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Wissenschaft
Sie schillern in allen möglichen Farben und ihre Formen sind bizarr oder hochsymmetrisch: Kristalle. Vor allem als Kunstobjekte oder als Modeschmuck werden sie geschätzt, doch nun hat eine Forschungsgruppe an der Universität Würzburg den kristallinen Festkörper auch als Medium für chemische Reaktionen entdeckt.
Im allgemeinen stellt sich der Laie die Durchführung einer chemischen Reaktion wohl so vor, dass ein Forscher verschiedene Chemikalien in einer Flüssigkeit löst und das Ganze dann bis zum Kochen erhitzt. Diese klassische Art der Reaktionsführung wird in den modernen Laboratorien nach wie vor angewendet. Dagegen läuft eine andere Methode "trocken" ab: Das Ausgangsmaterial wird direkt als Kristall oder Pulver einer chemischen Umwandlung unterzogen.
Während in einer Lösung die Reaktion meistens durch Zugabe weiterer Reagenzien und Erhitzen eingeleitet wird, ist diese Vorgehensweise bei einem Festkörper nicht möglich: Einerseits würden zusätzlich verwendete Substanzen nur an der Oberfläche wirken, andererseits kann das Erwärmen den Festkörper zum Schmelzen bringen. Deshalb wird die Reaktion bei Kristallen oder Pulvern durch Bestrahlung mit energiereichem Licht in Gang gebracht - die Wissenschaftler sprechen von einer Photoreaktion.
Der Würzburger Chemiker Dr. Heiko Ihmels erläutert die Vorteile von chemischen Reaktionen im Festkörper: Die Grundgerüste vieler chemischer Verbindungen sind so flexibel, dass verschiedene Teile eines Moleküls sich gegeneinander verdrehen können. Dies führt zu unterschiedlichen Geometrien, was im Verlaufe einer Reaktion die Ausbildung unterschiedlicher Produkte zur Folge haben kann. In einer Lösung sind derartige Molekülbewegungen kaum eingeschränkt, so dass viele Reaktionswege offen stehen. Im Festkörper hingegen sind die Moleküle so dicht gepackt, dass ihre Beweglichkeit stark unterbunden wird und oft nur eine bevorzugte Geometrie auftritt. Daher entsteht bei vielen der bislang untersuchten Reaktionen im Festkörper jeweils nur eines von vielen möglichen Produkten. Die lösungsmittelfreie Reaktionsführung dürfte außerdem zur Abfall- und Kostenvermeidung beitragen, denn die Entsorgung von umweltbelastenden oder giftigen Lösungsmitteln ist in vielen Fällen sehr teuer.
Am Institut für Organische Chemie der Universität Würzburg hat sich eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Ihmels für die trockene Methode begeistert. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Fonds der Chemischen Industrie und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt untersuchen die Wissenschaftler die Wechselwirkungen, welche die Kristallstruktur und die damit verbundene Reaktivität einer chemischen Verbindung im Festkörper bestimmen. So sollen gezielt Anordnungen von Molekülen im Kristall zugänglich gemacht werden, die der Photoreaktion eine Selektivität verleihen, wie sie in einer Lösung nicht gewährleistet ist. Sollten die Versuche zur weiteren Etablierung und Verfeinerung der neuen Synthesemethode erfolgreich sein, so stünde den Chemikern ein neues Werkzeug zur Verfügung, mit dem sie Moleküle synthetisieren könnten, die ansonsten nur mit größerem finanziellen und apparativen Aufwand zugänglich sind.
Weitere Informationen: Dr. Heiko Ihmels, T (0931) 888-5337, Fax (0931) 888-4756, E-Mail:
ihmels@chemie.uni-wuerzburg.de
http://www-organik.chemie.uni-wuerzburg.de/
Criteria of this press release:
Biology, Chemistry
transregional, national
Research projects
German
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