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05/08/1998 00:00

Forschungsverbund zur Sucht

Viola Naerdemann Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Universitaet Muenster 748/98 - 07. Mai 1998

    Den Gesichtern der Sucht auf der Spur

    Psychologen der Universitaet Muenster beteiligen sich an nordrhein-westfaelischem Forschungsverbund

    Sucht hat viele Gesichter und viele Facetten. Da ist der Heroinabhaengige, der als koerperliches Wrack vor dem Hauptbahnhof sofort ins Auge sticht, da ist der freundliche Kollege, der beim Betriebsfest nur an der Theke zu finden ist, da ist die junge Studentin, die vor der Pruefung nervoes noch schnell eine Zigarette durchzieht. So vielfaeltig wie die Erscheinungsformen der Sucht, so vielfaeltig sind auch die Forschungsansaetze. Unter einen Hut gebracht werden sie jetzt durch den interdisziplinaeren Forschungsverbund "Substanzgebundene Abhaengigkeit NRW", ein in Deutschland einmaliger Zusammenschluss von Suchtforschern aus vier Universitaeten, der vom Wissenschaftsministerium NRW gefoerdert wird. Daran beteiligt ist auch das Psychologische Institut I der Westfaelischen Wilhelms- Universitaet Muenster unter Federfuehrung von Prof. Fred Rist.

    Um die komplexen Wirkungen von Suchtmitteln zu erforschen und sowohl Praeventions- wie auch Therapieansaetze formulieren zu koennen, ist eine Zusammenarbeit vieler Disziplinen notwendig. So deckt im Forschungsverbund die Universitaet Bonn den Bereich der genetischen Untersuchungen ab, die Universitaet Essen beschaeftigt sich mit illegalen Drogen, in Bielefeld liegt der Schwerpunkt auf der Praevention und der Risikofaktorenermittlung und in Muenster schliesslich wird die Substanzwirkung auf den Abhaengigen beziehungsweise Gefaehrdeten untersucht.

    In zwei Projekten will Rist psychologische Grundlagen der Sucht klaeren. Zum einen ist da die "Reizkonfrontation bei Suchtkranken". Dabei wird in Zusammenarbeit mit der Universitaet Essen und der Westfaelischen Klinik fuer Psychologie und Psychotherapie in Muenster untersucht, welche Reaktionen die Konfrontation mit dem Suchtstoff bei Abhaengigen in Therapie ausloest. Die Wissenschaftler in Essen haben sich dabei auf die Arbeit mit Heroinabhaengigen, die Muensteraner auf die Untersuchungen bei Alkoholkranken spezialisiert. Rueckfaelle nach einer erfolgreichen Entwoehnung gehoeren, so Rist, zu den haeufigen, aber immer noch unverstandenen Ereignissen im Verlauf einer Behandlung. Noch fehlt es beispielsweise an Arbeiten, bei denen die koerperlichen Reaktionen auf ein Suchtmittel gemessen und deren Einfluss auf das Verlangen des Patienten gemessen werden. "Wenn wir dieses genauer untersuchen, koennen wir zum einen unser Verstaendnis fuer die Stoerung verbessern", erklaert Rist. Zum anderen sei es fuer die Identifizierung von Risikogruppen und die entsprechende Prognose wichtig zu wissen, wie die inzwischen trockenen Patienten auf Alkohol oder Heroin reagieren.

    Der zweite Bereich, der am Institut untersucht wird, ist der Einfluss von Risikofaktoren auf individuelles Verhalten. "Es gibt viele allgemeine Ansaetze, aber kaum welche, die auch den Einfluss von Risikofaktoren miteinbeziehen", meint Rist. So ist das Risiko von Soehnen Alkoholkranker, ebenfalls an Alkoholismus zu erkranken, fuenfmal hoeher als das von nicht familiaer belasteten Personen. Auch bestimmte Persoenlichkeitsstrukturen bereiten den Weg in die Abhaengigkeit vor. Rist nennt dafuer als Beispiel das "novelty oder sensation seeking", ein gesteigertes Beduerfnis nach Neuem und nach Abwechslung.

    Fuer Rist stellt sich nun die Frage, ob fuer Menschen mit bestimmten Risikofaktoren der Gebrauch von Suchtmitteln mit anderen Auswirkungen auf kognitive und emotionale Funktionen verbunden ist als fuer Menschen, bei denen keine Risikofaktoren identifiziert wurden. In Zusammenarbeit mit der Uni Bonn untersucht Rist dazu eine Gruppe von rauchenden Erstsemestern und deren Verhalten beispielsweise unter Pruefungsstress. Es laesst sich klar nachweisen, dass sich durch Nikotin die Gedaechtnisleistung verbessert. "Wir erwarten nun, dass Probanden, die in dieser Untersuchung eine staerkere Leistungsverbesserung aufweisen, auch ein erhoehtes Risiko haben, bei einer Nachuntersuchung in zwei Jahren einen verstaerkten Nikotinkonsum beziehungsweise eine Nikotinabhaengigkeit aufzuweisen", erlaeutert Rist.

    Gleichzeitg formuliert er Therapieansaetze fuer die Behandlung von Suchtkranken. Wichtig sei, die automatische Verhaltensroutine, die einen ohne Nachzudenken zur Zigarette greifen laesst, aufzubrechen. In der OEffentlichkeit koenne man dies fuer Nikotin bereits beobachten. So sei es beispielsweise frueher ueblich gewesen, dass in Filmen geraucht wuerde - was bei neueren Streifen kaum noch zu sehen ist. Alkohol aber sei immer noch eine Selbstverstaendlichkeit. Nur wenn es sich um Prominente handele, werde Alkoholismus als Problem und Krankheit wahrgenommen, die Folgen von Sucht im Alltag interessierten niemanden. Dass aber eine gesellschaftliche AEchtung von Drogen durchaus Erfolg habe, zeige das Beispiel Prohibition im Amerika der 20er Jahre. "Entgegen einer weitverbreiteten Meinung gingen Konsum und Abhaengigkeit damals drastisch zurueck, allerdings nur fuer kurze Zeit, da das Verbot von Alkohol nicht gesellschaftlich akzeptiert wurde."

    In anderen Laendern sei man schon sehr viel weiter, gebe es beispielsweise nationale Suchtforschungsinstitute. In Muenster ist es inzwischen immerhin gelungen, nicht nur Gelder ueber den Forschungsverbund einzuwerben, sondern auch ein eigenes Labor fuer die Raucheruntersuchungen einzurichten. Eines jener "Mosaiksteinchen", mit dem sich das bunt schillernde Bild der Sucht vervollstaendigen laesst.


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    Criteria of this press release:
    Biology, Information technology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Social studies
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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