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Die Bibliothek der Universität Erlangen-Nürnberg besitzt mit insgesamt 1700 Handzeichnungen des 14. bis 18. Jahrhunderts eine bedeutende Graphische Sammlung. Ihren hohen Rang verdankt sie der erstaunlichen Fülle qualitätvoller altdeutscher Zeichnungen, aus denen die spätgotischen des 14. und 15. Jahrhunderts besonders hervorragen. Mit der hohen Anzahl von 150 Blättern gehört sie - bezogen auf diese Epoche und diesen Kunstkreis - zu den weltweit bedeutendsten Sammlungen. Diese frühen nordalpinen Zeichnungen können jetzt dank eines dem Institut für Kunstgeschichte (Prof. Dr. Hand Dickel) gewährten Stipendiums der J. P. Getty Foudation, Los Angeles, erforscht werden.
Die meisten dieser Preziosen sind unsigniert, Datierungen kommen äußerst selten vor, und Quellen über ihre Funktion fehlen. Der genauen Analyse eines jeden Werks im Original, zu der auch materialkundliche Untersuchungen gehören, kommt damit ein hoher Stellenwert zu. Durch Dokumentation und Identifizierung der Wasserzeichen etwa konnte die kunsthistorische Bestimmung zahlreicher Blätter auf eine neue Grundlage gestellt werden: So erwies sich, dass die bislang in der Forschung als niederländische Arbeiten aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts angesehenen Erlanger Blätter höchst wahrscheinlich in Deutschland entstanden sind.
Das lückenhafte Wissen gerade um die fränkische Kunstproduktion aus der Zeit vor Dürer erhält durch diese Forschungen neue Perspektiven und gewinnt an Präzision. Von großer Bedeutung sind auch Aufschlüsse zur Zeichenkunst aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Fast ausschließlich dienten die nur selten erhaltenen Zeichnungen als Muster, und meist wurden die Motive nach Gemälden kopiert. Als Vorlagenschatz waren sie bedeutendes Werkstattkapital, das allerdings seinen Wert verlor, wenn die dargestellten Motive unmodern geworden waren, so dass die Blätter weggeworfen wurden. Die Erhaltung einiger weniger Zeichnungen muss daher als Glücksfall gelten.
Zu diesen gehört das Blatt mit zwölf Handstudien, das durch seine stattliche Größe, vorzügliche Erhaltung, wohl balancierte Komposition sowie das subtile Zusammenspiel von Linearität und plastischer Modellierung zu Recht als ein bedeutendes Exemplar gilt. Zwar ist kein Gemälde bekannt, auf dem die Hände exakt vorkommen, doch sind sie stilistisch am engsten mit einem Hauptwerk böhmischer Malerei verwandt: der Madonna von St. Veit in der Prager Nationalgalerie. Deren gesicherte Entstehung zu Beginn des 15. Jahrhunderts gab bislang die Datierung der Zeichnung um 1400-1410 vor, welche somit als herausragendes Beispiel für die Zeit der Internationalen Gotik galt. Das Wasserzeichen im Papier lässt sich jedoch nicht vor 1440 nachweisen, wobei die für den Vergleich unmittelbar relevante Referenzgruppe nicht weniger als 70 Dokumente umfasst. Damit entstand das Studienblatt deutlich nach der Zeit des weichen Stils und belegt die Verbindlichkeit der konservativen Musterbuchtradition. In methodischer Hinsicht zeigt sich, dass die Stilkritik als wichtiges Instrumentarium kunsthistorischer Kennerschaft unbedingt durch materialkundliche Analysen zu ergänzen ist.
Weitere Informationen für die Medien:
Prof. Dr. Hans Dickel
Tel.: 09131/85 -29234
hsdickel@phil.uni-erlangen.de
Musterblatt mit zwölf Händen, Böhmen (?), um 1440/45, Erlangen, Graphische Sammlung der Universität, ...
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Criteria of this press release:
Art / design, Music / theatre
transregional, national
Research projects
German
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