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Wissenschaft
Aus vielen unterschiedlichen Perspektiven verfolgt Dr. Reinhard Richter in seiner Dissertation das Verhältnis zwischen Katholiken und dem "Nationalen" zwischen 1918 und 1933.
Bochum, 08.09.2000
Nr. 241
Vom nationalen Denken der Katholiken
RUB-Theologe analysiert Katholizismus der Weimarer Republik
Die "Nation" als Zufluchtsort
Aus vielen unterschiedlichen Perspektiven verfolgt Dr. Reinhard Richter das Verhältnis zwischen Katholiken und dem "Nationalen" zwischen 1918 und 1933: Wie und warum haben sich die Katholiken in dieser Zeit dem nationalen Denken angenähert?, fragt er in seiner Dissertation "Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik", die an der Katholisch-Theologischen Fakultät der RUB (Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre, Prof. Dr. Joachim Wiemeyer) entstanden ist. Seine Erkenntnis: Im schleichenden Rückgang des Transzendenz- und Kirchenbewusstseins war das Nationale eine Zufluchtsstätte - dass sie längst Nistplatz völkischer und nationalsozialistischer Ziele war, konnten viele Katholiken nicht unterscheiden.
Die Nation als Ersatzreligion
Die Prämisse für Richters ideengeschichtliche Untersuchung ist, dass sich der deutsche Katholizismus der Weimarer Republik als Sozialform inmitten eines Säkularisierungsprozesses der "Ersatzreligion" Nation annähert. Fragen seiner Dissertation sind nun: Auf welche Weise hat sich der deutsche Katholizismus zwischen 1918 und 1933, der Zeit des heraufziehenden Nationalsozialismus, dem "Nationalen" angenähert oder sich davon distanziert? Inwieweit helfen die Spielformen des Nationalen bei der Annäherung an die bürgerliche Nationalkultur, dem Gegenbegriff des "Systems von Weimar"? Inwiefern ist das Nationale für deutsche Katholiken in der Übergangsphase 1932 bis 1934 zum Motiv der Ablehnung oder Zustimmung gegenüber dem Nationalsozialismus geworden?
Perspektivenwechsel bringt KLarheit
Reinhard Richter nimmt für seine Betrachtung unterschiedliche Perspektiven ein: Die Sicht des Liberalismus, des Konservatismus und des Sozialismus bedeuten eine Außenperspektive, die verschiedenen Ausdrucksformen des Katholizismus die Innenperspektive. Neben die Stabilisatoren des kulturkampferprobten Milieus - wie die Pfarrei, das Zentrum, der Volksverein und die Verbände - treten die Jugendbewegung und die Volksbildungsbewegung. Diese neuen Gruppierungen entstehen aus der Konfrontation mit den Ideologien und stellen die traditionelle Form der Kirchlichkeit in Frage. Eine besondere Position nimmt der regionale Katholizismus ein, dessen Eigenverständnis eine Betonung der föderalen Eigenständigkeit einschließt und an die örtliche Lage (z. B. Großstadt- und Grenzlandkatholizismus) und reichskirchliche Herrschaftsstrukturen (z. B. bayrischer und rheinischer Katholizismus) gebunden ist. Die "Flanken" stellen Einsteiger wie Max Scheler und Außenseiter wie Carl Schmitt und Hugo Ball dar. All diese Gruppen klopft Richter auf ihr Verhältnis zum Nationalen ab.
Bunte Gesellschaft mit Hang zur Uniformität
Es ergibt sich ein umfassender Blick auf den Katholizismus der Weimarer Republik: eine bunte Gesellschaft, die ihre Pluralität noch nicht angenommen hat, sondern zur Uniformität in Staat und Kirche neigt. Allzu verlockend erscheint die Nation als Idealgesellschaft gegenüber dem aufgedrückten System von Versailles. Die Katholiken, die in einer Zeit des schleichenden Rückgangs von Transzendenz- und Kirchenbewusstsein nach innerweltlichen Antworten suchen, finden Zuflucht im Nationalen. 1933 war vielen von ihnen noch nicht klar, dass völkische und nationalsozialistische Agitatoren diese Nische bereits für sich in Anspruch genommen hatten.
Titelaufnahme
Reinhard Richter: Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik. (=Theologie Bd. 29), Münster 2000
Weitere Informationen
Dr. Reinhard Richter, Kirchplatz 4, 58802 Balve, Tel. 02375/2223
Criteria of this press release:
History / archaeology, Law, Philosophy / ethics, Politics, Religion, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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