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Der römische Denar war vor 2000 Jahren weiter verbreitet als der Euro. Um 120 n. Chr., als das Römische Reich seine größte Ausdehnung hatte, konnte man von Britannia bis Kleinasien und von Nord-Afrika bis zum Rhein reisen, ohne Geld wechseln zu müssen. Was aus heutiger Sicht noch erstaunlicher erscheint: Das Denarsystem war über 500 Jahre stabil. Wie dieses System organisiert war und warum es plötzlich zusammenbrach, erklärt Junior-Professorin Dr. Fleur Kemmers in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität, mit dem Themenschwerpunkt „Geld im Wandel".
FRANKFURT. Obwohl das Konzept der Münze schon seit etwa 600 v. Chr. im Mittelmeerraum bekannt war, prägten die Römer erst um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. eigene Münzen. Systematisch und in größeren Auflagen entstanden Münzen aus Bronze, Silber (Denare) und (gelegentlich) Gold erst ab circa 211 v. Chr., vermutlich aufgezwungen durch die Kriegswirren und die rasche Expansion des Römischen Reichs im Laufe des zweiten Punischen Krieges. Die genauen Hintergründe erforscht die Frankfurter Arbeitsgruppe von Fleur Kemmers, Inhaberin der von der Volkswagenstiftung geförderten Lichtenberg-Professur für Münze und Geld in der griechisch-römischen Antike.
Griechenland wurde besser behandelt als Süd-Italien Die Bedingungen, unter denen das römische Münzsystem in den neu eroberten Gebieten eingeführt wurde, waren von politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umständen abhängig. In Süd-Italien hatten sich beispielsweise die meisten Städte im zweiten Punischen Krieg gegen Rom gestellt. Nach ihrer Niederlage wurde die lokale Münzprägung eingestellt, das süd-italienische Silbergeld eingefordert und umgeschmolzen. Die anschließende Einführung des römischen Denarsystems statuierte ein klares Exempel des Siegers. In Griechenland dagegen, wo es schon seit Jahrhunderten eine reiche Tradition von Münzprägung gab, durften die meisten Städte (Poleis) die Prägung ihrer Bronzemünzen fortsetzen. Allerdings wurde das Silbergeld nun von Rom angefertigt.
Viele mittel- und westeuropäische Gebiete besaßen zur Zeit ihrer Eroberung durch Rom noch kein Münzsystem. Die einheimische Bevölkerung benutzte das Münzgeld anfangs vermutlich nur bei Steuerzahlungen an den neuen Machthaber. Geprägt wurden die Münzen fast ausnahmslos in Rom. Der gewaltige logistische Kraftakt zur Verteilung des Geldes relativierte sich dadurch, dass vorwiegend regionale Kreisläufe entstanden: Münzgeld, das innerhalb eines Finanzdistrikts als Steuern eingesammelt worden war, verwendete man als Sold für die dort stationierten Truppen. Die Soldaten bezahlten damit auf dem lokalen Markt Produkte, die nicht in ihrem Dienstvertrag enthalten waren. Mit diesen Münzen entrichteten wiederum die lokalen Händler und Bauern ihre Steuern, und so setzte der Kreislauf sich fort. Wenn die Steuern nicht reichten, um den Sold zu bezahlen, oder Sonderzahlungen angesagt waren, wurde frisches Münzgeld aus Rom geliefert.
Münzen als PR-Instrumente
Von Zeit zu Zeit verfolgten die römischen Machthaber mit dem Transport frisch geprägter Münzen in die Provinzen auch ein ideologisches Interesse. Auf der Vorder- und Rückseite platzierten sie Bilder und Texte, die gezielt politische Botschaften verbreiteten. Ein besseres PR-Instrument wäre zur damaligen Zeit kaum denkbar gewesen. Im Jahr 71 n. Chr. erhielten beispielsweise die Soldaten am Rhein überwiegend Münzen mit Darstellungen von Victoria (Sieg) und Securitas (Sicherheit), denn sie hatten kurz zuvor den verheerenden Aufstand der Bataver niedergeschlagen. In Italien waren dagegen in demselben Jahr Münzen mit der Abbildung von Concordia (Eintracht) besonders zahlreich. Dort war die Gesellschaft durch einen bereits zwei Jahre währenden Bürgerkrieg zerrissen.
Zerfall und ein plötzliches Ende
Ausufernde Ausgaben durch Kriege an den Grenzen des Reiches, Bürgerkriege im Inneren und erschöpfte Silberminen bereiteten dem Denarsystem schließlich während des 3. Jahrhunderts n. Chr. ein Ende. Von Anfang an war der Denar aus beinahe purem Silber hergestellt worden. Damit der Staat mehr Münzen prägen konnte, wurde der Silbergehalt ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. in kleinen Schritten immer weiter gesenkt. Solange der Denar auf dem Markt und bei der Steuereintreibung aber für seinen Nennwert akzeptiert wurde, war das nicht problematisch. Im Laufe des 3. Jahrhunderts fiel der Silbergehalt dann dramatisch ab und enthielt zum Schluss nur noch einige Prozent Silber. Er scheint aber immer noch akzeptiert worden zu sein, bis relativ plötzlich um 274/275 n. Chr. die Preise explodierten. Von da an wurde der Denar nur noch zum Wert seines Metallgehalts angenommen. Damit brach das ganze Münzsystem nach fast 500 Jahren zusammen.
„Auffällig ist, dass das Ende des Denars erst kam, als das Vertrauen in das politische System verloren ging, welches den Wert der Münzen garantierte“, erklärt Fleur Kemmers. Ohnmächtige Kaiser, meuternde Truppen und einfallende Barbarenhorden stürzten das römische Reich in eine tiefe politische Krise. Nachdem diese überwunden war, entstand im späten 3. und frühen 4. Jahrhundert ein neues Geldsystem, das aber nie mehr so erfolgreich und nachhaltig war wie der Denar.
Informationen: Jun.-Prof.‘in Fleur Kemmers, Lichtenberg-Professur für Münze und Geld in der griechisch-römischen Antike, Institut für Archäologische Wissenschaften, Campus Westend, kemmers@em.uni-frankfurt.de. Bitte nehmen Sie Kontakt per Mail auf, da Fleur Kemmers zurzeit in Elternzeit ist. Sie liest ihre Mails täglich.
„Forschung Frankfurt“ kostenlos bestellen: ott@pvw.uni-frankfurt.de Im Internet: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/34831594/aktuelle_Ausgabe
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Criteria of this press release:
Journalists
Economics / business administration, History / archaeology
transregional, national
Research results
German
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