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08/28/2007 13:50

Kritik am "Gesundheitsatlas" und Vorschlag vom differenzierteren Umgang mit dem Begriff Gesundheit

Dmitrij Wilms Öffentlichkeitsarbeit
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Professor Haerting übt Kritik am "Gesundheitsatlas"

Mit dem jetzt medienwirksam verbreiteten Gesundheitsatlas soll die Gesundheit von deutschen Großstädten eingeschätzt werden. Mangels konkreter verfügbarer Gesundheitsindikatoren oder Faktoren, die tatsächlich den Gesundheitszustand beeinflussen, werden eine Vielzahl von Ersatzfaktoren, die über statistische Ämter allgemein zugänglich sind, herangezogen und in sieben Bereichen (Gesundheitszustand; Umwelt - Wohnen - Erholung; medizinische und soziale Versorgung; soziale und wirtschaftliche Lage; Klima, Freizeit und Beziehungen; Altersstruktur) zusammengefasst. Da die Methodik aus einem renommierten Institut der Medizinischen Hochschule Hannover stammt, allerdings im Detail noch nicht publiziert wurde, können hier nur einige kritische Punkte, die auf den ersten Blick erkennbar sind, benannt werden, erklärt Professor Dr. Johannes Haerting, Direktor des Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Der Titel Gesundheitsatlas und der verliehene Preis "Gesündeste Stadt 2007" führe offensichtlich in die Irre, da Faktoren zur gesundheitlichen Lage mit Faktoren zu möglicherweise gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen verrechnet werden. "Nur wenige der benutzten statistischen Kenngrößen haben dabei einen direkten belegbaren Bezug zum Gesundheitszustand der einzelnen Bürger der Städte." So sei beispielsweise lediglich die Lebenserwartung als unmittelbarer Indikator des Gesundheitszustands in die Berechnung des so genannten "Gesundheitswerts" eingegangen. Die Medizinische Statistik kennt darüber hinaus aber auch krankheitsspezifische Sterberaten sowie differenzierte Querschnittsangaben zum Gesundheitszustand der Bevölkerung. Professor Haerting: "Zumindest im Bereich der Krebserkrankungen gibt es inzwischen auch über die etablierten Krebsregister einigermaßen zuverlässige Angaben über die Erkrankungshäufigkeit."

Daneben spielen viele Faktoren des Umfeldes und des wirtschaftlichen und sozialen Bereichs im Hinblick auf Gesundheit eine Rolle. "Diese Botschaft wird aber zunichte gemacht - vielleicht um einer vermeintlichen leichteren Wahrnehmbarkeit in der Medienöffentlichkeit willen-, wenn man daraus einen Pauschalindex "Gesunde Stadt" erzeugt, in dem diese ganz unterschiedlichen Bereiche einfach miteinander verrechnet werden", sagt der hallesche Experte. "Man hätte sich also durchaus die Mühe machen können, differenzierter mit dem Begriff Gesundheit auf Großstadtebene umzugehen."

Für die Stadt Halle gibt der Atlas ein sehr heterogenes Bild. Als primäre Botschaft erscheint: Die Stadt Halle landet unter den deutschen Großstädten auf dem drittletzten Platz. Schaut man soweit zugänglich die einzelnen Bewertungsbereiche an, so nimmt Halle im Bereich medizinische und soziale Versorgung, der im Wesentlichen die Ärztedichte, Pflegepersonaldichte und Krippenplatzdichte beschreibt, einen 7. Rang in Deutschland ein, was aber unverständlicherweise in der Bewertung der Zeitschrift trotzdem nur die Note 3 erhält. In der Alterstruktur, hier sind die bekannten Indikatoren Veränderung der Einwohnerzahl und Geburten-Sterberaten-Saldo herangezogen, und im Bereich Umwelt, Wohnen und Erholung ist Halle auf den letzten Platz in Deutschland eingeordnet (Platz 81), im Bereich Freizeit und Beziehungen auf Platz 76, im Bereich soziale und wirtschaftliche Lage auf Rang 71. Bleibt noch das Klima, was in der Binnendifferenzierung in Deutschland wirklich nicht viel mit Gesundheit zu tun hat, bei dem Halle Rang 37 einnimmt.

Einige kritische Bemerkungen zur Berechnung des "Gesundheitswerts" sollten schon angefügt werden: Ist in Deutschland die Jahresdurchschnittstemperatur ein Indikator, der bedeutet, dass mit zunehmender Durchschnittstemperatur die Gesundheit sich verbessert? Inzwischen hat man häufig eher einen umgekehrten Eindruck. Sind der Anteil der Einfamilienhäuser am Gesamtwohnungsbestand und der Anteil der Kraftfahrzeuge pro 1000 Einwohner Zeichen für einen guten oder einen schlechten Gesundheitszustand (in der Auswertung wird eine hohe Ausstattung als günstig gewertet)? "Aus methodischer Sicht kann man nur davor warnen, solche Rangbildungen aufgrund von Ersatzindikatoren als bare Münze zu nehmen." Genau so wie man hier den Bevölkerungswanderungssaldo als Indikator eingeführt hat, hätte man auch die mittlere Verbesserung der Lebenserwartung in den vergangenen zehn Jahre einfügen können. Das hätte zur Folge, dass alle ostdeutschen Städte im Gesundheitsatlas enorm weit oben platziert worden wären.

Nebenbei darf man darauf hinweisen, dass es ausgehend von der WHO seit beinahe 20 Jahren in Deutschland ein Gesunde-Städte-Netzwerk gibt http://www.gesunde-staedte-netzwerk.de, das jährlich einen Gesunde-Städte-Preis verleiht. In diesem Netzwerk ist die in der "HEALTHY LIVING" Rangliste erstplatzierte Stadt Ulm nicht einmal Mitglied, die Stadt Halle zum Beispiel aber schon.


More information:

http://www.medizin.uni-halle.de/?cid=8488 - Pressemitteilung auf der Website des Universitätsklinikums Halle der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg


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Prof. Dr. Johannes Haerting vom Universitätsklinikum der MLU Halle-Wittenberg übt Kritik am "Gesundheitsatlas"
Prof. Dr. Johannes Haerting vom Universitätsklinikum der MLU Halle-Wittenberg übt Kritik am "Gesundh ...

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Addendum from 08/28/2007

Nähere Informationen beim Autor:

Jens Müller
Pressesprecher
Universitätsklinikum Halle (Saale)
Medizinische Fakultät der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Ernst-Grube-Str. 40
06097 Halle (Saale)

Tel: (0345) 557-1032
Fax: (0345) 557-5749
E-Mail: jens.mueller@medizin.uni-halle.de


Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Scientific Publications, Transfer of Science or Research
German


 

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