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Ohne es zu ahnen, haben sie eine Zeitreise gemacht, mehr als drei Milliarden Jahre zurück: Der Biochemiker Milton T. Stubbs und sein Team an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg haben innerhalb eines Enzyms eine Reaktion beobachtet, die in ähnlicher Form in allen Organismen anzutreffen ist. Ihre Schlussfolgerung: Es handelt sich um einen Archetyp, den es bereits bei der Entstehung des Lebens gab. Die neuen Erkenntnisse könnten bei der Weiterentwicklung von Antibiotika helfen – und haben zu einer VIP-Veröffentlichung geführt: ein „Very Important Paper“ in der Zeitschrift „Angewandte Chemie International Edition“.
Bei ihren Forschungen ging es Stubbs und seinen Mitarbeitern darum, die dreidimensionale Struktur von TobZ (Tobramycin 6''-O-Carbamoyltransferase) zu klären. Dabei handelt es sich um einen Vertreter einer wichtigen Enzymklasse, der für die Biosynthese des Antibiotikums Tobramycin entscheidend ist, angewandt unter anderem bei Augenentzündungen. „Dieses ursprüngliche Ziel haben wir auch erreicht. Dass wir darüber hinaus Erkenntnisse auf einer so fundamentalen Ebene gewinnen würden, war schon eine Überraschung", sagt Prof. Dr. Milton T. Stubbs. Der Amerikaner ist seit 2002 Leiter der Arbeitsgruppe Physikalische Biotechnologie an der Martin-Luther-Universität, zu deren Schwerpunkten die Proteinforschung zählt.
„TobZ besteht aus zwei Proteindomänen, die jeweils ein aktives Zentrum besitzen", erläutert Stubbs. „Beide Zentren liegen innerhalb einer Reaktionskammer, die man sich wie einen Kochtopf vorstellen kann." Um dies zu sehen, habe man das Enzym kristallisiert und anschließend mit Röntgenstrahlen untersucht. „Das Spannendste war nun, die Rolle von Adenosintriphosphat zu analysieren. Dass dieser biologische Kraftstoff für die katalytische Aktivität von TobZ nötig ist, erstaunte doch sehr. Das kam uns ein bisschen verschwenderisch vor. Als ob man viel Energie verwendet für die Produktion von Papier, nur um es dann gleich zu verbrennen, damit einen das Feuer wärmt."
Des Rätsels Lösung: Der Kraftstoff wird von TobZ genutzt, um ein Zwischenprodukt von einem Zentrum der Reaktionskammer zum anderen zu bewerkstelligen. Die im „Kochtopf" stattfindenden Reaktionen sind in jedem Organismus in ähnlicher Form zu finden. „Dort werden sie durchgeführt von Proteinen, die verwandt sind mit den TobZ-Proteindomänen", sagt Milton T. Stubbs. „Das Endprodukt ist dann tRNA, also Transfer-RNA, die als Hilfsmolekül bei der Proteinbiosynthese dient." Somit müssen TobZ-ähnliche Enzyme bereits „sehr früh in der Evolution" entstanden sein. „Diese Enzyme sind fundamental für die Protein-Herstellungs-Maschinerie und erlauben uns einen Blick zurück zur Entstehung des Lebens", ist Stubbs überzeugt. „TobZ ist dabei eine Art ‚molekulares Fossil', das bis heute überlebt hat, und zeigt, dass für bestimmte, fundamentale Reaktionen die ‚Energie-Effizienz' damals offensichtlich eine untergeordnete Rolle spielte."
Vorab-Veröffentlichung in den Online-Ausgaben
von "Angewandte Chemie" und "Angewandte Chemie International Edition":
Autoren: Christoph Parthier, Stefan Görlich, Frank Jaenecke, Constanze Breithaupt, Ulrike Bräuer, Uwe Fandrich, Diana Clausnitzer, Udo F. Wehmeier, Christoph Böttcher, Dierk Scheel und Milton T. Stubbs
Deutsche Fassung:
"Die O-Carbamoyltransferase TobZ katalysiert eine enzymatische Reaktion frühen Ursprungs"
http://dx.doi.org/10.1002/ange.201108896
DOI: 10.1002/ange.201108896
Englische Fassung:
"The O-Carbamoyl Transferase TobZ Catalyzes an Ancient Enzymatic Reaction"
http://dx.doi.org/10.1002/anie.201108896
DOI: 10.1002/anie.201108896
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Milton T. Stubbs
Leiter der Arbeitsgruppe Physikalische Biotechnologie
Telefon: 0345 55 24901
E-Mail: milton.stubbs@biochemtech.uni-halle.de
Das Enyzm TobZ in kristallisierter Form.
Abb.: Uni Halle, Arbeitsgruppe Physikalische Biotechnologie
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Prof. Dr. Milton T. Stubbs
Foto: Uni Halle, Michael Deutsch
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Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Medicine, Physics / astronomy
transregional, national
Scientific Publications
German
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