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07/03/1996 00:00

Zudringliche Therapeuten - Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    76/96

    Zudringliche Therapeuten

    Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie

    Patienten suchen Hilfe bei einem Psychotherapeuten und werden sexuell missbraucht - eine schlimme Situation fuer die Opfer. Wie es dazu kommen kann und wie Patienten und die Psychotherapeuten, die sie dann behandeln, damit umgehen koennen haben die Diplom-Psychologen Professor Dr. Gottfried Fischer von der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universitaet zu Koeln und Dr. Monika Becker-Fischer vom Institut fuer Psychotraumatologie Freiburg/Koeln in einer Studie untersucht.

    Sexueller Missbrauch waehrend einer psychotherapeutischen Behandlung wurde erst in den letzten Jahren von der OEffentlichkeit und in den Fachkreisen der Psychotherapeuten als Problem wahrgenommen. Die Dimensionen jedoch sind gross: Die beiden Koelner Psychologen schaetzen, dass es mindestens sechshundert Mal pro Jahr in Deutschland zu einem sexuellen UEbergriff waehrend einer Therapie kommt, wobei die Taeter fast immer Maenner und die Opfer Frauen sind. In fast achtzig Prozent der Faelle geht nach der Studie der Koelner Psychologen und Psychotherapeuten die Initiative zum sexuellen Kontakt vom Therapeuten aus. Im typischen Fall wird die Patientin nicht ueberfallen; der sexuelle Kontakt wird subtil vorbereitet, indem der Therapeut die Patientin allmaehlich in seinen privaten Bereich einbezieht. Er macht sie zu seiner Vertrauten und bindet sie emotional an sich. Zugleich wird ihr der Eindruck vermittelt: "Ich bin nur liebenswert, wenn ich mich auf der sexuellen Ebene anbiete." Damit nutzt der Therapeut seine Machtstellung aus, so die Koelner Psychologen, indem er Patientinnen, die sich in einer Notsituation an ihn wenden, aus selbstbezogenen Motiven von sich abhaengig macht. Die Koelner Psychologen und Psychoanalytiker zeigen zwar auf, dass bei so handelnden Therapeuten eine Persoenlichkeitsstoerung vorliegt. Sie weisen aber darauf hin, dass diese sich als fachkundige Psychotherapeuten anbieten und daher ihre Moeglichkeiten und auch ihre Grenzen kennen muessen. Selbst wenn Patientinnen erotische Phantasien bezueglich des Therapeuten aeussern, sei es die Pflicht des Therapeuten, damit in einer hilfreichen Weise umzugehen.

    Die Autoren widmen eine eigene Abhandlung der Frage, wie das Trauma eines sexuellen Missbrauchs ueberwunden werden kann. Zunaechst war es fuer die meisten Opfer hilfreich, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschliessen. In der Regel ist jedoch zusaetzlich die Behandlung durch einen Folgetherapeuten erforderlich. Dieser steht vor keiner einfachen Aufgabe: Es ist fuer ihn schwierig, ein Vertrauensverhaeltnis zu einer Patientin aufzubauen, die von einem anderen Psychotherapeuten missbraucht wurde. Auch verstellen falsch verstandene "Kollegialitaet" oder auch realitaetsgerechte Empoerung - viele Folgetherapeuten leiden unter ihrer Schweigepflicht - haeufig den Blick auf die Patientin. Die beiden Koelner Psychologen sehen hier noch einen grossen Bedarf in der Aus- und Fortbildung.

    Ein weiterer Aspekt der Untersuchung der Koelner Psychologen liegt in den rechtlichen Moeglichkeiten und Chancen fuer die Opfer. Besonders wenn es sich um einen anerkannten und auch in Fachkreisen renommierten Psychotherapeuten handelt, ist es fuer die Patientinnen oft schwer, ihre Glaubwuerdigkeit zu beweisen. Es gibt waehrend einer Therapie keine Zeugen, zudem befinden sich die Opfer meist in einer konfusen seelischen Situation. UEbereinstimmend erlebten die Patientinnen der Koelner Studie es aber als hilfreich, aus der Ohnmacht des Opfers herauszutreten und gegen die Taeter aktiv zu werden.

    In ihrem Fazit bemaengeln die Koelner Psychologen, dass die Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" weder gesetzlich geschuetzt ist noch die Qualitaet der Psychotherapien von unabhaengiger Seite kontrolliert wird. Sie warnen auch davor, das Problem in der OEffentlichkeit auf spektakulaere Einzelfaelle zu reduzieren und zu emotionalisieren, was den Blick auf die Loesung dieses Problems verstellen wuerde. Die Koelner Psychologen: "Fuer die Psychotherapie stellt der Missbrauch ein Problem dar, das ihre Fundamente grundsaetzlich in Frage stellt".

    Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

    Fuer Rueckfragen steht Ihnen Professor Dr. Gottfried Fischer von der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universitaet zu Koeln am Mittwoch, den 3. Juli 1996 ab 11.00 Uhr unter der Telefonnummer 0221/470-4805 zur Verfuegung.

    UEber die Zusendung eines Belegexemplares wuerden wir uns freuen.


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
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    German


     

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