An einem vertrauten Ort finden wir uns auch Wochen später noch zurecht. Unser Gehirn speichert dafür ein Modell der Umgebung ab. Diese innere Darstellung der Außenwelt ist jedoch nicht gleichbleibend in einer bestimmten Gehirnregion hinterlegt. Sie wandert herum und wird laufend „neu konfiguriert“, obwohl sich unser Verhalten nicht ändert. Im Fachjargon wird das Phänomen als Repräsentationsdrift bezeichnet. Jonas-Frederic Sauer, Physiologie-Professor der Universität des Saarlandes, will dies nun genauer erforschen. Der Europäische Forschungsrat hat ihm für seine Grundlagenforschung einen ERC Consolidator Grant in Höhe von rund zwei Millionen Euro bewilligt.
„Wenn wir die Straße entlanggehen, in der wir wohnen, oder unser Lieblingsessen riechen, fühlt sich das von einem Tag zum nächsten nicht anders an. Dennoch sind die damit verbundenen neuronalen Darstellungen im Gehirn unterschiedlich“, sagt Jonas-Frederic Sauer. Unser Verhalten und die Wahrnehmung unserer Umgebung bleibt also gleich, während sich die Abläufe, die dafür im Gehirn hinterlegt sind, laufend verändern. „Wir wissen heute sehr genau, welche Hirnregionen aktiviert werden, wenn wir uns in einem Raum orientieren wollen, dabei bestimmte Geräusche erfassen oder vertraute Gerüche wahrnehmen. In bildgebenden Verfahren können wir jedoch sehen, dass sich die Aktivitäten der beteiligten Neuronen immer wieder, also über mehrere Wochen hinweg, verändern und einzelne Hirnregionen davon unterschiedlich stark tangiert sind“, erklärt Jonas-Frederic Sauer, der seit Jahresbeginn am Zentrum für integrative Physiologie und Molekulare Medizin (CIPMM) am Campus Homburg forscht.
Stabile Kommunikation der Hirnareale trotz stetigem Wandel
Erst kürzlich hat sein Forschungsteam festgestellt, dass der präfrontale Kortex, der für das Denken und Problemlösen eine wichtige Rolle spielt, sich weniger stark verändert als andere Hirnregionen. „Dort scheint die neuronale Kodierung also stabiler verankert zu sein als etwa im Hippocampus, in dem Ortszellen hinterlegt sind, die uns bei der räumlichen Orientierung helfen. Auch die Hirnregionen, in denen wir sensorische Informationen wie Gerüche verarbeiten, sind einem stärkeren Wandel unterworfen“, erklärt der Physiologie-Professor. Warum wir uns dennoch gleichbleibend verhalten und an viele Dinge unverändert erinnern können, ist ein noch ungelöstes Rätsel der Wissenschaft. „Dieser Frage wollen wir uns in unserem Forschungsvorhaben annähern und untersuchen, wie die einzelnen Hirnregionen miteinander kommunizieren. Insbesondere wird es um die Frage gehen, wie Hirnareale sich stabil austauschen können, auch wenn in diesen der Repräsentationsdrift mit unterschiedlicher Geschwindigkeit abläuft“, sagt Jonas-Frederic Sauer. Dabei wird sein Forschungsteam verschiedene Methoden einsetzen, angefangen von bildgebenden Messtechniken über die Elektrophysiologie bis hin neuartigen Rechenverfahren.
Vorbild für künstliche neuronale Netzwerke
Diese Grundlagenforschung soll dazu dienen, besser zu verstehen, wie neuronale Netzwerke Informationen aus der Umgebung verarbeiten. „Dies spielt auch eine Rolle bei der Frage, wie wir lernen und Inhalte langfristig abspeichern. Unsere Erkenntnisse werden aber sicherlich auch für das Forschungsgebiet der Künstlichen Intelligenz von Interesse sein, da sich das menschliche Gehirn in der Evolution laufend optimiert hat und daher auch für künstliche neuronale Netzwerke als Vorbild dienen kann“, sagt der Physiologie-Professor.
Das Projekt „Deciphering the logic of representational drift and its conversion to stable readouts“ wird in den kommenden fünf Jahren mit insgesamt rund zwei Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert. Start wird voraussichtlich Mitte 2026 sein.
Prof. Dr. Jonas-Frederic Sauer
Universität des Saarlandes/CIPMM
Tel.: +49 6841/ 16-16373
Mail: jonas.sauer@uni-saarland.de
https://erc.europa.eu/news-events/news - Pressemitteilung des Europäischen Forschungsrates
https://cipmm.uni-saarland.de/en/physiology/ag-sauer/research-ag-sauer - Forschungsgruppe am Center for Integrative Physiology and Molecular Medicine (CIPMM)
Jonas-Frederic Sauer, Physiologie-Professor der Universität des Saarlandes, erhält vom Europäischen ...
Source: CIPMM
Copyright: Universität des Saarlandes
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Medicine
transregional, national
Contests / awards, Research projects
German

Jonas-Frederic Sauer, Physiologie-Professor der Universität des Saarlandes, erhält vom Europäischen ...
Source: CIPMM
Copyright: Universität des Saarlandes
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).