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171/97 Ost gegen West anstatt gemeinsam gegen den Rest Kein einheitliches Regionalbewusstsein im ehemaligen deutsch-deutschen Grenzgebiet Eichsfeld
Vorurteile und Aversionen zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen sind staerker als die gemeinsamen historischen Traditionen. Dies zeigt die von Dr. Guenther Weiss am Seminar fuer Geographie und ihre Didaktik durchgefuehrte Studie am Beispiel Eichsfeld. In der Region an der thueringisch-niedersaechsischen Grenze hat die Trennung Deutschlands den ehemals ausgepraegten Gemeinschaftssinn der Bewohner nachhaltig gestoert.
Urspruenglich gehoerte das Gebiet bis zur Annexion der Preussen zum Kurfuerstentum Mainz. Tradition und Mentalitaet waren gepraegt vom Katholizismus der Gegenreform. Nach der UEbernahme durch die Preussen lag das katholische Eichsfeld wie eine Insel inmitten einer protestantischen Landschaft. Preussische Repressalien sowie die Teilung in zwei Gebiete staerkten noch die oppositionelle Haltung und die Einigkeit der Bevoelkerung. Die wirtschaftlichen Probleme des "Armenhauses Preussens" zwangen die Eichsfelder zur saisonalen Wanderarbeit. Spaeter wurden regionale Traditionen durch buergerliche Vereine gefoerdert. Als die innerdeutschen Grenzen errichtet wurden, fiel das kleinere Untereichsfeld im Norden an den westlichen, das groessere Obereichsfeld an den oestlichen Teil Deutschlands. Das Obereichsfeld wurde zur Industrie-Region mit starkem Bevoelkerungszuwachs. Das Untereichsfeld erhielt Zonenrandfoerderung, lag aber wirtschaftlich unterhalb des niedersaechsischen Niveaus.
Die Studie von Dr. Weiss belegt, dass nach der Wiedervereinigung das Zugehoerigkeitsgefuehl der gebuertigen Eichsfelder zu ihrer jeweiligen Teilregion durchaus besteht. Allerdings wird beiderseits der andere, ehemals abgetrennte Teil nur selten zum Eichsfeld hinzugezaehlt. Ober- und Untereichsfelder sind gleichermassen gepraegt von der katholischen Mentalitaet. Drei Viertel gebuertigen Bewohner zaehlen grenzueberschreitend die Religiositaet, den Fleiss und den Eigensinn zu typischen Merkmalen des Eichsfelder Menschenschlags. Unterschiede treten in der Bewertung regionaler Kulturgueter auf. Obereichsfelder Buerger assoziieren eher immaterielle Werte wie Feste, Braeuche und den Katholizismus allgemein. Ihre niedersaechsischen Nachbarn sind materieller eingestellt: Sie nennen zuerst typische Wurst- und Kuchensorten oder den regionalen Baustil.
Die wirtschaftliche Situation ist, so Dr. Weiss, seit 1990 fuer beide Eichsfelder Teile problematisch. Im ehemaligen Osten gingen Arbeitsplaetze verloren, im Westen wurde die Zonenfoerderung gestrichen. Dennoch einen die wirtschaftlichen Probleme die Eichsfelder nicht. Der jeweils andere Teilraum besitzt im Verhaeltnis zum eigenen nach der Meinung Vieler die guenstigeren wirtschaftlichen Aussichten. Obwohl sich auch ihre Situation verschlechtert hat, sieht fast die Haelfte der Obereichsfelder die Lage des Obereichsfelds positiv. Deutlich kritischer bewerten die Untereichsfelder ihre Situation. Grenzueberschreitende wirtschaftliche Einschaetzungen gibt es nicht.
Fuer die Haelfte der befragten Obereichsfelder sind ihre Nachbarn keine Eichsfelder sondern Westdeutsche. Ebenfalls die Haelfte beklagt sich ueber schlechte Erfahrungen mit Westdeutschen. Umgekehrt bezeichnet ein Drittel der Untereichsfelder die Obereichsfelder Buerger als Ostdeutsche. Ein Viertel hat Schwierigkeiten mit ihnen. Auf beiden Seiten beklagt man sich, dass Konkurrenz und Neid die Beziehungen verschlechtert haben. Einigkeit herrscht auch darueber, dass beide Bevoelkerungsteile eher unter sich bleiben wollen. Nur ein Drittel kann die positiven Urteile ueber die Entwicklung des Gemeinschaftsgefuehls aller Eichsfelder seit der Wende teilen. Die Nachkriegsgeneration im Untereichsfeld ist die Gruppe mit dem geringsten Gemeinschaftsgefuehl.
Insgesamt zeigt die Studie von Dr. Weiss, dass die Bevoelkerung kein einheitliches Problembewusstsein mehr fuer die Region Eichsfeld besitzt. Die gemeinsame Euphorie nach der Wiedervereinigung ist verschwunden.
Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias
Fuer Rueckfragen steht Ihnen Dr. Guenther Weiss unter der Telefonnummer 0221/470-4627 und der Fax-Nummer 0221/470-5174 zur Verfuegung.
Fuer die UEbersendung eines Belegexemplares waeren wir Ihnen dankbar.
Criteria of this press release:
Social studies
transregional, national
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German
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