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08/21/2025 17:06

Europäische Allianz für Proximitäts-induzierende Wirkstoffe

Pia Barth Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führender europäischer Forschungseinrichtungen befürworten die Gründung einer Europäischen Allianz zur beschleunigten Entwicklung von Proximitäts-induzierenden Wirkstoffmodalitäten. Dies haben die Goethe-Universität Frankfurt, das IRB Barcelona, AITHYRA in Wien, die Universität von Dundee sowie die EPFL Lausanne soeben in einem Perspektivenbeitrag in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Molecular Cell bekannt gegeben. Die innovativen therapeutischen Ansätze beruhen auf dem Prinzip, Moleküle gezielt in unmittelbare räumliche Nähe zu bringen, um krankheitsrelevante Proteine zu beeinflussen – darunter viele, die bislang als nicht angreifbar galten.

    FRANKFURT, BARCELONA, DUNDEE, LAUSANNE, WIEN. Proximitäts-induzierende Wirkstoffe wie PROTACs (proteolysis targeting chimeras) oder molekulare Kleber programmieren die zelluläre Maschinerie so um, dass krankheitsverursachende Proteine verändert oder eliminiert werden. Ausgehend von der Idee, das zelleigene Entsorgungssystem gezielt zum Abbau von Proteinen zu nutzen, haben diese Ansätze die Art und Weise, wie Wissenschaftler Krankheitsmechanismen angehen, nachhaltig verändert: Anders als herkömmliche Hemmstoffe können diese innovativen Wirkstoffe nämlich schädliche Proteine komplett entfernen. Und mehr noch: Inzwischen wird auch an der Umprogrammierung anderer zellulärer Signalwege geforscht.

    In Deutschland treibt der Zukunftscluster PROXIDRUGS, unter Leitung der Goethe-Universität Frankfurt, die Entwicklung dieser bahnbrechenden Wirkstoffklasse voran. Seit Oktober 2021 erhält PROXIDRUGS eine jährliche Förderung in Höhe von fünf Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung, Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR). Der Cluster hat ein weitreichendes nationales Netzwerk aus akademischen und industriellen Partnern aufgebaut, das nun international ausgeweitet werden soll. Eine zentrale Säule des PROXIDRUGS-Clusters bildet die über Jahrzehnte aufgebaute Expertise der Goethe-Universität in der Erforschung zellulärer Abbauwege, insbesondere im Bereich des Ubiquitin-Proteasom-Systems und der Autophagie. Zudem ist hier das neu gegründete Frankfurt Center for Emerging Therapeutics (FCET) angesiedelt – ein interdisziplinärer Innovationshub, der zentrale Plattformen für Spitzenforschung bietet und einen schnellen Technologietransfer ermöglicht.

    „Proximitäts-induzierende Strategien schreiben die Spielregeln der Wirkstoffentwicklung neu“, sagt Prof. Ivan Đikić, Sprecher von PROXIDRUGS, Professor an der Goethe-Universität und Mitautor des Artikels. „Die Verknüpfung unserer nationalen Aktivitäten mit anderen international führenden Institutionen wird den Innovationsprozess beschleunigen. Unsere Vision geht über die Stärkung akademischer Verbindungen hinaus, wir wollen vor allem auch eine breite, tragfähige Kooperation mit der Industrie etablieren.“

    Der nun veröffentlichte Perspektiven-Artikel skizziert die wissenschaftlichen Durchbrüche der letzten Jahre – vom Weg der PROTACs aus dem Labor in die Klinik über das gezielte Design von molekularen Klebern bis hin zu neuen Strategien, um die zellulären Abbauprozesse therapeutisch zu nutzen. Außerdem wird aufgezeigt, wie KI und maschinelles Lernen die Forschung auf diesem Gebiet beschleunigen und nachhaltig verändern könnten.

