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03/10/1999 13:00

Internationaler Kongreß über das Frühwerk des Philosophen und Theologen Friedrich Schleiermacher

Ingrid Godenrath Stabsstelle Zentrale Kommunikation
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Den 200. Jahrestag des Erscheinens der Reden "Über die Religion" nimmt die Schleiermacher-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und den Franckeschen Stiftungen zu Halle zum Anlaß, vom 14. März bis zum 17. März 1999 in Halle einen internationalen Kongreß über das Frühwerk Friedrich Schleiermachers (1768-1834)zu veranstalten
    (Tagungsbeitrag: 50,- / 30,- DM). Mit einer kurzen Tagungseinführung und dem Festvortrag von Prof. Dr. Eberhard Jüngel (Tübingen) zum Thema "Häresis - ein Wort, das wieder zu Ehren gebracht werden sollte - Schleiermacher als Ökumeniker" wird der Kongreß am 14. März, 19:00 Uhr, im Freylinghausen-Saal, Hauptgebäude der Franckeschen Stiftungen, Franckeplatz 1, eröffnet. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Ulrich Barth, Universität Halle.

    Das Tagungsprogramm weist folgende thematische Schwerpunkte auf:

    - Philosophische und Theologische Aufklärung
    - Romantik und Idealismus
    - Religionstheorie und Theologie
    - Ethik und Kulturtheorie.

    Die nachfolgenden drei Kongreßtage beginnen vormittags jeweils 9:00 Uhr mit zwei öffentlichen Vorträgen mit anschließender Podiumsdiskussion. An den Nachmittagen werden sich vier Sektionen zu den genannten Themenschwerpunkten bilden.

    Im Jahre 1799 erschien - zunächst anonym - Schleiermachers epochemachendes Werk "Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern". Mißt man den Rang eines Klassikers an der Breite und Intensität der auf ihn bezogenen Debattenlage, dann scheint die Bedeutung Schleiermachers gegenwärtig im Wachsen begriffen zu sein. So zeigt sich die Resonanz der neuen Ausgabe sowohl in der gestiegenen Zahl von Dissertationen und Aufsätzen hochspezialisierten Forschungsgrades wie auch in den neueren Gesamtdarstellungen und der einschlägigen Überblicksliteratur. Aufgrund dieser Publikationen ist eine Vielzahl vergröbernder Urteile - im Positiven wie im Negativen - einer detaillierteren und verläßlicheren Einschätzung gewichen.

    Das gestiegene wissenschaftliche Interesse an Schleiermacher steht nicht allein. Generell ist zu beobachten, daß die Erforschung der sogenannten Sattelzeit nicht nur auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, sondern auch in der Mentalitäts- und Ideengeschichte einen ungeheuren Aufschwung genommen hat. An die Stelle von globalen Einteilungen ist eine Fülle von detaillierten Fallstudien getreten, die jeden Einzelfall als wesentlich komplexer erscheinen lassen, als die stereotypisierende Betrachtung suggeriert. Insbesondere die Quer- und Rückverweise, die sich bei genauerer Kenntnis ergeben, zeigen, daß scheinbar eindeutige Zuordnungen nur eine erste Annäherung darstellen können. So hat etwa die neuere Erforschung der Spätaufklärung, der Frühromantik und des Deutschen Idealismus gezeigt, daß die Übergänge wesentlich fließender sind als es das Bedürfnis nach Epochenunterscheidungen nahelegt. Dies trifft auch in vollem Umfang auf die Genese des theologischen, philosophischen und philologischen Schaffens Schleiermachers zu. Herrnhuter Frömmigkeitstradition, Hallenser Schulphilosophie, Berliner Aufklärung, romantische Ästhetik und idealistisches Systemdenken, die sich auf den ersten Blick auszuschließen scheinen, sind im Frühwerk Schleiermachers eng miteinander verbunden. Insofern erweist sich seine Position als geradezu exemplarisch für die vielfältigen Synthesemöglichkeiten, die die innere Komplexität dieser Epoche insgesamt kennzeichnen. Aus diesem Grund ist Schleiermachers Werk wie kaum ein anderes darauf angewiesen, durch einen engen Verbund verschiedener Methoden und Disziplinen erschlossen zu werden.

