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Daten, Fakten, Defizite - Wie der Schutz Pflegebedürftiger verbessert werden muss
FRANKFURT. Die Betreuung zu Hause führt Pflegende und Gepflegte vielfach an ihre Grenzen. Private Notruf-Initiativen, Verbände und Medien machen immer häufiger auf Fälle von Gewalt und Vernachlässigung alter Menschen aufmerksam. Folgen sind schwerwiegende körperliche Verletzungen, psychosomatische Beschwerden, aber auch posttraumatische Belastungsstörungen bis hin zu Depressionen und Suizidrisiken. Prof. Gisela Zenz, Expertin für Familienrecht, plädiert für ein dichtes Netz von Prävention und Intervention, das es beispielsweise in England und den USA längst gibt, in Deutschland aber bisher nur in Fachkreisen diskutiert wird. "Wir müssen endlich auch die Politiker überzeugen, damit Gesetzesänderungen auf den Weg kommen", fordert die Juristin, die vor drei Jahren das "Forum Alterswissenschaften und Alterspolitik" an der Universität Frankfurt ins Leben gerufen hat und maßgeblich an der inhaltlichen Konzeption der soeben erschienenen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Forschung Frankfurt" zum Thema "Alter" mitgewirkt hat.
Neben dem Ausbau sozial- und arbeitsrechtlicher Regelungen, die pflegende Angehörige unterstützen und entlasten sollen, erwägen die Experten, das Recht auf gewaltfreie Pflege gesetzlich zu gewährleisten, ähnlich wie es das Recht auf gewaltfreie Erziehung bereits gibt. "Alte Menschen sind zwar nicht wie Kinder, aber sie sind im hohen Alter und insbesondere bei Versorgungs- und Pflegebedürftigkeit ähnlich wehrlos und verletzlich", konstatiert Prof. Zenz und setzt sich dafür ein, Anregungen aus dem Kinderschutzrecht zu überarbeiten für alte Menschen, die wie alle Erwachsenen ein Recht auf selbstbestimmtes Leben haben. Unter Leitung der Frankfurter Rechtswissenschaftlerin und Psychoanalytikerin hat ein Arbeitskreis bereits vor zwei Jahren auf dem Deutschen Familiengerichtstag Empfehlungen für Gesetzgebung und Politik erarbeitet.
Zur Prävention müssen Beratungs- und Unterstützungsangebote verschiedener Institutionen besser vernetzt werden, damit pflegende Angehörige sich bedarfsrechte und schnelle Hilfe holen könnten, bevor sie mit Alltagssituationen überfordert seien. "Wenn aber Anhaltspunkte bestehen, dass eine pflegebedürftige Person zum Opfer von Gewalt wird, und Hilfeangebote erfolglos sind, sollen Beratungsstellen - ähnlich wie heute Jugendämter in entsprechenden Fällen von >Kindeswohlgefährdung< - verpflichtet sein, das Familiengericht anzurufen", schlägt Zenz für akute Situationen vor. "Im Bedarfsfall hätte das Familiengericht Hilfen, Beratung oder Mediation zu vermitteln oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, um die Gefährdung abzuwenden, wie zum Beispiel die Verpflichtung zu regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen oder auch ein Hausverbot für einen gewalttätigen Angehörigen."
Vertreter aus der Altenpflegepraxis und -wissenschaft stützen die von Zenz und ihrem Arbeitskreis erarbeiteten Empfehlungen. "Bleibt zu hoffen, dass die Forderung das Ohr des Gesetzgebers nicht erst dann erreicht, wenn aus dem Dunkelfeld grausame Skandalfälle auftauchen und die längst bekannten gesellschaftlichen Versäumnisse in grelles Licht rücken", so die Juristin Gisela Zenz.
Nähere Informationen: Prof. Dr. Gisela Zenz,
Forum Alterswissenschaft und Alterspolitik, Telefon: 069/798-23102,
E-Mail: zenz@em.uni-frankfurt.de
Mit dem Thema "Pflege alter Menschen" beschäftigen sich in Forschung Frankfurt 2/2007 weitere Beiträge:
· Hans Christian Mager (Wirtschaftswissenschaftler): Wenn Angehörige die Pflege übernehmen - Von Kosten und Nutzen intrafamiliärer Pflegevereinbarungen
· Prof. Roland Eisen (Wirtschaftswissenschaftler):
Ist der Pflegenotstand unabwendbar? Über die Zukunft der Pflegeversicherung: Defizite und Lösungen
· Prof. Dr. Marina Wellenhofer-Klein: (Rechtswissenschaftlerin): Bessere Bedingungen für Teilzeitarbeit: Damit Familienangehörige Pflege übernehmen können
· Dr. Gisela Bockenheimer-Lucius (Medizinethikerin): Wer bestimmt das "Wohl" eines Heimbewohners? Entscheidungen in Grenzfällen - Ethik-Komitees fördern Abwägungsprozesse
Kostenlos anfordern:
steier@pvw.uni-frankfurt.de
http://www.muk.uni-frankfurt.de/Publikationen/FFFM/2007/index.html
Criteria of this press release:
Law, Politics, Social studies
transregional, national
Research results
German
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