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12/18/1997 00:00

Weihnachtsbräuche in Westfalen

Norbert Frie Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    upm-Pressemitteilung der Universitaet Muenster 543/97 - 17. Dezember 1997

    Wolkenloses Entzuecken im Herzen

    Volkskundler der Universitaet Muenster untersuchte Weihnachtsbraeuche in Westfalen

    Der Volkskundler, der die Geschichte des Weihnachtsfestes in Westfalen erforschen will, scheint sich auf gefaehrliches Terrain vorzuwagen. Wird doch im westlichen Muensterland folgende Sage erzaehlt: Ein Mann wollte ergruenden, was es mit der weitverbreiteten Wundergeschichte, dass in der Weihnacht das Wasser von Baechen und Brunnen zu Wein werde, auf sich hat. Er zog also mit einer Leuchte los, die Wahrheit zu suchen. Aber er kam nicht zurueck, sondern wurde fuer seinen Frevel hart bestraft: Allnaechtlich zwischen zwoelf und eins sieht man ihn bei Borken mit seiner Leuchte umgehen.

    Dietmar Sauermann, Honorarprofessor der Westfaelischen Wilhelms-Universitaet Muenster und Geschaeftsfuehrer der Volkskundlichen Kommission fuer Westfalen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, wird sich dieser Gefahr wohl bewusst sein, denn die Sage ist im Kapitel "Weihnachtswunder" seines 1996 bei Waxmann erschienenen Buches "Von Advent bis Dreikoenige" zitiert. Unerschrocken berichtet er seinen Lesern von dem bis ins 19. Jahrhundert hinein lebendigen Glauben, dass in der Nacht vor Weihnachten wundersame Dinge geschaehen. In Lippe herrschte die Ansicht, dass in dieser Nacht die Kraft des Weines im Wasser enthalten sei, auch wenn man dies nicht schmecken koenne. Das Weihnachtswasser galt als heilbringend: "In de Woihnachtsnacht haet de aulen Luie juemmer veel Wader drunken und achterher haet seu dueget schweit (geschwitzt). Dat hulp gegen jeude Malesse."

    Nicht nur auf das Wasser uebertrug sich in Westfalen in dieser Heiligen Nacht eine segensreiche Kraft. Auch das Buendel Heu, das der Hausvater bis zum Ersten Weltkrieg vor die Haustuer legte, wurde gesegnet. Am Weihnachtsmorgen bekam alles Vieh davon zu fressen. Den Kindern sagte man, das Heu sei fuer das Eselchen vom Christkind.

    Zukunftsschau war ebenfalls moeglich: Vielerorts klopften die Maedchen das Gefluegel wach und meinten, dass sie noch vor Ablauf eines Jahres heiraten wuerden, wenn ein Hahn kraeht. Sollte jedoch ein Huhn gackern, lasse die Hochzeit noch lange auf sich warten. Ein vergleichbarer Brauch der jungen Maenner ist nicht ueberliefert. Jedoch taten sich in Guetersloh bereits in der Adventszeit manche von ihnen hervor, indem sie den Nachtwaechter nach besten Kraeften unterstuetzten. Der naemlich sang wohl seit Beginn des 18. Jahrhunderts in der Adventszeit vor den Buergerhaeusern fromme Lieder. Im 19. Jahrhundert artete dieser Gesangsbrauch jedoch zu einer naechtlichen Ruhestoerung aus, weil sich auch "Radaulustige und Angetrunkene zu den Saengern gesellten", und waere beinahe verboten worden. In abgewandelter Form unter dem Namen "Adventssingen" gibt es diesen Brauch in Guetersloh noch heute. Bis in unsere Tage ueberlebt hat auch der heute zum Hauptsymbol des Weihnachtsfestes aufgestiegene Weihnachtsbaum. Folgende Kindheitserinnerung findet sich 1860 im Mescheder Kreisblatt: "Wie das Gloeckchen erscholl, und wie wir hineintraten mit einem masslosen, wolkenlosen Entzuecken, wie nur ein Kinderherz es fuehlen kann, mit einem Schauen der Lust, als taete das Paradies sich uns auf. Es waren nicht so sehr die Geschenke, die uns mit solchem Jubel erfuellten, es war der Baum selbst in seiner ahnungsvollen maerchenhaften Pracht, mit seinen gruenen Zweigen, dunklen Fruechten, hellen Baendern und goldenen Sachen, die im Lichtermeere funkelten." Bevor der Baum sich jedoch allgemein als angehimmeltes Herzstueck der intimen buergerlichen Familienfeier etabliert hatte, gab es die UEbergangsform der weihnachtlichen Nachbarschaftsfeier, bei der er deutlich ruppiger behandelt wurde. Aus Loxten ist ueberliefert, was passierte, wenn die Lichter ausgebrannt waren: "Auf ein Kommando der Hausfrau stuermten die Kinder auf den Baum los, um ihn zu pluendern. Jeder durfte greifen, was ihm in die Finger kam. Trostlos sah der gepluenderte Baum aus. Damit endete der Festtag."

    Dietmar Sauermann, ,Zwischen Advent und Dreikoenige", Waxmann Verlag, Muenster 1996, 234 Seiten, 29,80 Mark


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    Criteria of this press release:
    Social studies
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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