    Eine solche Öffnung der methodischen Perspektiven läßt sich auch in den neueren theologischen Forschungsbeiträgen beobachten. Dies hängt sicherlich zusammen mit der Übergangslage, in der sich die gegenwärtige Theologie befindet. Die Unsicherheiten der kulturellen und gesellschaftlichen Situation der Kirchen zeitigen nicht nur technisch-praktische Probleme, sondern werfen auch übergreifende kulturtheoretische Fragen auf. Die allseits zu beobachtende Rückbesinnung auf Schleiermacher dürfte vor allem darin ihren Grund haben, daß gerade von ihm maßgebliche Konzepte zum Verhältnis von Religion und Wissenschaft, Christentum und Kultur bzw. Kirche und Bildung erarbeitet worden sind, die trotz weitreichender soziokultureller Veränderungen bis heute nicht an Orientierungskraft verloren haben. Ein großer Teil der neueren Schleiermacher-Forschung ist gerade an diesem Aspekt seines Werkes interessiert. Es zeigt sich, daß die kulturtheoretischen Einsichten Schleiermachers jenseits dogmatischer Zustimmung oder Ablehnung positionsübergreifend die derzeitige Diskussionslandschaft bestimmen. An dieser Stelle kommt es zu höchst produktiven Überschneidungen zwischen der Schleiermacherforschung und dem gegenwärtig stark anwachsenden, interdisziplinären Interesse an Begriff und Geschichte des Kulturprotestantismus.

    Schleiermachers Denken, vor allem seine Kulturtheorie und Hermeneutik, begegnet auch in der umfangreichen Debatte, die sich seit geraumer Zeit wieder dem Selbstverständnis und der gesellschaftlichen Funktion der Geisteswissenschaften widmet. Schleiermachers Hermeneutik und ihre Systemverortung sind geeignet, den unfruchtbaren Streit um den methodischen Primat der Begriffe "Kulturwissenschaft" und "Geisteswissenschaft" zu unterlaufen und statt dessen der Differenziertheit des Untersuchungsgegenstandes Geltung zu verschaffen.
    Der Kongreß verfolgt das Ziel, die zum Teil recht verstreuten wissenschaftlichen Beiträge zu Schleiermacher zu bündeln und damit der Forschung insgesamt neue Impulse zu geben. Dabei stehen insbesondere die stärkere Vernetzung von deutschsprachiger und internationaler Forschung, sowie die Ausweitung und Vertiefung der interdisziplinären Bemühungen um das Werk Schleiermachers im Vordergrund. Auch soll damit dem geschilderten theologischen Orientierungsbedürfnis - das ja keineswegs auf die deutsche Situation beschränkt ist - in konstruktiver Weise Rechnung getragen werden.

    (Dr. Claus-Dieter Osthoevener)

    Öffentliche Vorträge:

    Prof. Dr. Kurt Nowak, Leipzig:
    "Romantik - Zum historischen Ort einer kulturellen und religiösen Erscheinung"

    Prof. Dr. Jürgen Stolzenberg, Halle:
    "Wandel der Weltinterpretation um 1800"

    Prof. Dr. Hendrik Johan Adriaanse, Den Haag:
    "Schleiermachers 'Reden' als Paradigma der Religionsphilosophie"

    Prof. Dr. Trutz Rendtorff, München:
    "Religion - das vollendetste Resultat der menschlichen Geselligkeit."
    Über das unvollendete Projekt einer Individualitätskultur

    Prof. Dr. Konrad Cramer, Göttingen:
    "Anschauung des Universums. Schleiermacher und Spinoza"

    Prof. Dr. Eilert Herms, Tübingen:
    "Glauben, Wissen und Handeln bei Schleiermacher und in der Schleiermacher-Rezeption"

    Ansprechpartner:
    Institut für Systematische Theologie
    Universitätsplatz 8/9
    06099 Halle

    Prof. Dr. Ulrich Barth
    Tel.: (0345) 55 230 80
    Fax: (0345) 55 272 40

    Dr. Claus-Dieter Osthoevener
    Tel.: (0345) 55 230 12 (dienstl.)
    Tel.: (0345) 53 201 25 (privat)
    Fax: (0345) 55 272 40

    e-mail: schlei-kongr@theologie.uni-halle.de

    Informationen auch unter der Internetadresse
    http://anu/theologie.uni-halle.de/st/fsk/


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Philosophy / ethics, Religion, Social studies
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences
    German


     

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