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Lehrerausbildung im Brennpunkt
Erfahrungen von Lehramtskandidaten mit ihren Vorgesetzten in der zweiten Phase der Ausbildung
Bekanntlich muessen auch angehende Lehrer nach dem Examen erst einmal in die "Lehre" gehen, bevor sie eigenstaendig unterrichten duerfen. Dabei stellt die erste Konfrontation mit den Schuelern fuer viele Referendare eine Herausforderung dar, der sie sich oft nicht gewachsen fuehlen. Dass Ausbilder auch Referendaren den Mut zur Bewaeltigung ihrer zukuenftigen Aufgabe nehmen koennen, gehoert allerdings zu den weniger bekannten Tatsachen. Die Frage, wie angehende Lehrer ihre Seminarleiter waehrend der zweiten Ausbildungsphase erleben und wie deren Verhalten ihre eigene Einstellung zum Beruf praegt, bildet den Ausgangspunkt fuer eine Untersuchung, die Professor Dr. Friedrich Masendorf und Siegbert Kratzsch von der Heilpaedagogischen Fakultaet der Universitaet zu Koeln initiieren.
Die vorliegenden Ergebnisse einer breit angelegten Umfrage, die mit Referendaren von verschiedenen Ausbildungsseminaren im Land Nordrhein-Westfalen durchgefuehrt wurde, vermitteln einen Eindruck von den Erfahrungen der Referendare mit ihren Seminarleitern. Das Ziel der Untersuchung bestand darin, Verhaltensweisen von Ausbildern aus der Sicht der Lehramtskandidaten zu ermitteln und anschliessend verschiedene "Typen" von Ausbildern zu charakterisieren. Neben der fachlichen Kompetenz wurden bei der Umfrage die Faehigkeit Vertrauen zu entwickeln und mit ihren "Lehrlingen" partnerschaftlich umzugehen, sowie die Praxis erleichternde Kenntnisse zu vermitteln, beurteilt. Im Idealfall handelte es sich bei den Leitern um einfuehlsame Persoenlichkeiten, welche die Schwierigkeiten der ihnen anvertrauten Berufsneulinge erkannten und diese mit entsprechenden Ratschlaegen unterstuetzen konnten. Darueber hinaus verfuegten die "Musterleiter" ueber exzellentes Fachwissen, so dass sie die Lehramtskandidaten auch durch sachliche Anregungen und die Unterrichtspraxis erleichternde Hilfestellungen foerdern konnten. In den unguenstigsten Faellen traten die Seminarleiter desinteressiert oder ueberheblich auf und spielten ihre amtliche Autoritaet gegenueber den Referendaren aus, ohne sich dabei durch fachliche Kompetenz auszuzeichnen. In ca. 400 anonym ausgefuellten Frageboegen attestierten die Referendare knapp zwei Drittel ihrer Vorgesetzten gute bis durchschnittliche Kompetenz auf den genannten Gebieten. Etwa ein Drittel der Ausbilder wurde jedoch eher dem negativen Typ zugeordnet, der durch mangelnden partnerschaftlichen Umgang bei geringer Fachautoritaet und Beratungskompetenz gegenueber kritischen Erziehungssituationen gekennzeichnet ist.
Die Koelner Erziehungswissenschaftler gingen auch der Frage nach, was gegen Lehrer unternommen werden kann, die ihrer Aufgabe, zukuenftige Lehrer zu motivieren und optimal auf ihre gesellschaftlich relevante Aufgabe vorzubereiten, nicht oder nur unzureichend gerecht werden. Zunaechst gilt die Voraussetzung, dass Ausbilder des zuletzt genannten Typs ihre von den Referendaren rueckgemeldeten Interaktionsmuster als nicht vorbildhaft akzeptieren. Zu Verhaltensaenderungen bezueglich eines effektiven Stils in Richtung auf mehr Hilfe und Unterstuetzung fuer die Referendare sind nur diejenigen Leiter bereit, die durch die anonym erhobenen Rueckmeldungen eine mit ihrem Selbstwertgefuehl unvereinbare Information erhalten. Nur fuer diese Leiter lassen sich Trainingsschwerpunkte realisieren, die als eigene Veraenderungswuensche konkret formuliert, in Rollenspielen ausprobiert und in die realen Situationen wieder eingebracht werden koennen.
Dass das Problem der Optimierung von Lehrerverhalten und somit auch das Problem der Lehrerevaluation vorzugsweise aspekthaft-differentiell angegangen werden kann, zeigt eine zusaetzliche Anschlusserhebung mit 350 Studienanfaengern des Lehrerstudiums. Die Studienanfaenger beurteilten in voneinander unabhaengigen Teilstichproben in einem standardisieren Fragebogen des oesterreichischen Erziehungsministerums ihren jeweils besten und schlechtesten Lehrer ihrer Schulzeit. Dem "besten" Lehrer bescheinigten sie hohe bis Hoechstwerte fuer die Bereiche "Unterricht gestalten" (z. B. er/sie unterrichtet interessant; Was wir bei ihm/ihr lernen, bringt auch etwas fuer das spaetere Leben), "soziale Beziehungen foerdern" (z. B. er/sie tut vieles, damit wir eine gute Klassengemeinschaft werden), "Verhalten kontrollieren und beurteilen" (z. B. er/sie bemerkt alles, was in der Klasse vor sich geht) und "auf spezifische Beduerfnisse eingehen" (z. B. er/sie kann sich gut in Problemschueler hineinversetzen). Die schlechtesten Lehrer erhielten uebereinstimmend extrem unterdurchschnittliche Werte bezueglich der genannten Fragen. Die Befunde zeigen, dass Lehrerstudenten als Studienanfaenger schon sehr eindeutige Vorstellungen ueber professionelles Lehrerverhalten, basierend auf den Erfahrungen ihrer eigenen Schulzeit, als Guete- und Vorbildmassstaebe in ihr Studium einbringen. Hieran anzuknuepfen und dieses besser umzusetzen, duerfte Teil einer zukuenftigen effizienten Lehrerausbildung sein.
Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias
Fuer Rueckfragen steht Ihnen Professor Dr. Friedrich Masendorf von der Heilpaedagogischen Fakultaet der Universitaet am Dienstag, den 9. Juli 1996 unter der Telefonnummer 0221/470-5545 zur Verfuegung.
Criteria of this press release:
Social studies
transregional, national
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German
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