfristig besonders deutlich im Gesundheitsverhalten niederzuschlagen", so Spitzer. Weniger lange Karenzzeiten scheinen in Bezug auf das Rauchverhalten hingegen potenziell schützend zu wirken. Die Ergebnisse legen nahe, dass die optimale Dauer von Karenzzeiten sorgfältig abgewogen werden sollte.

    Damit liefern die Wissenschafter*innen eine wichtige Ergänzung zur Debatte um die Ausgestaltung familienpolitischer Maßnahmen: Wie lange ist zu lange? Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sorgfältig abgewogen werden sollte zwischen Schutz und Fürsorge um die Geburt eines Kindes, finanziellen Aspekten, Arbeitsmarktintegration und langfristige Einkommen von Müttern und gesellschaftlichen Zielen wie Geschlechtergerechtigkeit – und natürlich der Gesundheit der Mütter.


    Contact for scientific information:

    Dr. Sonja Spitzer
    Institut für Demographie, Universität Wien
    1010 Wien, Dominikanerbastei 16
    T +43 1 51581 7753
    M +43 650 79 64 633
    sonja.spitzer@univie.ac.at
    www.univie.ac.at


    Original publication:

    Renner, A.-T., Shaikh, M., Spitzer, S. (2025; forthcoming): Absence from work and lifetime smoking behavior: Evidence from European maternal leave policies. In Journal of Health Economics.
    DOI: 10.1016/j.jhealeco.2025.103004
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0167629625000396?via%3Dihub


    More information:

    https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/a...


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    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Nutrition / healthcare / nursing, Social studies
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

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