    Proximitäts-induzierende Wirkstoffe eröffnen neue Möglichkeiten für biologische Ziele, die für herkömmliche Inhibitoren nicht zugänglich sind, und versprechen Fortschritte bei bislang nicht-therapierbaren Krankheiten.

    Die Autorinnen und Autoren betonen die grundlegende Bedeutung der akademischen Forschung für den Fortschritt in diesem Bereich und rufen zu einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie auf, um das volle therapeutische Potenzial auszuschöpfen. Die beteiligten Forschungszentren in Wien, Dundee, Barcelona, Frankfurt und Lausanne vereinen komplementäre Expertise in medizinischer Chemie, Strukturbiologie, Biophysik, Zellbiologie und computergestützten Methoden. Bestehende Kooperationen seien bisher oft zu begrenzt in Umfang und Dauer.

    Die geplante Europäische Allianz soll Know-how, Infrastruktur und digitale Plattformen bündeln. Sie würde den Zugang zu Technologien erleichtern, neue Standards zur Bewertung setzen, die Verzahnung experimenteller und rechnergestützter Wirkstoffentdeckung verbessern sowie lebensnahe Modelle entwickeln, um Herausforderungen bei Wirkstofftransport und Sicherheit zu adressieren. Angestrebt wird die Einwerbung öffentlicher und privater Fördermittel, um die bestehenden europäischen Zentren mit internationalen Partnern zu vernetzen, unter anderem Pharma-, Biotech- und Technologiefirmen.

    „In der vorwettbewerblichen Entwicklungsphase können sich akademische Freiheit, methodische Innovation und industrielle Erfahrung gegenseitig ideal stärken“, sagt Đikić. „Hier kann eine Allianz die größte Wirkung entfalten, weitere Partner zur Mitarbeit motivieren und die Chancen deutlich erhöhen, dass neue Konzepte effizient vom Labor in die Anwendung gelangen.“

    Kernaussagen:
    1. Bahnbrechende Therapeutika: Proximitäts-induzierende Wirkstoffe wie PROTACs und molekulare Kleber können krankheitsverursachende Proteine vollständig entfernen und eröffnen so neue Behandlungsoptionen für bisher nicht angreifbare Ziele.
    2. Ein europäisches Innovationskraftwerk am Start: Führende akademische Standorte in Frankfurt, Barcelona, Dundee, Lausanne und Wien bringen Spitzenexpertise ein und streben eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen akademischen Institutionen und mit Industriepartnern an, um ungenutzte Potenziale besser auszuschöpfen.
    3. Appell zur Zusammenarbeit: Die Autorinnen und Autoren fordern den Aufbau einer globalen Allianz zwischen Wissenschaft und Industrie, um Ressourcen zu teilen, die frühe Wirkstoffentwicklung zu beschleunigen und die nächste Forschergeneration auszubilden, sodass Durchbrüche aus der Grundlagenforschung schneller zur Anwendung gelangen.


    Contact for scientific information:

    Über die Autoren:
    Die Perspektive wurde verfasst von Ivan Đikić (Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland), Cristina Mayor-Ruiz (Institute for Research in Biomedicine, Barcelona, Spanien), Georg E. Winter (AITHYRA – Research Institute for Biomedical Artificial Intelligence, Wien, Österreich), Kerstin Koch (Goethe-Universität Frankfurt, Deutschland), Alessio Ciulli (University of Dundee, Großbritannien) und Nicolas H. Thomä (École polytechnique fédérale de Lausanne, Schweiz).

    Kontakt:
    Dr. Kerstin Koch
    Clusterbüro PROXIDRUGS
    Institut für Biochemie II
    Goethe-Universität Frankfurt
    +49 (0)69 6301 84250
    k.koch@em.uni-frankfurt.de
    www.proxidrugs.de
    www.biochem2.com


    Original publication:

    Link zum Artikel: https://doi.org/10.1016/j.molcel.2025.07.018


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Chemistry, Medicine
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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