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Wissenschaft
Wären die Zeiten nur ein wenig anders, dann hätte der amtierende Bundeskanzler bei der Niederlage der deutschen Fußballnationalmannschaft in Bratislava Anlass gehabt, besorgt die Stirn zu runzeln, um dann beim 4:2-Sieg gegen Südafrika erleichtert aufzuatmen. So aber konnte Gerhard Schröder es sich leisten, die Länderspiele beiseitezulassen und sich auf Anderes zu konzentrieren, vielleicht auch zur Abwechslung entspannt dem Verlauf eines der Testspiele zu folgen. Diesmal ging es nicht um die Fußballweltmeisterschaft. Die nämlich, das hat ein Team von Kommunikationswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen der Universität Erlangen-Nürnberg aufgezeigt, kann deutsche Regierungen vor Neuwahlen das Fürchten lehren, ihnen aber ebensogut ein willkommener Wahlhelfer sein.
Mit den vorgezogenen Neuwahlen zum Deutschen Bundestag am 18. September 2005 wird eine Kopplung unterbrochen, die Fußball und politische Richtungsentscheidung zumindest zeitlich eng aneinander knüpfte. Seit 1990 wurden die Fußballweltmeisterschaften jeweils nur wenige Monate vor den Bundestagswahlen in Deutschland ausgetragen. Prof. Dr. Lutz Hagen, Dr. Reimar Zeh, Maike Müller-Klier und Nina Reiling haben herausgearbeitet, dass dieser parallel verlaufende Vier-Jahres-Turnus nicht der einzige Zusammenhang war.
Auf Triumphe der deutschen Kicker folgte, wie die vier Experten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät eruierten, auffallend häufig ein Votum der Wählermehrheit für die Regierungsparteien. Im Jahr 2002 führte Trainer Rudi Völler seine Mannschaft überraschend zur Vizemeisterschaft; danach errang das Duo Schröder/Fischer mit seinem Team einen knappen, vorab keineswegs sicheren Wahlsieg. An Beispielen aus früherer Zeit fehlt es ebenfalls nicht. Der Amtsbestätigung von Konrad Adenauer 1954, von Willy Brandt 1972, von Helmut Schmidt 1976, von Helmut Kohl 1990 ging jedes Mal ein Erfolg von Deutschlands Nationalmannschaft voraus.
Was könnte Fußball und Politik miteinander verbinden? Eine Antwort darauf gibt das Konzept der Public Mood, einer allgemeinen, eher ungerichteten Stimmung, die weite Teile der Bevölkerung synchron erfasst. Intensive Medienberichterstattung über internationale Sportereignisse erzeugen demnach einen emotionalen Zustand mit Breitenwirkung, der dann seinerseits, ebenso wie individuelle Stimmungen, die politische Urteilsbildung beeinflusst. Verkürzt ließe sich sagen, dass Fußballfans, die sich über eine Erfolgsserie der deutschen Mannschaft freuen, anders wählen als missgelaunte Menschen.
Von Geschehnissen, welche die Stimmung in Deutschland deutlich heben, profitiert allerdings nicht nur die jeweilige Regierung, sondern auch die Opposition - jedoch in geringerem Maße. Deshalb wäre vorstellbar, dass Abgeordnete der SPD und der Grünen vor drei Jahren den deutschen Nationalkickern die Daumen viel fester drückten als Parlamentarier der CDU/CSU und der FDP.
Dass knapp zwanzig deutsche Männer, die sich allein im Sport, nicht aber durch politische Kompetenzen ausgezeichnet haben, auf das Wahlergebnis einen so großen und sachlich unbegründeten Einfluss nehmen können, ist nun erst einmal vorüber. Den Kontrahenten Gerhard Schröder und Angela Merkel müsste inzwischen eine neue Unwägbarkeit zu denken geben. 2002, das gilt als gesichert, kam die Jahrhundertflut in den neuen Bundesländern dem Sozialdemokraten zur Hilfe. 2005 hatten die Menschen erneut gegen ein gewaltiges Hochwasser zu kämpfen - aber in Bayern. Wer könnte diesmal davon profitieren?
Das UniKurier-Magazin Nr. 106 vom Juni 2005 enthält im Schwerpunktthema "Flanke, Kopfball, Tor! Wissenschaft rund um den Fußball" einen umfassenden Bericht über die hier kurz dargestellte Untersuchung. Die Publikation der Universität Erlangen-Nürnberg ist im Internet unter http://www.uni-erlangen.de/infocenter/presse/veroeffentlichungen/unikurier_magaz... einzusehen.
Weitere Informationen für die Medien:
Dr. Reimar Zeh
Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft
Tel.: 0911/5302-618
Reimar.Zeh@wiso.uni-erlangen.de
Maike Müller-Klier
Tel.: 0911/5302-671
Maike.Mueller-Klier@wiso.uni-erlangen.de
Criteria of this press release:
Law, Politics, Social studies, Sport science
transregional, national
Research results
German
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